Armeechef ThullLuxemburg würde Russland nicht direkt angreifen

Armeechef Thull / Luxemburg würde Russland nicht direkt angreifen
Was passiert, wenn es hart auf hart kommt? Armeechef Steve Thull beschreibt die Hackordnung zwischen Politik und Militär. Foto: SIP/Emmanuel Claude

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Wie funktioniert das Tandem Verteidigungsminister-Streitkräfte in Luxemburg? Armeechef Steve Thull beschreibt im Tageblatt-Interview seine Haltung gegenüber Défense-Chef François Bausch, sein eigenes Militärverständnis und weshalb Luxemburg Russland militärisch nicht direkt mit angreifen würde.

Tageblatt: Sie haben mal gesagt: „Ich bin Militär, aber kein Militärist.“ Was heißt das?

Steve Thull: Ich sehe das genau so. Was heißt Militär sein? Wir sind da, um unsere Missionen zu erfüllen. Und das, so gut es geht. Nicht einfach „Oh la la“. Wir müssen alles unternehmen, um das Ziel zu erreichen. Das nenne ich Militär sein. Hinzu kommen Qualitäten wie Loyalität.

Das heißt?

Man hat einen Chef. Wenn der Chef etwas fordert, sagt man ihm ganz genau seine Meinung dazu. Und wenn die Entscheidungen erst gefällt worden sind, macht man es genau so, wie der Chef es haben will. Auch, wenn das nicht der eigenen Meinung entspricht. Und dann noch immer so gut wie möglich. So sehe ich das Militär. Eins darf man nicht vergessen …

… und zwar?

Das heißt nicht, dass man Kadavergehorsam haben soll. Wenn man einen illegalen Befehlt erhält, darf man den selbstverständlich nicht befolgen. Das hat nichts damit zu tun. Es hat im guten Sinne des Wortes damit zu tun, dass man alles dafür tut, „fir d’Saach un d’Rullen ze bréngen“.

Und wo ist der Unterschied zum Militaristen?

Ein Militarist ist jemand, der, koste es, was es wolle, absolute militärische Vorteile erlangen will. Ein Beispiel: Ich könnte so viel wie möglich Geld fordern, um militärisch möglichst viel umzusetzen – ohne aber die Konsequenzen zu berücksichtigen. Und man ist schlussendlich auch Bürger: Das Ganze hat Grenzen. Es ist gut, dass wir in einer Demokratie leben. Dort sind die Politiker die Chefs. Sie tragen die Endverantwortung. Wir sind dafür da, ihnen technische Ratschläge zu geben. Ab die Fronten sind klar.

Inwiefern?

Ich bin nicht jemand, der von einer Situation profitiert, um danach ein Maximum daraus herauszuschlagen. Es muss immer verdaubar sein. Neben dem „Erausschloen“ muss man auch das, was man erhält, sinnvoll umsetzen. Wenn man zu viel erhält, kann man es gelegentlich nicht mehr umsetzen. Und wenn man zu viel fordert, ist es eventuell nicht mehr sinnvoll.

Wen würden sie im internationalen Vergleich als Militaristen bezeichnen?

Das will ich nicht an einem Land festmachen. Es ist eine Attitüde. Darum ging es.

Hatten Sie schon immer diese Vision vom Militär?

Ja, das war schon immer meine Einstellung. Ich habe andere Einstellungen gesehen. „Voilà“, Militarismus sehe ich dann ein wenig negativer. Es heißt nicht, weil man Militär ist, dass man dann alles, das im Militärischen getan wird, gut findet. Sobald es ins Militaristische reingeht, gefällt es mir nicht. Ich mache das nicht an einem Land fest: Es gibt solche Leute, ob sie nach links oder nach rechts blicken.

Sie sagen, es muss einem militärisch nicht immer alles gefallen. Meinen Sie damit internationale Bündnisse oder nationaldefensive Aspekte?

(überlegt kurz) Nein, mit den Allianzen, dass das wieder … nicht alles, das muss man ja zugeben: Jeder ist fehlbar. Es gibt niemanden, der die Wahrheit komplett für sich gepachtet hat. Jeder macht Fehler: Auch das Militär. Also muss man dazu stehen. Was schlimm ist: Wenn man sieht, dass etwas nicht gut gelaufen ist und man will die anderen dann glauben tun, dass es richtig war. Ich finde, dann verliert man an Glaubwürdigkeit. Das ist mir wichtig. Man muss, wenn man jemandem etwas sagt oder erklärt, auch Argumente haben. Ob diese Argumente dann angenommen werden, ist eine andere Sache. Dann sind wir in einer Situation: „Herr ist Herr und Max ist Max“. In unserem Fall ist der Minister, politisch gesehen, der Chef.

