LuxemburgWas Putins faschistischer Krieg für uns bedeutet

Luxemburg / Was Putins faschistischer Krieg für uns bedeutet
Eine geflüchtete Ukrainerin in Differdingen: Putin habe den Kampfgeist der Ukrainer unterschätzt. „Er wollte unser Volk spalten. Ich bin überzeugt davon, dass wir ihn besiegen werden. Kein Ukrainer wird eine Kapitulation akzeptieren.“  Foto: Tom Jungbluth

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Welche Auswirkung hat der Ukraine-Krieg auf Luxemburg? Wie positionieren sich Politiker und Sicherheitsvertreter? Und wie geht es unseren neuen Mitmenschen aus der Ukraine? Ein Feature.*

„Ich mahne unablässig zum Frieden; dieser, auch ein ungerechter, ist besser als der gerechteste Krieg.“ – Ciceros Bonmot scheint im Ukraine-Krieg komplizierter denn je. Auf Putins faschistische Offensive passt eigentlich: besser ein schlechter Krieg als ein schlechter Frieden. Denn: Moskau muss dem heimischen Publikum jegliche Friedensbemühungen als Erfolg verkaufen. Für Putin ist ein Krieg, der sich möglicherweise über Jahre erstreckt, immer noch besser als eine klare Niederlage.

Die Ukrainer sind wiederum desillusioniert. Seit 2014 erlebten sie im Donbass genau diese Situation: Einen schlechten Frieden statt eines „guten“ Kriegs – er kostete 14.000 Menschenleben in der Ostukraine. Dafür herrschte z.T. Stabilität im Rest des Landes. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 sind alle Fantasien zerstört: Auch der schlechteste Frieden stoppt Putins imperialistische Gelüste nicht mehr. Wie aber konnte es so weit kommen?

Eine pragmatische Sicht hat Tom Köller. Der verteidigungspolitische Direktor der Luxemburger „Défense“ ist Russland-Experte. Er blickt auf eine ungewöhnliche Karriere zurück. Köller erzählt beim Warten am lettischen Militärflughafen von Lielvarde von seiner Spezialisation. Sein Karrierestart ist unmilitärisch: Köller spezialisierte sich auf Jugendfragen. Danach folgen Etappen beim Europäischen Rechnungshof und dem Außenministerium. In Letzterem ist Köller von 2001 bis 2004 einer der vielen Spezialisten: die sogenannten „Desk Officer“. Neben NATO- und Abrüstungsfragen sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik spezialisiert sich Köller auf Russland.

Gamechanger Weißrussland

Diese Erfahrung ist bis heute klar erkennbar. Der verteidigungspolitische Direktor versteht die russischen Befindlichkeiten, hat eine ausgewogene Sicht der NATO – kann jedoch der aktuellen Russlandpolitik nichts abgewinnen. Der quirlige Analyst sieht folgenden Schlüsselmoment, der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ermöglicht hat: die Schwächung Weißrusslands. Während die geläufige Erzählung lautet, dass Putin diese Offensive seit ewigen Zeiten geplant hat, versteht Köller, wie Putin funktioniert: Der russische Präsident ist ein mittelmäßiger Taktiker und ein denkbar schlechter Stratege. Er nutzt vor allem die Gunst der Stunde. „Für mich ist die Entwicklung in Weißrussland ein entscheidender Faktor für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Niederschlagung des demokratischen Aufstands mit russischer Hilfe hat das Lukaschenko-Regime wieder in eine sehr starke Abhängigkeit von Russland gebracht, was dem russischen Generalstab die Möglichkeit gab, Weißrussland als Aufmarschgebiet zu benutzen und so die Ukraine auch von dort anzugreifen. Dies hat dann höchstwahrscheinlich zu der Fehleinschätzung geführt, dass ein Krieg gegen die Ukraine schnell gewonnen werden könnte“, so Tom Köller. Diese Einschätzung ist zentral. Denn sie entzaubert Putin als großen Strategen. Sie zeigt, dass er sich ausschließlich von machtpolitischen Überlegungen leiten lässt. Anders ausgedrückt: Gelegenheit macht Diebe. Allerdings führte diese Fehleinschätzung dazu, dass Russland seinen ureigensten nationalen Interessen geschadet hat: Militärisch, politisch und kulturell ist Putin auf einer Kamikaze-Mission unterwegs.

