ItalienSilvio Berlusconi will nun doch nicht mehr Präsident werden

Italien / Silvio Berlusconi will nun doch nicht mehr Präsident werden
Der Quirinal, der Sitz des italienischen Präsidenten, sei kein Bunga Bunga, meinten diese Demonstranten bereits zu Anfang dieses Monats Foto: AFP/Tiziana Fabi

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Der Gründer und Chef von Forza Italia, Silvio Berlusconi, zieht seine Kandidatur auf den Präsidentensessel zurück. Die Mitte-rechts-Koalition wird einen neuen Kandidaten benennen, hieß es am Samstag aus Mailand von einem Treffen zwischen Matteo Salvini (Lega), Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) sowie den Berlusconi-Vertrauten, Senatorin Licia Ronzulli und Antonio Tajani. Auch Mitte-links versammelte sich am Sonntag, um einen Kandidaten zu küren.

Die Ankündigung kam überraschend: Am Samstagnachmittag ließ der Medienmogul und mehrfache italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklären, er ziehe seine Kandidatur auf das höchste Staatsamt zurück. Zwar sei er überzeugt, dass er die erforderliche Stimmenzahl auf sich vereinigen könnte, doch aus „nationaler Verantwortung“ werde er sich am Montag nicht der Wahl stellen. Berlusconi trat selbst nicht vor die Medien, sondern ließ seine Entscheidung von der Forza-Italia-Senatorin Licia Ronzulli sowie dem Parteikoordinator und früheren EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani verkünden.

Außer der „nationalen Verantwortung“ gab der Ex-Cavaliere keine weitere Begründung für den unerwarteten Rückzug ab. Es ließe sich vermuten, dass ein neuerlich aufgedeckter Finanzskandal seine Entscheidung beeinflusst haben könnte. Sowohl die Lega als auch die postfaschistischen Fratelli d’Italia waren von der plötzlichen Entscheidung Berlusconis überrascht – gerade hatte man sich eher mühsam auf den Kandidaten einigen können. Nun wird – 24 Stunden vor dem ersten Urnengang – dringend eine neue Option gesucht.

Personalkarussell rotiert

Nach dem Ausscheiden Berlusconis kursieren nun etliche Namen, die sich um den Sitz im Quirinalspalast bewerben könnten. Seitens der Rechten werden die derzeitige Senatspräsidentin Elisabetta Casellati, Berlusconis früherer Außenminister Franco Frattini, der ehemalige Forza-Italia-Senatspräsident Marcello Pera oder die ehemalige Bildungsministerin Letizia Moratti auf die Liste gesetzt.

Italiens Mitte, zu der sich inzwischen der frühere Sozialdemokrat und Chef der Kleinstpartei Italia Viva, Matteo Renzi, zählen lässt, könnte sich den Chef der Zentrumspartei und ehemaligen Parlamentspräsidenten Pierferdinando Casini vorstellen. Casini, so ließ Lega-Chef Salvini durchblicken, könnte auch für ihn eine Option sein.

Die in der gegenwärtigen Regierungskoalition vertretenen Mitte-links-Parteien – Demokratische Partei, Bewegung 5 Sterne und Liberi e Uguali (Freie und Gleiche) – hatten sich zu einem Treffen am Sonntagnachmittag verabredet, um Kandidaten für die bevorstehende Wahl zu nominieren. Pd-Chef Enrico Letta erklärte im Vorfeld kategorisch, dass Namen erst nach dem Treffen mit Mario Conte (M5S) und Roberto Speranza (LeU) genannt werden sollten. Allerdings war es kein Geheimnis, dass Letta eine Kandidatur des amtierenden Regierungschefs Mario Draghi bevorzugen würde. Alternativ werden auch die Namen der Sicherheitskoordinatorin Eliasbetta Belloni oder des Premiers aus den neunziger Jahren, Giuliano Amato, gehandelt.

Bleibt Draghi im Amt?

Seitens der Rechten jedoch wird auf ein Verbleib des früheren EZB-Chefs im Amt des Premiers bestanden. Sowohl Salvini als auch FI-Koordinator Tajani erklärten, dass Mario Draghi zur Lösung der dringenden Pandemie- und Wirtschaftsprobleme auf dem Posten des Regierungschefs benötigt würde. Draghi selbst hatte sich bis kurz vor der Wahl nicht zu einer möglichen Kandidatur geäußert. Beobachter in Rom wollen jedoch aus seiner Äußerung, „die Regierung sei stabil, egal wer sie weiter führe“, mögliche Ambitionen auf das höchste Staatsamt heraushören.

Bis zu seinem Rückzug von der Kandidatur schwankten die Aussagen, ob Berlusconi überhaupt die erforderlichen Stimmen für eine Präsidentenwahl auf sich vereinigen könnte. Für die ersten drei Urnengänge ist eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Erst im möglichen vierten Durchgang genügt eine absolute Mehrheit.

Angesichts vieler Covid-Erkrankter oder positiv Getesteter ist derzeit jedoch noch nicht abzusehen, wie viele der für die gemeinsame Sitzung der Parlamentarier und Regionalabgeordneten wirklich an der Abstimmung teilnehmen können. Wegen der strengen Corona-Auflagen wird damit gerechnet, dass pro Tag nur ein Wahlgang der namentlichen Stimmabgabe durchgeführt werden kann. Möglicherweise wird die Öffentlichkeit erst am Donnerstag erfahren, wer neues Staatsoberhaupt von Italien wird.

Ferrari
24. Januar 2022 - 15.27

Die Trauben waren dann wohl doch zu sauer !