Kopf des TagesDie Stille nach dem Sturz – Ex-VW-Chef Winterkorn wird 75

Kopf des Tages / Die Stille nach dem Sturz – Ex-VW-Chef Winterkorn wird 75
Martin Winterkorn 2017 in Berlin Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa

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Ex-Volkswagen-Chef Winterkorn wird 75

Wer hätte gedacht, dass diese steile Karriere einmal so enden würde? Nach Jahren immer höherer Gewinne, nach Jahren als bestbezahlter deutscher Topmanager, nach Jahren der Ehrfurcht vor seinem technischen Wissen und unternehmerischen Erfolg war für Martin Winterkorn als Volkswagen-Chef am 23. September 2015 schlagartig Schluss. Fünf Tage zuvor hatte die US-Umweltbehörde eine Bombe platzen lassen: Sein Konzern habe eine Software eingesetzt, um Messungen des Schadstoffausstoßes bei Dieselautos zu manipulieren.

Bald stand fest, dass der betrügerische Code in Millionen von Wagen steckte. Bis heute ist unklar, wer im Konzern bis hin zu dessen Spitze wann genau was wozu wusste. Für Winterkorn, der am Dienstag 75 Jahre alt wird, bedeutete es bei VW aber bereits mit sofortiger Wirkung das Aus. Damals völlig unerwartet.

Er habe zu akzeptieren, dass sein „Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre“, sagte er später. Als Eingeständnis einer Mitschuld am Abgasskandal wollte der lange als unantastbar geltende Lenker des größten deutschen Unternehmens das allerdings keinesfalls verstanden wissen. Und beinahe sieben Jahre danach will – oder kann – Winterkorn zur Aufklärung von „Dieselgate“ weiter wenig beitragen.

Jedenfalls nicht öffentlich, nicht im Gerichtssaal. Ein medizinisches Gutachten erspart es ihm bisher, beim ersten großen Strafprozess in Braunschweig persönlich erscheinen zu müssen. Die Anklage in dem Verfahren, das seit September 2021 gegen vier andere Ex-VW-Manager sowie -Ingenieure läuft, lautet auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug mit dem Täuschungsprogramm. Dessen Funktion sei es gewesen, VW-Diesel nur auf dem Prüfstand den Abgasstrom vollständig reinigen zu lassen.

Kaum ein Topmanager ist binnen so kurzer Zeit so tief gestürzt. „Mr. Volkswagen“ sonnte sich in den Erfolgen einer Rekordjagd, die während seiner fast neun Jahre an der Spitze der größten europäischen Autogruppe kein Ende zu nehmen schien. In einem Abschiedsvideo an die Belegschaft war Winterkorn sichtlich angefasst. Es komme „alles auf den Tisch – so schnell, gründlich und transparent wie möglich“.

„Wiko“ – wie er vom Bandarbeiter bis zum Vorstandskollegen genannt wurde – war ein Star der Wirtschaftselite, mit Jahresgehältern von bis zu 17 Millionen Euro und einer Rente von 3.100 Euro pro Tag. Die Belegschaft ließ aber meist nichts auf ihren Chef kommen. Er pflegte einen engen Draht zum Betriebsrat, war unabhängig vom Zittern vieler Ingenieure und Designer vor seinem Urteil insgesamt hoch anerkannt.

Der Fußball-Fan stammt aus einfachen Verhältnissen. Als Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau wurde Winterkorn 1947 in Leonberg bei Stuttgart geboren. Nach Physikstudium und Promotion begann seine Laufbahn 1977 bei Bosch. Vier Jahre darauf ging er zu Audi, wo er früh im Dunstkreis des späteren VW-Vorstands- und -Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch arbeitete, ab 1988 als Leiter der Qualitätssicherung. 2002 wurde Winterkorn Audi-Chef, 2007 gelangte er an die VW-Spitze.

In Wolfsburg baute der zweifache Vater den Konzern zum Konglomerat mit zwölf Marken aus. Manche Aktionen waren legendär. „Da scheppert nix“, befand er 2011 auf der IAA über die Lenkradverstellung eines Hyundai, an der er am Stand des südkoreanischen Konkurrenten detailversessen rüttelte.

Winterkorn lebt zurückgezogen in München. Ob er in kürzerer Frist zum Braunschweiger Verfahren stößt? Das ist wohl eher unwahrscheinlich, ist zu hören. Inzwischen erging von höherer Instanz aber ein Auftrag an das Landgericht, die Einstellung eines parallelen Strafverfahrens wegen Marktmanipulation im Abgasskandal nachträglich zu überprüfen.

So oder so: Das Verhältnis des Konzerns und vieler Beschäftigter zu Winterkorn bleibt gespalten. Auch die Leistungen des einstigen Chefs dürften nicht vergessen werden, heißt es. Unter ihm entstanden über 140.000 Jobs, Umsatz und Ergebnis verdoppelten sich. Etliche Modelle, an denen der Autobauer heute noch trotz Corona, Ukraine-Kriegs und Chipkrise gut verdient, fielen in die Planung der Ära Winterkorn. (dpa)

jimbim
28. Mai 2022 - 12.14

Betrüger die uns Milliarden gekostet haben werden hier gefeiert?