Laut Tom Köller hat Putin genau das Gegenteil von dem erreicht, was er anstrebte. Da wäre zunächst die Drohkulisse von der NATO-Expansion: „Dass die NATO eine Bedrohung für Russland darstellt, ist ein Witz. Wie soll bitte eine Organisation mit Konsensprinzip einen Angriff auf eine Atommacht planen? Das ist völlig absurd!“ Die Ursache für Putins Politik sei demnach eine andere: Freiheitliche Gesellschaften in direkter Nähe zu Russland seien eine Bedrohung für Russlands Autokratenregime, besonders wenn sie auch noch russischsprachig seien. Putin beweise demnach mit seinem Krieg, dass Russland kein alternativloses Regime sei. Es gebe andere Staaten, die den Weg vorzeichnen könnten: „Weil sie eine klare politische Alternative darstellen gegenüber einem Regime, was sich nur mit Gewalt, Korruption und Propaganda an der Macht hält. Auch deswegen durfte die Ukraine auf keinen Fall reüssieren.“

Der Luxemburger und verteidigungspolitische Direktor Tom Köller bei der Visite einer Militärbasis in Lettland
Der Luxemburger und verteidigungspolitische Direktor Tom Köller bei der Visite einer Militärbasis in Lettland Foto: Editpress/Dhiraj Sabharwal

Kussi-Kussi-Politik

Bevor Tom Köller 2019 verteidigungspolitischer Direktor wurde, hat er von 2004 bis 2010 für Luxemburgs ständige EU-Vertretung gearbeitet. Von 2010 bis 2019 wurde er politischer Berater für die Grünen im Europaparlament. Er hatte ein interessantes Profil für die aktuelle Orientierung der „Défense“: Heute ist sein politischer Vorgesetzter Vizepremier- und Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“). Auch Bausch kritisiert Putins autoritäres Regime. Allerdings findet er auf die Frage, wie es so weit kommen konnte, nur schwer eine Antwort. Fragt man ihn nach Luxemburgs Kussi-Kussi-Politik gegenüber Moskau, zögert Bausch zunächst: „Das hat auch viel damit zu tun, wie Wirtschaftspolitik die letzten 20 Jahre in Luxemburg gesehen wurde. Ich will nichts unterstellen. Franz Fayot (LSAP) ganz sicher nicht. Ich glaube, dass er eine ethische Haltung hat, die ,ganz an der Rei ass‘. Auch nicht seinen Vorgängern. Aber wir waren in einer gewissen Hinsicht auch naiv.“

Erst beim Nachhaken, das eigentlich ein Augenrollen ist, kitzelt die Wahrheit aus Bausch heraus: „Da war schon System dahinter. Ich hasse es, ständig Schuldzuweisungen auf die Vergangenheit oder auf meine Vorgänger zu machen. Ich bin in der Verantwortung, dann muss ich mich damit herumplagen und es ist an mir zu schauen, was passiert. Wenn diese Krise und der Ukraine-Konflikt uns bei etwas den Spiegel vorgehalten hat: Dann müssen wir mit unserer Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik anders umgehen. Wir müssen Standards setzen. Wir können nicht nur wirtschaftliche Interessen beachten …“

Doch was heißt anders? Eine andere Politik? Oder nur eine veränderte Wahrnehmung dieser? Fragt man Bausch, warum Luxemburg im Vergleich zu anderen Staaten russische Gelder im Großherzogtum nur langsam offengelegt hat, sagt er: „Der Premier und wir alle in der Regierung teilen die Einschätzung, dass wir nicht zulassen können und wollen, dass der Finanzplatz Luxemburg als ,Luusspätter‘ angesehen würde.“ Es geht also, wie so oft, um Reputation. Denn: Luxemburgs nationales Heiligtum, das Triple A, hängt von der Vertrauenswürdigkeit unseres Wirtschaftsstandortes ab. Dieses Vertrauen ist aber nur gegeben, wenn Luxemburg nicht als Putin-Helfer wahrgenommen wird. Umso mehr wirkt die Regierung bemüht, zumindest das Image des Oligarchen-Finanzplatzes zu relativieren: „Man kann ja aber nicht sagen, dass wir in Luxemburg nichts getan hätten. Wir haben ja unsere Hausaufgaben gemacht“, so Bausch. Finanzministerin Yuriko Backes (DP) sei klar auf der Linie, Transparenz in die Frage der russischen Oligarchengelder zu bringen. Wie dies konkret geschieht, bleibt jedoch vorerst unklar.