Sie haben das sehr diplomatisch formuliert. Aber wie schwer ist es, einem Politiker zu sagen: „Ech mengen, du verrenns dech“? Wie macht man das?

Das würde man in dem Fall mit ganz viel Taktgefühl tun. Ich sage „in dem Fall“: Ich war noch nicht in der Situation, dass ich meinem politischen Chef hätte sagen müssen, dass er sich „verrannt huet“.

Und wenn Sie es tun müssten? Wir kommen international in sehr eine heikle, fragile Situation …

Das Ganze ist eine Sache der Ehrlichkeit. Kann ja sein, dass jemand wegen einer Situation ausnahmsweise eine andere Meinung hat. Das kann ja sein. Man kann sogar ab und zu spüren, dass dort eine andere Meinung ist. Aber der Ehrlichkeit und des Mutes wegen muss man sagen: „Ich sehe das so und so“ – aber dann braucht man auch gute Argumente. Das nenne ich ehrlich. Das verhindert, dass man in einem Zug sitzt, Richtung Mauer fährt und niemand traut sich, zu sagen: Dort vorne steht eine Mauer. Es ist nicht gut, in dieser Geschwindigkeit in diese Richtung weiterzufahren. „Well dat deet ee Moment gutt wéi.“ Das muss man zum gegebenen Zeitpunkt zum Ausdruck bringen. Das sind Dinge, die man sich vorher überlegen muss, bevor man solch einen Posten übernimmt. Ich war stets rational. Ich denke „cartésien“ (in Anlehnung an den Philosophen René Descartes, sprich rational und methodisch, Anm. d. Red.). Ich habe einige Grundprinzipien. Ich habe mir geschworen, dass ich diese einhalten werde.

Der lettische Verteidigungsminister hat jüngst gesagt: Wenn es so weitergeht, muss man sich überlegen, ob man Russland nicht direkt angreifen muss. Das könnte einen Dritten Weltkrieg provozieren. Wie sehen Sie das?

Es ist relativ einfach. Luxemburg würde zum Einsatz kommen, wenn das Bündnis gefordert wäre. Das Bündnis ist gefordert, wenn ein konkreter Angriff auf einen der NATO-Bündnisstaaten stattfindet. Solange das nicht stattfindet, gibt es keine Ursache, so etwas zu tun. Ich kann unserem Minister in diesem Punkt nur recht geben. Das Ganze geht aber noch länger zurück.

Inwiefern?

Ich war 2015 zum ersten Mal im Baltikum. Das war kurz nach der Krim-Annexion und der Invasion des Donbass. Wenn man zum ersten Mal dort ist, hat man alles übers TV gesehen. Ich war damals in Litauen in meiner Funktion als Verantwortlicher für Kommunikations- und Informationssysteme. Ich habe den damaligen General Mancinelli begleitet. Da hat man sehr gut verstanden, was für eine Angst die Menschen hier haben (im Baltikum, Anm. d. Red.). Das sind Dinge, die man absolut verstehen muss. Und auch dort muss man ehrlich sein und seinen Standpunkt sagen. Eins darf man nicht vergessen: Wenn jemand durchbrennt – wenn also Russland die Grenze überquert – dann steht er direkt mit einem Fuß in diesen NATO-Ländern. Wir haben andere Befindlichkeiten. Wir können sagen: Wir haben noch x Länder dazwischen. Wir spüren das gar nicht so. Diese Länder haben eine historische Vergangenheit: Sie wurden oft „mam Fouss getrëppelt“. Man muss also ganz viel Verständnis für diese Positionen haben. Dann sieht man: Es ist nicht einfach, das Ganze politisch unter einen Hut zu bringen, dass das Ganze nach Kohäsion und nach Solidarität aussieht.

