ÖsterreichPekuniäre Belohnungen behübschen die mit hohen Strafen bewehrte Impfpflicht

Österreich / Pekuniäre Belohnungen behübschen die mit hohen Strafen bewehrte Impfpflicht
Im österreichischen Nationalrat wurde gestern die allgemeine Impfpflicht beschlossen Foto: Roland Schlager/APA/AFP

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Impfverweigerern drohen in Österreich ab Mitte März hohe Geldstrafen. Reicher Lohn winkt dagegen allen, die sich der gestern beschlossenen Covid-Impfpflicht beugen oder schon geimpft sind.

Als erstes EU-Land hat Österreich eine generelle Pflicht zur Schutzimpfung gegen Coronaviren eingeführt. Das entsprechende Gesetz wurde am Donnerstag im Nationalrat mit überwältigender Mehrheit angenommen. Neben den Regierungsparteien ÖVP und Grünen stimmten auch die oppositionellen Sozialdemokraten und Neos fast geschlossen für die ab Februar geltende Impfpflicht. Lediglich die FPÖ lehnte das Gesetz ab.

Die breite Zustimmung hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) durch Offenheit für oppositionelle Forderungen erreicht. So konnte die SPÖ in der Begutachtungsphase eine wesentliche Entschärfung erreichen. Zur Impfung verpflichtet sind ab Februar nicht wie ursprünglich von Türkis-Grün geplant alle in Österreich gemeldeten Bürger ab dem 14., sondern erst ab dem 18. Lebensjahr. Das Gesetz wird nur befristet bis Ende Jänner 2024 gelten. Außerdem muss niemand, der die Geldstrafen nicht bezahlen kann, eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten.

Teuer wird es für unbeirrbare Impfmuffel allerdings schon: Nach der sechswöchigen Eingangsphase, in der alle Haushalte eine schriftliche Information zur Impfpflicht erhalten, werden Geldbußen von 600 bis 3.600 Euro fällig, sollte jemand ungeimpft ertappt werden und keine ärztlich zertifizierte Ausnahme präsentieren können.

Jeder zehnte Stich gewinnt

Noch vor Beginn der Parlamentsdebatte präsentierten Nehammer und SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner gemeinsam ein vor allem von den Genossen gefordertes Belohnungspaket. Zusätzlich zu den bereits in einigen Bundesländern und beim Staatsrundfunk laufenden Impflotterien wird ein weiteres Gewinnspiel gestartet, das sich durch eine ungewöhnlich hohe Gewinnchance auszeichnet. Bei dieser Impflotterie soll jede zehnte Impfung einen 500-Euro-Einkaufsgutschein bringen. Da für den vollständigen Schutz und die Erfüllung der Impfpflicht drei Stiche erforderlich sind, bedeutet dies pro Kopf eine 30-prozentige Gewinnchance. Verlost werden die bei österreichischen Unternehmen einlösbaren Gutscheine auch unter all jenen, die sich bereits impfen haben lassen.

Einen weiteren Schub für die Impfquote erhofft sich die Regierung von einem Bonussystem für Kommunen. Eine durchschnittliche Gemeinde mit 3.000 Einwohnern und einer Impfquote von 80 Prozent soll 30.000 Euro zur freien Verfügung bekommen. Eine fünf Prozent höhere Impfquote bringt 60.000 Euro, bei 90 Prozent verdoppelt sich dieser Betrag noch einmal. Insgesamt lässt sich der Finanzminister diese Maßnahmen zur Steigerung der Impffreudigkeit 1,4 Milliarden Euro kosten.

Fast 400 der 2.100 Gemeinden Österreichs sind mit 80-prozentiger Impfquote bereits in der Gewinnzone. In vielen Kommunen – vor allem in FPÖ-affinen Regionen – sind aber noch nicht einmal zwei Drittel der Einwohner geimpft.

Und die FPÖ wird auch nichts zur Erhöhung der Impfquote beitragen. Parteichef Herbert Kickl ließ gestern im Nationalrat keinen Zweifel daran, dass er sich der satten Mehrheit nicht beugen, sondern das soeben beschlossene Gesetz über den Verfassungsgerichtshof und Wahlen kippen wolle. Der seit Wochen als Hardcore-Impfgegner auftretende FPÖ-Chef sieht Österreich auf dem Weg in den „Totalitarismus“ und „Gesundheitskommunismus“, während die Abgeordneten der Regierungsparteien sowie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) die Impfpflicht als Weg in die Freiheit von Lockdowns und Zugangsbeschränkungen priesen. Die eine grüne Abgeordnete, Ewa Ernst-Dziedzic, die das auch nicht ganz so sieht, blieb der Abstimmung am späten Abend fern. Einige wenige SPÖ- bzw. Neos-Abgeordnete wollten ebenfalls nicht mit der Regierung stimmen.

Was ist nach Omikron?

Ein zentrales Motiv für die Entscheidung pro Impfpflicht im vergangenen November verliert allerdings vorerst an Bedeutung: Obwohl die Zahl der Neuinfektionen auf Rekordhöhe und die Sieben-Tage-Inzidenz mit gestern 1.534 mehr als doppelt so hoch wie etwa die offizielle Inzidenz in Deutschland ist, sank die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Covid-Patienten zuletzt sogar leicht. Die Gefahr eines Zusammenbruchs der Gesundheitssysteme, mit welcher die Impfpflicht begründet wird, sehen die Modellrechner in ihren Prognosen vorerst nicht. Die relativ milden Verläufe der Infektion mit der Omikron-Mutante sind jedoch nur in den Augen der FPÖ ein plausibles Argument gegen die Impfpflicht. Tatsächlich war von Anfang an klar, dass diese keine Waffe für die fünfte Welle, sondern die Prophylaxe gegen künftig drohende Mutanten sein werde.

Was nach Omikron kommt, kann niemand prognostizieren. Eine überwältigende Mehrheit der Österreicher ist aber überzeugt, nun besser als andere für die nächste Corona-Überraschung gewappnet zu sein. Nicht zuletzt wird der Überzeugung auch mit Zuckerbrot und Peitsche auf die Sprünge geholfen.

Kröllebölle
24. Januar 2022 - 9.07

Sollte man auch mit Raucher machen, und die, die Fett essen.

raymond
22. Januar 2022 - 19.53

Bei den Griechen bekommen Ungeimpfte einfach jeden Monat 100€ mehr von der Steuer eingezogen, viel praktischer.

Österreicher
22. Januar 2022 - 18.10

Die Geschmacklosigkeit kennt keine Grenzen.