Verteidigungsminister François Bausch und Armeechef Steve Thull
Verteidigungsminister François Bausch und Armeechef Steve Thull Foto: SIP / Emmanuel Claude

Die Effizienz der Sanktionen

Vereinfacht lässt sich die Problematik so zusammenfassen: Für die Luxemburger Öffentlichkeit ist nur sehr schwer nachvollziehbar, inwiefern die Luxemburger „Finanzplaz“ direkt und – fast wichtiger – indirekt am florierenden „Bizness“ russischer Oligarchen beteiligt ist. The story in a nutshell: Ohne Unterstützung internationaler Recherchekonsortien wäre vermutlich wenig bis nichts über die Oligarchenvermögen in Luxemburg bekannt. Ein weiteres Problem: Beeinflussen Sanktionen gegen russische Oligarchengelder in Luxemburg den Krieg überhaupt? Kurz-, mittel- oder langfristig? Auch hier ist die Experten-Sicht sehr ernüchternd.

„Sobald Sie ein wenig an der Oberfläche kratzen, dann fallen Ihnen diese Konzepte recht schnell auseinander“, sagt Militärökonom Dr. Marcus Matthias Keupp von der ETH Zürich. Klartext: „Man muss natürlich fragen: Was will man mit dem Sanktionieren der Oligarchen erreichen? Man muss zunächst eins sehen: Die heutigen Oligarchen haben zwar sehr viel Geld, aber sie haben keine politische Macht“, so Keupp. Denkt man dies zu Ende, bleibt die bittere Feststellung: Selbst eine proaktive Luxemburger Sanktionspolitik gegen Oligarchen kann den Krieg nicht zeitnah beenden. Keupp sieht die Oligarchen lediglich bei der Reparationsfrage in der Verantwortung – die sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht stellt. Der Krieg wütet weiter: 3.752 Ukrainer wurden bislang getötet, 4.062 verwundet (Stand 17. Mai 2022, Quelle: Büro des UN-Kommissars für Menschenrechte). Die meisten Menschen sterben durch explosive Waffen mit breitem Einschlaggebiet: Bombardements durch schwere Artillerie, Mehrfachraketenwerfersysteme und Raketen- sowie Luftangriffe. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind bislang 6.266.844 Menschen aus der Ukraine geflohen. Schätzungen zufolge sollen bis zu 30.000 russische Soldaten getötet worden sein.

Während Luxemburgs Finanzplatzpolitik eher zurückhaltend in Sachen Russland ist, kann das Gleiche nicht für die Ukraine gesagt werden. Militärisch und humanitär hat sich das Großherzogtum mit mehr als 50 Millionen Euro engagiert. Premier Xavier Bettel (DP) veröffentlichte am Dienstagabend (17.5.2022) auf Twitter die aktuelle Zahl: „Lëtzebuerg huet d’Ukrain zanter dem Ufank vum Krich resolut ënnerstëtzt: 155M€ fir den Accueil vu Refugiéen, humanitär a militäresch Hëllef.“ Vizepremier Bausch rechnet diese Zahlen auf das Militärische runter. Luxemburg habe bislang mehr als 50 Millionen Euro für Waffen und Material an die Ukraine ausgegeben, hieß es ebenfalls Dienstagabend. Laut Défense entspricht dies 10 Prozent des jährlichen Verteidigungsbudgets Luxemburg. Doch was bedeuten diese Zahlen konkret für die Menschen, die aus der Ukraine zu uns flüchten? Und wie geht es unseren neuen Mitmenschen überhaupt, für die sich auch die Frage stellt, ob ein schlechter Frieden besser als ein guter Krieg ist.