Sie sprechen jetzt vom NATO-Bündnisfall, der durch Artikel 5 ausgelöst würde. Der lettische Verteidigungsminister hat angedeutet, dass eine Option ein direkter Angriff gegen Russland sein könnte, wenn es kein Einlenken gäbe. Das würde ja dann über den Bündnisfall hinausgehen: Waffenlieferungen würden dann einem direkten Angriff und nicht nur der Verteidigung dienen.

Das wäre ja der Angriff … Dann wären wir nicht mehr in einem Fall von … Es ist, wie ich vorhin gesagt habe …

… Der Bündnisfall umfasst ja nur, wenn ein Land, das Teil des Bündnisses ist, dass dort z.B. die Russen einfallen. Hier wäre die Idee, wenn z.B. der Süden des Landes abgeschnitten wäre und sie wollen noch dieses und jenes …

… von welchem Land reden Sie?

Russland.

Nein, nein. Russland als Aggressor … in Beziehung zu welchem Land meinen Sie das? Zur Ukraine?

Aus der Ukraine raus angreifen, ja.

Die Ukraine ist bislang nicht EU- und NATO-Mitglied. Diesen Fall kann man so nicht machen. Das würde bedeuten: Wir würden zum Aggressor werden.

Das war aber laut „The Baltic Times“ jüngst die Position des lettischen Verteidigungsministers Artis Pabriks.

Die Regeln sind klar definiert. Bis jetzt war die Richtlinie der NATO klar: Solange sie selbst als Organisation nicht betroffen ist, sprich, dass einer der Mitgliedstaaten konkret von einem Angriff betroffen wäre, wären wir nicht in einem Fall, in dem die NATO intervenieren müsste. Wenn Sie das sagen, beziehen Sie sich jetzt wahrscheinlich auf die Geschichte und sagen, dass wir schon andere Situationen hatten, in denen das tatsächlich passiert ist … Yes, das stimmt. Aber die Gesamtkonstellation war eine andere. Sie denken wahrscheinlich an …

… Kosovo …

Die Konstellation war eine andere: Man hätte nie davon ausgehen können, dass Russland mit ins Rennen kommen würde. Und das ändert alles. Jetzt bleibt die Frage: War es richtig, war es falsch? Da kann man geteilter Meinung sein. Es gibt wahrscheinlich in den ganz komplizierten Fragen der Menschheit nie die Antwort, das war alles richtig oder ganz falsch. Es gibt immer Argumente in die eine oder in die andere Richtung. Es gibt dort Leute, die sagen: Wenn man nicht interveniert und man lässt Dinge zu, wo man sich nachher gefallen lassen muss, „hättest du dort interveniert, damit das nicht passiert“. Das ist auch eine Bürde, die man mit sich herumtragen muss. Das muss man immer in Beziehung dazu sehen,was passieren kann. Wenn wir hier in einem Fall sind, in der es zu einer Eskalation kommen kann, in der es „richteg schro“ werden kann, dann haben wir vielleicht noch viel mehr Tote. Und dann muss man auch diese Verantwortung, mit der Entscheidung, die man getroffen hat, auf seine Schulter nehmen. Deswegen ist es ganz schwer in diesen Zeiten: Jeder ist maximal gefordert.

Lassen Sie mich kurz das Gegenargument nennen: Was ist schlimmer als das, was wir in Mariupol oder in Bucha sehen?

Das Gespräch wird kurz unterbrochen. Vizepremier- und Verteidigungsminister Francois Bausch spaziert in die Lobby. „Sou, lo hu mer mol de Mantel un. ´t ass awer méi frësch hei.“ Bausch erkundigt sich kurz über ein geplantes Hintergrundgespräch mit dem Tageblatt.

Kurz Suspense. Armeechef Steve Thull redet weiter.

Steve Thull: Sie haben Beispiele wie Bucha gegeben: Sie sind total grausam. Aber momentan kann das nicht die Ursache sein, um als NATO-Mitgliedstaat jetzt konkret mit unseren Truppen einzugreifen.

Bauschs Premier Conseiller Nina Garcia und Luxemburgs Nato-Conseiller Nadine Thomas „gesellen“ sich zum Interview hinzu. Auf die Tageblatt-Nachfrage, ob wir jetzt Publikum beim Interview hätten, folgt „hilarité générale“. Garcia verlässt langsam die Sitzecke. Thomas bleibt diskret in weiterer Distanz sitzen. Thull meldet sich wieder zu Wort: „Also ech sinn transparent.“

Sie haben eben gemeint, solche Grausamkeiten wären kein Grund, um zu intervenieren.

