Ukraine-KriegKiew räumt schwere Verluste ein – Selenskyj spricht in Davos über russischen Raketenangriff

Ukraine-Krieg / Kiew räumt schwere Verluste ein – Selenskyj spricht in Davos über russischen Raketenangriff
„Die Geschichte ist an einem Wendepunkt“: Selenskyj beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos Foto: AFP/Fabrice Coffrini

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Für die Ukraine sind die territoriale Integrität und Souveränität Bedingung für jegliche Friedensbemühungen mit Russland. Derweil toben heftige Kämpfe im Gebiet von Luhansk. Dänemark will ganz spezielle Waffen liefern.

Die Ukraine hat die bislang schwersten eigenen Verluste bei einem russischen Angriff eingeräumt. „Heute haben wir die Arbeiten in Desna abgeschlossen. In Desna, unter den Trümmern, lagen 87 Opfer“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache am Montag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Bislang hatte die Regierung in Kiew von acht Toten bei einem Raketenangriff auf eine Kaserne in Desna am 17. Mai gesprochen. Zum Wochenbeginn heulten wieder in vielen ukrainischen Städten Warnsirenen. Die russischen Streitkräfte setzten ihre Offensive im Osten und Süden fort. Vor allem im Donbass und dem Gebiet der Stadt Mykolajiw im Süden tobten zum Teil heftige Kämpfe.

Selenskyj forderte erneut schärfere Sanktionen gegen Russland. Das Maximum sei noch nicht erreicht, es sei ein Öl-Embargo nötig. Mit Russland sollte kein Handel betrieben werden. Die Welt müsse einen Präzedenzfall schaffen. „Die Geschichte ist an einem Wendepunkt“, sagte Selenskyj. „Das ist wirklich der Moment, in dem entschieden wird, ob rohe Gewalt die Welt regieren wird.“

Das ist wirklich der Moment, in dem entschieden wird, ob rohe Gewalt die Welt regieren wird

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos

Der Stabschef des Präsidialamts, Andrij Jermak, bekräftigte auf Twitter, die Ukraine werde keine territorialen Zugeständnisse machen. Russland ist einem Medienbericht zufolge zu Verhandlungen mit der Ukraine bereit. Voraussetzung sei, dass die Regierung in Kiew eine „konstruktive Position“ einnehme, berichtete die Nachrichtenagentur Ria unter Berufung auf den stellvertretenden Außenminister Russlands, Andrej Rudenko. In der Vergangenheit waren dies für die Ukraine unannehmbare Forderungen.

Der Moment des Einschlags einer Granate neben einer Straße im Donbass
Der Moment des Einschlags einer Granate neben einer Straße im Donbass Foto: AFP/Aris Messinis

Die heftigsten Gefechte lieferten sich beide Seiten im Gebiet der Zwillingsstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk nordwestlich von Luhansk im Osten der Ukraine, wie ein Berater des Innenministeriums sagte. Die russischen Truppen versuchen bereits seit Mitte April, die Front zu schließen und die ukrainischen Verbände einzukesseln.

Streit um Getreide, Diplomat schmeißt hin

Russland warf dem Westen vor, mit seinen Sanktionen eine weltweite Nahrungsmittelkrise hervorgerufen zu haben. „Russland war immer eher ein verlässlicher Exporteur von Getreide“, sagte der Sprecher das Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow. „Wir sind nicht die Ursache des Problems.“ Nach Darstellung der Ukraine und des Westens blockieren russische Streitkräfte alle ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer, darunter auch den größten Hafen in Odessa. Millionen Tonnen Getreide liegen demnach dort brach und können nicht exportiert werden. Hauptabnehmer sind normalerweise Länder im Nahen Osten und Nordafrika, wo sich vereinzelt bereits eine Verschärfung der ohnehin bestehenden Hungersnot abzeichnet.

Lebenslang in Kriegsverbrecher-Prozess

Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der fast noch kindlich wirkende Panzersoldat Wadim Schischimarin am 28. Februar einen unbewaffneten 62 Jahre alten Zivilisten erschoss. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelte Fall. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess, der in der vergangenen Woche begann, lebenslange Haft beantragt. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, weil der Soldat einen Befehl ausgeführt habe. Es ist der erste Fall eines Kriegsverbrechens, der in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion vor Gericht verhandelt wurde. Der international viel beachtete Prozess wirft auch ein Schlaglicht auf das brutale Vorgehen der vor drei Monaten von Kremlchef Wladimir Putin in die Ukraine geschickten russischen Truppen.
Der Mann, den der nun verurteilte Russe erschoss, hieß Alexander Schelipow. Ende Februar war Schelipow in dem Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy im Nordosten der Ukraine mit seinem Fahrrad unterwegs, als Wadim Schischimarin laut Beweisaufnahme mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf ihn schoss. Die Witwe des Ermordeten, Katerina Schelipowa, fand ihren Mann später leblos auf der Straße – mit einem Schuss im Kopf. Vor Gericht sagte sie: „Er war für mich alles. Er war mein Beschützer.“