Das menschliche Schicksal

Das Tageblatt hat im März kurz nach Kriegsbeginn die Serie „Flucht“ veröffentlicht. Zu Wort kamen ukrainische Zeitzeugen in Luxemburg. Zwei von ihnen waren Denis Semianystyi und seine Ehefrau Anna Semianysta aus Differdingen. Anna floh aus der Ukraine: Sie war vier Tage schlaflos im Grenzstau und konnte sich ins Großherzogtum retten – eine Reise so weit wie von Luxemburg nach Madrid. Während Ehemann Denis bereits in Luxemburg war, kam sie mit den Kindern, den Haustieren, der Mutter und der Großmutter, die alle nur liebevoll „Babuschka“ rufen. Denis nennt Anna seine „Heldin“: Weil sie die Tortur im Kleinwagen auf sich genommen hat. Doch auch eine weitere Heldin kommt an diesem Tag zu Wort: Annas Mutter. Wer sich anfangs nicht vorstellen konnte, wie resistent die Ukrainer sind, hätte es spätestens nach diesem Gespräch tun können. Das Tageblatt unterhält sich im März ebenfalls eine Stunde mit Annas Mutter, veröffentlicht das Gespräch aber noch nicht. Ihre Aussagen könnten jedoch kaum aktueller sein: Sie bieten einen tiefen Blick in den Kampfgeist der Ukrainer und Ukrainerinnen.

Annas Mutter ist Rentnerin und arbeitete als Krankenschwester. Sie hat alles zurückgelassen. „Es fällt mir hier alles sehr, sehr schwierig. Ich habe mich an die Menschen gebunden, die ich zurückgelassen habe.“ Das fällt bei unserer damaligen Visite bereits auf: Während Anna mit dem Vierbeiner im Hundekörbchen chillt, wirkt die Mutter unruhig, entwurzelt. Sie ist zu Fluchtbeginn im Dilemma: Helfen oder mit der Tochter und den Enkeln fliehen? Sie entscheidet sich für die Familie. Ihre Gesundheit spielt nicht mehr so mit wie früher. Aber: Ihr Kampfgeist ist präsent. „Die meisten Ukrainer kämpfen bis zum Schluss.“ Ein Satz, der alles sagt. „Sie werden so eine Unterdrückung nicht akzeptieren.“

Annas Mutter wird recht behalten. Die Ukrainer seien bemerkenswert. In Friedenszeiten würden sie fast apathisch wirken. „Inert“. Aber wenn eine Gefahr drohe, hielten sie zusammen. Es gebe aus den Kosakenzeiten ein passendes Bild: Die Kosaken kämpfen Rücken an Rücken. „Selbst die ukrainischen Frauen kämpfen: Sie antworten.“ Sie ballt während des Gesprächs mehrmals die Hände zur Faust. So zerstritten die Ukrainer auch intern sein mögen: Man wehre sich gegen den Okkupanten. Putin habe einen zentralen Fehler begangen: Er habe nicht erwartet, dass alle Ukrainer so eng zusammenrücken. „Er wollte unser Volk spalten. Ich bin überzeugt davon, dass wir ihn besiegen werden. Kein Ukrainer wird eine Kapitulation akzeptieren.“ Annas Mutter kommt zur gleichen Schlussfolgerung wie Tom Köller. Auch sie verstand vor Ort, dass der Krieg komplett eskalierte, weil Weißrussland Putins Spiel wieder mitspielte: „Dass der Krieg zu einer globalen Katastrophe führen könnte, habe ich verstanden, als die Weißrussen die russische Armee bis nach Tschernobyl durchgelassen haben.“

Chamber und Stellvertreterkrieg

Was rückblickend besonders an die Nieren geht: Anfänglich habe Russlands Krieg noch nicht nach einem Vernichtungskrieg ausgesehen, so Annas Mutter. „Das war noch keine massive Massenmordvernichtung.“ Bereits im März war aber klar: Genau diese faschistische Orientierung des Krieges werde sich durchsetzen. „Darum bin ich so schockiert“, sagte sie damals. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: Die Position von Luxemburgs Armeechef Steve Thull. Der in Esch geborene „Chef d’état-major de l’Armée“ hat eine differenzierte Sicht des militärischen Geschehens. Er grenzt sich bewusst von Militaristen ab, die um jeden Preis aufrüsten wollen. Seine Herangehensweise sei „cartésien“, rational. Er warnt vor den Konsequenzen, die übertriebenes Aufrüsten haben könnte: nämlich eine Eskalation des Ukraine-Kriegs und noch mehr Tote. Sprich: der NATO-Bündnisfall. Dieser könnte Staaten wie die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien in eine direkte militärische Auseinandersetzung mit Russland führen. Bislang liefern die NATO-Staaten der Ukraine Waffen und Material, sind aber offiziell nicht direkt in das Kriegsgeschehen involviert. Im politischen Luxemburg wurde diese Position am Dienstag (17.5.2022) in der Chamber als „Stellvertreterkrieg“ bezeichnet. Der DP-Abgeordnete Gusty Graas brachte diese doch sehr direkte Einstufung des Konflikts auf den Punkt: Man könne von einem „gewësse Stellvertriederkrich“ sprechen. Das sei nicht von der Hand zu weisen. Als Beweis für seine Argumentationsführung nannte er die hohen militärischen US-Investitionen. Allein 40 Milliarden US-Dollar sollen an die Ukraine fließen, 60 Prozent davon für militärische Zwecke.