Ich weiß nicht, worauf sie hinaus wollen. Sie könnten mich ja aufs Glatteis führen.

Es ist eine offene Frage.

Es ist schrecklich. Niemand kann das wegreden. Aber um dann etwas zu tun, das schlussendlich noch schlimmere Dinge zur Konsequenz hätte, diese Fragen muss man sich realistisch stellen. All das habe ich auch jetzt als Steve Thull gesagt. Danach liegt die Entscheidung sowieso, um einzugreifen, bei der Politik. Dort sieht man, dass es eine schöne Trennung der Verantwortungen gibt. Wir Militär sind dann jene, die infolge politischer Entscheidungen reagieren müssen.

Deswegen war meine Frage: Es ist schlimm genug, aber was könnte noch schlimmer sein?

Wenn tatsächlich einer der NATO-Mitgliedstaaten angegriffen würde. Dann sind wir konkret im Bündnisfall. Dann sind alle Bedingungen erfüllt, um in diesem Fall einen Waffengang gegen Russland zu machen.

Sie deuten indirekt an, dass es auch eine politische Lösung braucht, um alles nicht noch schlimmer zu machen. Ein Beispiel. Am 28.4.2022 wurde eine Motion in der Chamber verworfen, die ein Embargo gegen Gas aus Russland ausgesprochen hätte. Die Mehrheitsparteien von DP, LSAP und „déi gréng“ haben sie verworfen. Wie kohärent ist die Luxemburger Position? Wir helfen militärisch, sind aber beim Stoppen der finanziellen Unterstützung Russlands eher halbherzig. Wie sehen Sie das?

Das ist eine politische Frage: Da mache ich Gebrauch von meinem Vetorecht. Ich maße mir nicht an, in die Politik hinein zu diskutieren. Dann bin ich nicht mehr in meiner Rolle. Darum mache ich das nicht.

Und als Privatperson? In Ihrem eigenen Namen?

Das ist sehr schwer. Um Entscheidungen zu fällen, muss man möglichst viele ökonomische Elemente haben, um zu schauen: Was sind die Implikationen, wenn ich das eine oder das andere tue. Ich bin nicht in solch einer Position, um diese alle zu haben. Also habe ich nicht alle Elemente. Und so trifft man immer seine Entscheidungen. Ich versuche bei egal welcher Entscheidung ein Maximum an Informationen zu haben, um die Chancen zu maximieren, damit die Entscheidung, die getroffen wird, die richtige ist. Das ist eine Suche nach allen möglichen Faktoren, die in diesem Rahmen eine Rolle spielen können. Hier muss ich sagen: Alles, was ökonomisch ist, bin ich „schwaach op der Broscht“. Also ich habe nicht alle Elemente, also will ich mir das aus zwei Ursachen nicht anmaßen: Erstens, weil es politisch ist, und zweitens, wenn ich nicht alle Elemente habe, wird es sogar als Bürger schwer, mir irgendwie eine gesunde Meinung zu bilden. Dann muss man sich viel mehr einarbeiten.

Wie verläuft der Austausch Militär, Politik, Wirtschaft und eventuell noch Aufklärungsarbeit durch den Nachrichtendienst SRE? Wie werden Sie als Chef der Luxemburger Armee informiert? Welche Quellen haben Sie, damit Sie notfalls widersprechen können?

Ich habe im Verteidigungsbereich etwas zu sagen. Dort gibt es zahlreiche Quellen. Es gibt Informationen auf NATO- und EU-Ebene. Sie nehmen an Versammlungen teil, wo Sie mit Ihren Homologen aus anderen Staaten reden. Da fühlt man aus nächster Nähe, wie Sie denken. Man liest Elemente in der Presse. Man nutzt diese Informationen, um zu verstehen und zu überlegen, was wird mir erzählt? Was sagen die Organisationen zu mir? Was wird mir im professionellen Austausch mit Dritten gesagt? Das führt zur Meinungsbildung. Das werfen Sie in die Waagschale, wenn es darum geht, Entscheidungen mitzugestalten. Auf der politischen Ebene wird entschieden. Sie werden gefragt und geben dann Ihre Meinung dazu. Das ist extern …

… und intern?

