Batterien im FokusLuxemburger Start-up will Energiewende führend mitgestalten

Batterien im Fokus / Luxemburger Start-up will Energiewende führend mitgestalten
Mit der von ihnen entwickelten Maschine wollen die Gründer von Circu Li-ion die Klimakrise bekämpfen, indem sie Batterien ein zweites Leben geben  Foto: Circu Li-ion

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Als einer der wichtigen Knackpunkte bei der Energiewende gilt die Verfügbarkeit von Strom-Speichern. Sie müssen die Energie, die durch Sonne und Wind hergestellt wird, bereithalten, um den Strom bei Bedarf ins Netz einspeisen zu können. Ein junges Luxemburger Unternehmen hat sich der Herausforderung angenommen.

„Batterien sind der umweltfreundlichste Weg, um auf eine CO2-neutrale Wirtschaft umzusteigen“, unterstreicht Xavier Kohll in den Räumlichkeiten des Firmeninkubators „Paul Wurth InCub“ im Gespräch mit dem Tageblatt. „Sie können mit grünem Strom hergestellt und betrieben werden.“

Mit den traditionellen Autobatterien haben die Lithium-Ionen-Batterien, wie sie heute im Bereich der Elektromobilität genutzt werden, derweil nur noch wenig gemeinsam. Die „alten Auto-Batterien werden in den nächsten 30 Jahren verschwinden“, so Kohll. „Ein Auslaufmodell. Die neuen haben eine deutlich bessere Umweltbilanz.“

Die neuen Lithium-Ionen-Batterien setzen sich aus Batterie-Zellen (siehe Foto) zusammen. Im Smartphone gibt es eine dieser Zellen. In Geräten für die Elektromobilität sind „Batterie-Packs“ mit einer Vielzahl an Zellen: In einem E-Bike sind 40 bis 60 Zellen; in einem Elektroauto etwa 3.000 Zellen. Jede Zelle hat im Schnitt eine Lebensdauer von 800 Auf- und Entladungen, etwa 800 Zyklen in ihrem ersten Leben, insgesamt (1. + 2. Leben) können viele Zellen über 2.000 Zyklen durchlaufen.

Ein geöffneter Batterie-Pack mit den Zellen
Ein geöffneter Batterie-Pack mit den Zellen Foto: Editpress/Tania Feller

Bei Geräten, wie beispielsweise E-Bikes, gelten die Lithium-Ionen-Batterien derweil als nicht mehr gut, sobald einige der Zellen nicht mehr die gewünschte Kapazität bieten. „Die gesamte Batterie wird dann entsorgt, meist verbrannt“, so Xavier Kohll. Es handelt sich um gewaltige Mengen. Große Mobilitätsanbieter verarbeiten jährlich Millionen dieser, mehrheitlich in China hergestellten, Batterie-Packs. Allein letztes Jahr seien in Europa acht Millionen E-Bikes verkauft worden, sagt er.

Eine Verschwendung an Rohstoffen

Xavier Kohll ist bei Circu Li-ion zuständig für die Technik
Xavier Kohll ist bei Circu Li-ion zuständig für die Technik Foto: Editpress/Tania Feller

„Das ist eine Verschwendung an Rohstoffen und unsinnig für die Umwelt“, fügt Antoine Welter hinzu. Denn auch wenn Zellen von einer geringeren Qualität nicht mehr im Bereich der E-Mobilität eingesetzt werden können, so können sie trotzdem noch weiterverwendet werden, etwa als Energiespeicher in Privathäusern.

Doch nur ein kleiner Teil der Zellen wird heute recycelt, so Welter. Bei einem Großhandels-Preis von etwa drei Euro pro Zelle lohne sich der Aufwand einer manuellen Recycling-Operation, wirtschaftlich gesehen, nicht wirklich.

Gemeinsam haben die beiden Luxemburger Xavier Kohll und Antoine Welter vor etwas mehr als einem Jahr das Unternehmen Circu Li-ion gegründet. Kohll ist zuständig für die Technik, Welter für das Geschäftliche.

„Wir wollen erreichen, dass jede Zelle so lange lebt wie nur möglich. Wir wollen das Maximum aus jeder einzelnen Zelle herausholen“, erklären beide. So müssen weniger Zellen hergestellt werden. Das mache geopolitisch und wirtschaftlich Sinn, und passe voll in das von Luxemburg anvisierte Modell einer Kreislaufwirtschaft, so der Geschäftsführer von Circu Li-ion.

Entwickelt hat das Start-up eine industrielle Maschine, die Batterie-Packs öffnet, die Zellen herausnimmt und die Speicherkapazität jeder einzelnen Zelle analysiert und zertifiziert. Danach können die Zellen dann – dem Resultat entsprechend – in anderen Strom-Speichern weiterverarbeitet werden. „Upcyceln“ nennen sie das.