Dänemark wird US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zufolge die Ukraine mit Anti-Schiffs-Raketen des Typs Harpoon sowie entsprechenden Abschussvorrichtungen versorgen. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus US-Regierungskreisen, dass das ukrainische Militär mit dem fortgeschrittenen Waffensystem in die Lage versetzt werden soll, die russischen Blockaden der Häfen zu brechen.

Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden
Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden Foto: AFP/Sergej Supinsky

Ein russischer Diplomat bei den Vereinten Nationen (UN) in Genf ist unterdessen wegen der Invasion der Ukraine von seinem Posten zurückgetreten. Er habe schon vor ein paar Jahren mit dem Gedanken gespielt, aber der Angriff habe ihn dazu getrieben, den Schritt zu vollziehen, sagte Boris Bondarew der Nachrichtenagentur Reuters. Gemäß seinem LinkedIn-Profil arbeitete er als Berater bei der ständigen Vertretung Russlands bei den Vereinten Nationen und war für Rüstungskontrolle zuständig. „Ich ging zur Gesandtschaft wie an jedem anderen Montagmorgen, übergab mein Rücktrittsschreiben und ging hinaus“, erklärte er. Er habe seine Besorgnis über den Einmarsch mehrmals gegenüber leitenden Botschaftsmitarbeitern geäußert. „Mir wurde gesagt, ich solle den Mund halten, um Konsequenzen zu vermeiden“, sagte er weiter.

Bidens Taiwan-Signal an China

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat US-Präsident Joe Biden ein deutliches Signal an China gesandt und Taiwan im Falle eines chinesischen Einmarsches die militärische Unterstützung der USA zugesichert. „Das ist die Verpflichtung, die wir eingegangen sind“, sagte Biden am Montag auf eine entsprechende Frage beim Treffen mit Japans Ministerpräsident Fumio Kishida in Tokio. Peking erklärte umgehend, Biden solle die „Entschlossenheit“ Chinas nicht unterschätzen.
Die USA würden zwar die Ein-China-Politik unterstützen, aber nicht die Idee, Taiwan mit Gewalt einzunehmen, sagte Biden. „Das ist nicht angemessen.“ China „spielt mit der Gefahr“, fügte er hinzu und bezog sich dabei auf die wachsende Zahl chinesischer Kampfjet-Flüge und Marineübungen in der Straße von Taiwan.
Biden hatte bereits im Oktober mit der ausdrücklichen Zusicherung militärischer Unterstützung Taiwans bei einem möglichen Angriff Chinas für Aufsehen gesorgt. Peking reagierte daraufhin scharf. Nun wiederholte er in Japan seine Zusage – offensichtlich um die harte US-Reaktion auf Russlands Einmarsch in der Ukraine als Warnung an andere, insbesondere China, verstanden zu wissen: Eine chinesische Invasion „würde die gesamte Region durcheinander bringen und wäre eine ähnliche Aktion wie in der Ukraine“, sagte Biden mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine.
Auch als Signal an China sei es „wichtig, dass (Russlands Präsident Wladimir) Putin einen Preis für seine Barbarei in der Ukraine zahlt“, sagte Biden. Es gehe „nicht nur um die Ukraine“, denn China beobachte, ob der westliche Druck auf Russland nachlasse. Der US-Präsident deutete zwar an, dass er nicht von einem Überfall auf Taiwan ausgeht, betonte aber, dass dies „davon abhängt, wie stark die Welt deutlich macht“, dass eine Invasion ihren Preis haben würde.

Filet de Boeuf
24. Mai 2022 - 13.28

Ihr müsst die russischen Schiffe im schwarzen Meer unterkriegen.

HTK
24. Mai 2022 - 8.46

"Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, weil der Soldat einen Befehl ausgeführt habe." Alle Soldaten führen Befehle aus. Sowie die SS-Panzerbrigade in Oradour die 1944 ein ganzes Dorf auslöschte. Später kam kein geringerer als der Erzbischof von München Ratzinger,heute Papst a.D., und sprach den Mördern in ihren Gräbern sein Mitgefühl aus. 1953 wurden die meisten Befehlsempfänger der Mördertruppe von einem Amnestiegesetz begnadigt. So sieht die Realität aus.