Wir haben intern in der Armee sehr viele einzelne Zellen, die sehr viele Informationen haben. Sie dürfen sich den Armeechef nicht als „lonely fighter“ an der Spitze vorstellen. Er hat eine ganze Crew und ein ganzes Team, ohne das er ganz schlecht aussehen würde.

Können Sie uns diese Zellen und den Informationsprozess beschreiben?

Der Entscheidungsprozess läuft wie folgt ab: Es gibt verschiedene Domäne, die integral Teil der „Défense“ sind. Das nennen wir „départements“. Es gibt ein Departement Personal, Operationen, Logistik, Planifikation, Budget/Finanzen, internationale Beziehungen … Sie sehen also, es ist fast alles abgedeckt. Diese Zusammensetzungen observieren das Geschehen in der „Défense“ aus ihrem spezifischen Blickwinkel. Dann bringen sie diese alle zusammen: Darüber gibt es dann einen „chef de division“, der heißt „synthèse“, also von allem, was da gesagt wird. In den verschiedenen „départements“ gibt es zwei „chef de divisions“ darüber. Die machen die Synthese von allem, was es dort an Informationen gibt. Dann kommen wir auf das Niveau „Command group“. Dort sitze ich mit meinem „adjoint“ plus die zwei Divisionschefs drin. Dort werden die großen Entscheidungen für die Armee getroffen. Oder wo wir auf ministerieller Ebene Vorschläge machen. Dann kommen wir auf die Stufe darüber. Dort kommt das Ministerium mit ins Rennen. Dann sind wir auf der Ebene „comité commun de la défense“. Dort sitzen dann unser Minister und seine engsten Mitarbeiter drin, d.h. Nina Garcia (Premier Conseiller, Anm. d. Red.), der „directeur de la défense“ (Tom Köller, Anm. d. Red.), die zwei „sous-directeurs“, plus auf dem Niveau der Armee Colonel Ballinger und ich plus den höchstgradierten Unteroffizier. Dort tauschen wir uns definitiv aus.

Das ist der breite Blick: Aber der ökonomische Blick kommt dann nicht zum Tragen. Ist das auch in dieser Zelle enthalten?

(denkt kurz nach) Wie das Land insgesamt ökonomisch aufgestellt ist, über solche Daten verfügen wir nicht. Wir haben sie indirekt, indem wir lesen, was Statec veröffentlicht. Das spielt auch in dem Ganzen eine Rolle. Es ist aber nicht so, dass wir ein spezifisches Bewusstsein in dieser Domäne für das ganze Land hätten.

Direkt gefragt: Sie dürfen also nicht „op d’Tromm schloen“, wenn Sie sagen: „Maach lues, dat kéint eis ekonomesch schueden“?

Nein, nein. Das wäre auch eine Fehlinterpretation. Wenn ich das so sage, heißt das … dass ich mit all den Faktoren, die ich habe, einen Vorschlag unterbreiten kann. Unser Minister hat ja alle diese Informationen: Dort kommt es auch noch einmal zu einer Abwägung in dem Moment. Stellen Sie sich vor, wir müssten das auch noch alles machen. Wir bringen es mit unseren kleinen Stückzahlen knapp fertig, jene Sachen, die uns direkt betreffen, plus minus anständig über die Bühne zu bringen. Alles andere wäre „out of scope“. Wenn man viel macht, macht man nichts mehr richtig gut.

Sie wollen also dieses ökonomische Know-how nicht?

Dann können Sie auch jemandem, der in der Ökonomie tätig ist, sagen: „Und wie läuft es eigentlich in diesem Bereich?“ Das muss man dann noch einmal auf dem interministeriellen Niveau sehen. Als Bürger in Uniform sind wir natürlich immer interessiert, zu wissen, was passiert.

Sie haben einen eher ausgewogenen Blick auf das Militär. Wie sehen Sie Friedensbewegungen wie den Ostermarsch oder ähnliche pazifistische Bewegungen?