Auf die „Batterie-Packs“, die in riesigen Volumen vorhanden sind, von E-Scootern und E-Bikes, haben sie sich nun vorerst spezialisiert. „Wir haben bereits Abkommen mit drei der vier größten E-Mobility-Anbieter“, so Antoine Welter. Er ist gebürtiger Escher, der mit seinem Vater, der bei der Arbed gearbeitet hatte, in die USA ausgewandert war. Später hat er in Barcelona, München und Shanghai „business administration & Technology“ studiert.

Die „guten Zellen“ verkaufe man weiter, so die beiden Gründer. Mittelfristig plane man jedoch, speziell entwickelte Maschinen an die Kunden zu vermieten. Zudem habe man ein Pilot-Projekt zur Herstellung eines eigenen Strom-Speichers am Laufen.

Antoine Welter ist bei Circu Li-ion zuständig für das Geschäftliche
Antoine Welter ist bei Circu Li-ion zuständig für das Geschäftliche Foto: Editpress/Tania Feller

Alle anderen Teile des „Batterie-Packs“, die nicht die Zellen selber sind – von Platine bis Plastikverpackung – seien „noch Thema für die Zukunft“. Derzeit gebe man das Material für eine weitere Zerlegung an spezialisierte Firmen weiter. „Wir trennen und verkaufen an einen Recycler“, so Welter. Das gelte auch für die Zellen, die nicht mehr gut genug für eine Weiterverwendung sind.

„Der Markt ist bereits riesig“, schwärmen die beiden Gründer weiter. „Und er wird noch weiter wachsen.“ Neben der Automobilindustrie arbeiten derzeit beispielsweise auch Werkzeughersteller von etwa Benzin-Motorsägen daran, ihre Produkte zu elektrifizieren. „Immer mehr Märkte öffnen sich“, so Antoine Welter. „Immer mehr wird elektrifiziert.“

„Ich glaube, es gibt nur den einen Weg“

Derzeit zählt Circu Li-ion 17 Mitarbeiter, davon elf in Luxemburg und sechs in Deutschland. In der Gegend von Karlsruhe steht die Maschine. Dort hatten sie den „richtigen“ Maschinenbauer und die passende Räumlichkeit gefunden. In Fentingen wird an der Weiterentwicklung der Maschine, etwa der Software zur Steuerung der Roboter, gearbeitet. Lob erhält die Luxemburger Universität: „Ohne sie wäre es schwierig, an Talente zu kommen“, so Xavier Kohll. Schon drei Hochqualifizierte habe man von dort eingestellt.

Die beiden Luxemburger sehen die Batterien als wesentlichen Teil der Energiewende. Die perfekte Lösung wäre eine dezentrale Energieherstellung (etwa mit Solarzellen), gekoppelt an Stromspeicher zu Hause, so Kohll. „Dann muss man nicht Milliarden in die Infrastruktur investieren.“ In manchen Ländern rechne sich das bereits heute, sagt er. Doch es brauche den Zugang zum Netz. „Ich glaube, es gibt nur den einen Weg“, so der an der ETH in Zürich studierte Chemie-Verfahrenstechniker. „Ein Speicher in jedem Keller. Und der beste Speicher, den wir haben, sind die Zellen.“

Doch während die Nachfrage nach den Zellen steigt, die „für die Energiewende gut genug sind, so ist doch nicht genug Masse verfügbar“, so Kohll weiter. Durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Energiepreise habe die Nachfrage nach Zellen nun noch einen weiteren Schub erhalten. Vor allem von Firmen, die Energiespeicher bauen. Die wachsen aktuell mit 400 bis 500 Prozent im Jahr. „Mit mehr Zellen könnten sie noch schneller wachsen.“

Einen Gewinn erwirtschaftet Circu Li-ion vorerst noch nicht. Das ist aktuell aber auch nicht das Ziel. „In den nächsten fünf Jahren wollen wir weiter wachsen“, so Antoine Welter. „Zum führenden Unternehmen in unserem Bereich werden.“ Die Mehrheit der Aktien halten die beiden Gründer. Zu den weiteren Anteilseignern zählen „deutsche und Luxemburger Unternehmer“.

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Grober J-P.
12. Mai 2022 - 23.54

"Sie müssen die Energie, die durch Sonne und Wind hergestellt wird, bereithalten, um den Strom bei Bedarf ins Netz einspeisen zu können." In Italien werden diese Anlagen bereits betrieben und vom Staat sogar bezuschusst! Bitte mal italienische Freunde befragen wie das so gemacht wird.

Filet de Boeuf
12. Mai 2022 - 13.15

Ich finde Pumpspeicherkraftwerke und Ringwallspeicherkraftwerke sehr interessant.