AustralienFür die Wahlen am 21. Mai liegen die Sozialdemokraten in Umfragen vor dem regierenden Mitte-Rechts-Bündnis

Australien / Für die Wahlen am 21. Mai liegen die Sozialdemokraten in Umfragen vor dem regierenden Mitte-Rechts-Bündnis
Australiens Premierminister Scott Morrison (r.) und sein sozialdemokratischer Herausforderer Anthony Albanese während einer Fernsehdebatte Foto: SMH POOL/AAP/dpa/James Brickwood

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Die Australier gehen am 21. Mai an die Wahlurne. Umfragen sehen die sozialdemokratische Opposition in Führung. Doch vor drei Jahren sah die Situation ähnlich aus und trotzdem siegte am Ende das regierende Mitte-Rechts-Bündnis. Rupert Murdochs Medienmacht spielte dabei auch eine Rolle.

Oppositionsführer Anthony Albanese „stolpert und strauchelt“, „Anthony Albanese ist für den Spitzenjob nicht geeignet“ – der Daily Telegraph, das Flaggschiff der Rupert-Murdoch-Presse in Australien – lässt kaum ein gutes Haar am Chef der Labor-Partei, den Sozialdemokraten in Australien. Albanese fordert mit seiner Partei das amtierende Mitte-Rechts-Bündnis unter Scott Morrison heraus. Letzteres liegt laut der aktuellen Umfragen deutlich hinter der Labor-Partei. Doch dem Pfingstchristen Morrison gelang schon einmal ein „Wunder“, wie er es selbst nannte. Bereits vor drei Jahren siegte er trotz ähnlich schlechter Umfragewerte dann doch noch knapp.

Der biblische Vergleich, den Morrison am Abend seines Wahlsieges anbrachte, wurde letztendlich zum Vorboten seiner Amtszeit: Denn diese war von gleich mehreren Katastrophen „biblischen Ausmaßes“ geprägt. Buschbrände, eine Mäuseplage, eine Pandemie und mehrere Überschwemmungen bestimmten die vergangenen drei Jahre in Australien und lesen sich wie Kapitel aus dem Alten Testament. Gleichzeitig erweckte der liberalkonservative Politiker das David-gegen-Goliath-Motiv, indem er sich mit den großen US-Techfirmen und mit China anlegte, dem bis dahin wichtigsten Handelspartner seines Landes.

Im Ausland brachte ihm das ab und an sogar Applaus ein, wobei das geringe Engagement seiner Regierung im Kampf gegen den Klimawandel selbst enge Verbündete inzwischen vor den Kopf stößt. Im Inland dominierten dagegen die Fauxpas des Regierungschefs. Vor allem während der tragischen Buschfeuer 2019/20 verstieß er seine Landsleute mit Bemerkungen wie „er müsse ja keinen Löschschlauch halten“ und fuhr selbst in Urlaub nach Hawaii, während sein Land in Flammen stand. Auch sein wenig engagiertes Auftreten, als mehrere Missbrauchsskandale im Parlament aufflogen, wurde vor allem von vielen Frauen schwer kritisiert.

Der Wunsch nach einem Regierungswechsel ist da. Der Premierminister ist nicht beliebt und er tut sich schwer, etwas Positives zu vermitteln.

Haydon Manning, Politikexperte und außerplanmäßiger Professor der Flinders University in Adelaide

„Der Wunsch nach einem Regierungswechsel ist da“, sagte Haydon Manning, ein Politikexperte und außerplanmäßiger Professor der Flinders University in Adelaide. „Der Premierminister ist nicht beliebt und er tut sich schwer, etwas Positives zu vermitteln“, meinte er. Doch auch der sozialdemokratischen Opposition – der Labor-Partei – falle es schwer, eine Alternative zu präsentieren.

Peinlichkeiten während der Kampagne

Der sozialdemokratische Kandidat Anthony Albanese fiel gleich am ersten Tag der Wahlkampagne mit einem mentalen Blackout auf und konnte unter anderem die Arbeitslosenquote – die derzeit mit vier Prozent extrem niedrig ist – nicht mehr nennen, als er in der Pressekonferenz wie in der Schule abgefragt wurde. Wenig später wurde er dann noch mit Covid diagnostiziert und fiel für sieben Tage aus, da er sich in Quarantäne begeben musste.