Ich bin im tiefsten Herzen für den Frieden: Das unterscheidet einen guten Militär von einem Militaristen. Der gute Militär hat als oberstes Objektiv, dass seine Truppen so operationell sind, dass sich sonst niemand traut, sie anzugreifen. Dann haben wir Frieden. Ich bin auch für alles, das Richtung Frieden geht. Wir sehen ja jetzt, dass die Überlegungen, um nichts zu tun, und nicht zu reagieren, nachdem, was 2007 in Island im Cyberraum angefangen hat, 2008 in Georgien, 2014 im Donbass und der Krim … wenn wir jetzt sehen, dass eine Aggression gekommen ist, die nicht aus dem Westen Richtung Russland geschehen ist, ab dem Moment … (hält kurz inne) Sie haben mich vorhin gefragt: „Was halten Sie von Bucha?“ Dann sind Sie am Punkt angelangt, dass diese Menschen alles tun müssen können, um sich zu wehren – aber ohne selbst den Waffengang zu machen. Da liegt die Nuance.

* Das Interview wurde am 2. Mai in Lettland geführt.

Zur Person

Der „Chef d’Etat-Major de l’Armée“ Steve Thull wurde 1967 in Esch geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder. Der Armeechef hat am 29. September 2020 die Nachfolge von General Alain Duschène angetreten. Er ist erstaunlich offen im Umgang mit der Presse und versteckt sich nicht bequem hinter der politischen Hierarchie. Thull absolvierte von 1987 bis 1991 eine Ausbildung zum Offiziersanwärter an der „Ecole Royale Militaire“ in Brüssel und wurde am 1. Oktober 1991 zum Leutnant ernannt. Von 2006 bis 2007 besuchte er einen Kurs für höhere militärische Ausbildung in Paris. Bevor er Kompaniekommandant wurde, war er Mörser-, Panzerabwehr- und Spähtruppführer. Danach diente er in verschiedenen Stabspositionen, darunter als Personal- und Öffentlichkeitsreferent des Heeres, als stellvertretender Kommandant des Militärzentrums, als stellvertretender Studien- und Planungsoffizier des Heeres und schließlich als Offizier für Informations- und Kommunikationssysteme des Heeres. Zu seinen aktuellen Aufgaben gehören die operative Planung und Umsetzung der Informations- und Kommunikationssysteme, auf die die Streitkräfte bei Übungen und Einsätzen angewiesen sind, die Cyber-Verteidigung und die Sicherheit der Informations- und Kommunikationssysteme. Thull nahm teil an der IFOR-Mission der NATO in Bosnien und Herzegowina und an der EUFOR-Mission im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik.

Transparenz: Bauschs Reise ins Baltikum

François Bausch war vom 2. bis zum 5. Mai in Lettland und Litauen: Das Tageblatt hat den Vize- und Verteidigungsminister während der Reise begleitet. Während seiner Arbeitsvisite traf er unter anderem seine lettischen und litauischen Amtskollegen und besuchte ein „NATO Strategic Communications Centre of Excellence“. Mit dabei war u.a. Armeechef Steve Thull. Entstanden ist daraus eine Artikel-Serie, die hinter die Kulissen der Dieschbourg-Krise blickt, Luxemburgs Rolle in bewaffneten Konflikten beleuchtet, den Umgang mit russischen Oligarchen kritisch vertieft und alternative Ideen vorstellt, wie Putins Kriegskasse am effizientesten ausgetrocknet werden kann.

thovi
12. Mai 2022 - 18.21

Dei waerten sech dach net och nach vir eecht huelen dat geheiert ofgeschaft a soss neischt da gackern ja die huehner. Waerten da wuel geschwenn bei stalingrad stoen

forumpost
12. Mai 2022 - 14.49

Wäre vielleicht eine Lösung des Problems: Luxemburg erklärt Russland den Krieg und Putin lacht sich tot. Damit wäre der Krieg dann vorbei ;-)

Mike
12. Mai 2022 - 10.40

Wischiwaschi .... O mein Gott! Da kann Russland und Luxemburg ja ruhig schlafen. Kriegsminister und General auf derselben Wellenlänge (Niveau). Es heisst ja gleich und gleich gesellt sich gern. :-( :-(

HTK
12. Mai 2022 - 9.01

"Morgen greifen wir Russland an." - "Und was machen wir übermorgen?"

charlesplier1960
12. Mai 2022 - 7.27

Da kann de Vladimir jo berouegd sin. Ouff!!!

w.d.
12. Mai 2022 - 6.38

:-) :-) :-) das ist schon beruhigend, dass Luxemburg Russland nicht überrennt! Und erst in Kamtschatka zum stehen kommt...! :-) :-) :-)