Auch Armeechef Thull begrüßt diese Form der Unterstützung prinzipiell. Der Knackpunkt liegt für ihn aber in der konkreten militärischen Beteiligung. Man dürfe Massaker wie jenes von Butscha nicht ungestraft bzw. nicht unbeantwortet lassen: „Dann sind Sie am Punkt angelangt, dass diese Menschen alles tun müssen können, um sich zu wehren – aber ohne selbst den Waffengang zu machen. Da liegt die Nuance.“ Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied und somit auf sich allein gestellt. Für Thull ist klar: Luxemburg würde nur Russland im NATO-Bündnisfall mit angreifen. Dies sei aber ohnehin keine militärische, sondern eine Entscheidung der Politik. Versucht man den Austausch zwischen Militär, Politik, Wirtschaft und dem Nachrichtendienst SRE zu verstehen, wird es schwieriger. Denn am Ende des Tages hängen die Einschätzungen zu Krieg und Frieden von genau diesen Akteuren ab.

No comment

Das Beispiel Putin zeigt, was passiert, wenn die Sicherheitskaste „foiréiert“: militärisches Abenteuertum. Da Luxemburg in internationale Institutionen wie die EU und die NATO eingebunden ist, stellt sich diese Frage für uns weniger. Dennoch ist es aus demokratischer Perspektive wichtig zu verstehen, wie die nationalen Akteure die Sicherheitslage mit Blick auf den Krieg einschätzen – also, wie sie die Regierung beraten. Erst nach mehrfachen Nachfragen für ein On- oder Off-the-record-Gespräch mit dem Nachrichtendienst SRE hat das Staatsministerium dem Tageblatt geantwortet: „Den SRE informéiert déi zoustänneg staatlech Instanzen iwwert d’Evolutioun vun der Sécherheetslag. Heizou gi classifiéiert Informatioune verschafft, déi net kënnen un d’Press virugi ginn.“

Zumindest der verteidigungspolitische Direktor Tom Köller wagt eine Prognose und Einschätzung des Kriegsgeschehens. Man müsse bedenken, dass Russland seinen Krieg auch mit der „mythologischen Dimension des ,russkiy mir‘, der Vereinigung der russischen Welt und des Kulturkampfes gegen den aus russischer Sicht oft dekadenten Westen“ begründe. Köller vergleicht Putins Staatsterrorismus mit der Terrororganisation IS, die Europa und den Nahen Osten jahrelang in Atem hielt: „Das ist ähnlich wie beim Islamischen Staat. All dies lässt mich leider befürchten, dass dieser schreckliche Krieg uns noch lange beschäftigen wird.“

Transparenz: Bauschs Reise ins Baltikum*

François Bausch war vom 2. bis zum 5. Mai in Lettland und Litauen: Das Tageblatt hat den Vize- und Verteidigungsminister während der Reise begleitet. Während seiner Arbeitsvisite traf er unter anderem seine lettischen und litauischen Amtskollegen und besuchte ein „NATO Strategic Communications Centre of Excellence“. Entstanden ist daraus eine Artikel-Serie, die hinter die Kulissen der Dieschbourg-Krise blickt, Luxemburgs Rolle in bewaffneten Konflikten beleuchtet, den Umgang mit russischen Oligarchen kritisch vertieft und alternative Ideen vorstellt, wie Putins Kriegskasse am effizientesten ausgetrocknet werden kann.