Doch auch Morrison stand ihm an Peinlichkeiten während der Kampagne in nichts nach. In einer Debatte sagte er vor Publikum, er sei „gesegnet“, keine Kinder mit Behinderungen zu haben. Die Bemerkung fiel, nachdem ihm eine Frau mit einem autistischen Sohn eine Frage gestellt hatte. Kritiker nannten diesen Kommentar „verstörend“. Auch die vielen inszenierten Fotogelegenheiten, die der ehemalige Marketingmann Morrison den Medien regelmäßig serviert, bringen ihm oft mehr Häme als Applaus ein: So wusch er einer Kundin in einem Friseursalon in Victoria die Haare und für einen TV-Beitrag brachte er seiner Familie ein Ständchen mit einer Ukulele. Letzteres brachte bei vielen unangenehme Erinnerungen an seinen Trip nach Hawaii während der Buschfeuer hoch.

Opposition ist in „stärkerer Position“

In Umfragen liegt die oppositionelle Labor-Partei derzeit relativ deutlich vor der Regierungskoalition. Auch der Wahlanalyst Ben Raue glaubt, dass Labor bei der anstehenden Wahl „in einer stärkeren Position“ ist. „Morrison wird als faul empfunden und als jemand, der langsam reagiert, mit dem es schwierig ist, zusammenzuarbeiten, und der gerne mal mobbt“, ist sein harsches Urteil.

Morrison wird als faul empfunden und als jemand, der langsam reagiert, mit dem es schwierig ist, zusammenzuarbeiten, und der gerne mal mobbt.

Ben Raue, Wahlanalyst

Doch auch vor der Wahl 2019 sah es bereits ähnlich aus: Damals präsentierten die Sozialdemokraten sogar ein deutlich anspruchsvolleres Programm, während sie sich jetzt vor allem an den Themen Klimawandel und an einer stärkeren Position im Pazifikraum festklammern. Letzteren hatte die Regierung unter Morrison eher vernachlässigt – ein Fakt, der dazu beigetragen haben dürfte, dass die Salomonen im April ein vom Westen heftig kritisiertes Sicherheitsabkommen mit China schlossen. „Scott Morrison hat im entscheidenden Moment im Pazifik versagt, und als Ergebnis ist Australien weniger sicher“, kommentierte die Oppositionelle Penny Wong damals. Das entstehende Vakuum „wird von anderen gefüllt – die unsere Interessen und Werte nicht teilen.“

Australier setzen auf Beständigkeit

Trotzdem darf sich die Labor-Partei eines Wahlsieges nicht völlig sicher sein. Letzteres liegt am Einfluss der Medien – die übermächtige News-Corp-Gruppe von Medienmogul Rupert Murdoch wird bis zum Wahltag gegen die Oppositionsparteien anschreiben – aber auch daran, dass der Australier gerne auf das Altbewährte setzt oder wie der Politikexperte Manning sagte: „Wir wechseln die Regierung hier in Australien nicht besonders oft.“

Und Morrison steht für das Beständige – so ist er der erste Premierminister seit John Howard, der eine volle Amtszeit absolviert hat. Letzteres ist angesichts der Putschkultur in der australischen Politik keine geringe Leistung. Denn so selten die Regierungspartei gewechselt wird, so häufig wurde bisher der Regierungschef ausgetauscht. Nicht umsonst titelte die Time im Jahr 2018: „Warum wird Australien seine Premierminister immer wieder los?“

Letztendlich könnte die Wahl – bei der dank einer Wahlpflicht fast 17 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben werden – aber auch eine große Überraschung liefern: Denn neben den bewährten Parteien tritt dieses Mal eine große Anzahl unabhängiger Kandidaten auf. Diese sind meist Akademikerinnen, die sich den Kampf gegen den Klimawandel und gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben haben. Sollte keine der großen Parteien die absolute Mehrheit erhalten, könnten sie zum sogenannten „Kingmaker“ – dem „Königsmacher“ – werden, und letztendlich entscheiden, wer künftig das Land regieren soll.