ParlamentBreite Zustimmung für die Impfpflicht: Der Konsultationsdebatte soll ein Gesetz folgen

Parlament / Breite Zustimmung für die Impfpflicht: Der Konsultationsdebatte soll ein Gesetz folgen
Die Impfpflicht soll dazu führen, die Einschränkungen auf ein Minimum zu reduzieren, so Premierminister Xavier Bettel Foto: Editpress/Julien Garroy

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Das Parlament hat gestern anlässlich einer Konsultationsdebatte die Einführung einer Impfpflicht debattiert. Die Diskussion war von Premierminister Xavier Bettel beantragt worden. Den Parteien war zuvor ein umfangreicher Fragenkatalog überreicht worden. Bettel überraschte das Parlament mit der Aussage, die Regierung werde sich die Meinung des Expertenrats zur Impfpflicht unter anderem für über 50-Jährige aneignen. Unterstützt wurde er von Justizministerin Sam Tanson und Gesundheitsministerin Paulette Lenert. Bettel verteidigte die Impfpflicht als Präventivmaßnahme gegen kommende Infektionswellen. Ein entsprechendes Gesetzesprojekt werde ausgearbeitet.

Eine breite Mehrheit hat sich gestern im Parlament für eine Impfpflicht ausgesprochen, so wie die von der Regierung eingesetzte Expertengruppe dies vorgeschlagen hat. Auch die CSV unterstütze die Impfpflicht für über 50-Jährige, wenn dies lediglich die erste Etappe zu einer allgemeinen Impfpflicht wäre, so Parteipräsident Claude Wiseler. Die DP sprach sich für eine sektorielle und altersbedingte Impfpflicht aus. Falls erforderlich müsse aber auch die Altersgrenze herabgesetzt werden.

Weitaus nuancierter äußerte sich hingegen LSAP-Fraktionschef Yves Cruchten (LSAP), der zur Vorsicht mahnte. Seine Partei sei bereit, den Weg einer Impfpflicht zu gehen, falls die Situation dies erfordere, mit Betonung auf der Verhältnismäßigkeit von derlei Maßnahme. Die Arbeiten am Gesetz sollten sofort beginnen. Vor einer Abstimmung zu einem Gesetz sollten jedoch noch etliche, derzeit fehlende Daten vorgelegt werden. Man solle nichts überstürzen.

Auch „déi gréng“ riefen die Regierung dazu auf, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Die Politik sollte sich auch nach Einführung der Impfpflicht von Experten begleiten lassen. Sie würden dabei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme analysieren, so Fraktionschefin Josée Lorsché. Die Grünen hatten sich in der Vergangenheit für eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene ausgesprochen, da man die Gesellschaft nicht in Kategorien einteilen, sondern den Schutz verallgemeinern wolle, so Lorsché. Die von der Expertengruppe vorgeschlagene begrenzte Impfpflicht lehne man jedoch nicht ab.

ADR-Sprecher Fernand Kartheiser lehnte eine Impfpflicht kategorisch ab, setzte auf freiwillige Impfung. Die vorgeschlagenen Strafen für Impfverweigerer interpretierte er als verdeckten Impfzwang für sozial Schwache, die die Geldbußen nicht zahlen könnten. „déi Lénk“ lehnt derzeit eine Impfpflicht ab, widersetzt sich einer solchen jedoch nicht, wenn sie absolut notwendig würde. Das sei jedoch vorerst nicht der Fall, sagte Nathalie Oberweis. Die Parlamentsdebatte sei überflüssig, da die Regierung ihre Entscheidung bereits getroffen habe.

Ja zur Impfung, Nein zur Impfpflicht, so resümierte Sven Clement (Piratenpartei) die Haltung seiner Partei nach einer internen Diskussion. Mit einer Entscheidung über die Impfpflicht würde erstmals eine Entscheidung über einen Eingriff in den Körper eines Menschen getroffen, so Clements Parteikollege Marc Goergen.

Regierung

Zu Beginn der Sitzung hatte sich Premierminister Bettel für die Übernahme der Expertenmeinung ausgesprochen: eine Impfpflicht für die über 50-Jährigen und für Mitarbeiter der Gesundheits- und Pflegebereiche sowie alle Berufsgruppen, die mit vulnerablen Personen in Kontakt stehen. Die Regierung werde die Empfehlungen übernehmen. Man könne nicht sagen, man treffe Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage, und handele dann anders, so Bettels Begründung.

Dass die Situation in den Krankenhäusern trotz neuer Rekordinfektionszahlen wegen Omikron besser als vor einem Jahr sei, führte Bettel vor allem auf die Impfungen zurück. Diese reduzierten deutlich das Risiko schwererer Krankheitsverläufe. Auf den Intensivstationen seien vor allem ungeimpfte Personen anzutreffen. Jüngere Menschen, die am Virus verstarben, waren nicht geimpft. Die Gesellschaft sei müde, man könne die Menschen nicht ewig in ihren Freiheiten einschränken. Die Regierung hoffe, nach Inkrafttreten der Impfpflicht die Restriktionen auf ein Minimum reduzieren zu können. 

Man sei lange der Ansicht gewesen, man käme an derlei Diskussion vorbei und dass moralische Appelle reichen würden, so Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“). Niemand könne uns garantieren, dass sich genügend Leute durch die Impfpflicht zur Impfung entscheiden und dass sie nicht zu einer größeren Spaltung der Gesellschaft führen werde. Man müsse aber alles versuchen, um die Pandemie zu beenden. Die Impfpflicht müsse klar definierte Ziele verfolgen und verhältnismäßig sein. Das allgemeine Ziel sei es, die öffentliche Gesundheit und die Freiheiten des Einzelnen zu schützen. Ziel soll es weiterhin sein, eine Überlastung des Gesundheitssektors zu verhindern. Der Gesellschaft müssten ihre Freiheiten zurückgegeben werden. Es gebe ein Recht auf Kultur, auf Wohlbefinden und Gesundheit.

Der gesetzliche Weg gekoppelt an Sanktionen sei der letzte Lösungsweg, befand Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP). Aber anormale Zeiten forderten anormale Wege. Nach zwei Jahren Pandemie lägen etliche Erkenntnisse vor, man tappe aber weiterhin im Dunkeln. Es gebe keine fundierte Alternative zur Impfpflicht. Unklar sei auch, wie hoch die Herdenimmunität sein müsse. Im letzten Jahr sprach man von 70 Prozent, heute bestehe kein Konsens darüber, ob 80 oder 90 Prozent reichten. Klar sei hingegen, dass die Impfung wirke.

CSV

Claude Wiseler zufolge stehe die CSV nach wie vor zu ihrer bereits im Dezember erhobenen Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht für Erwachsene. Es gehe dabei nicht um den individuellen Schutz, es gehe vielmehr darum, eine Fortsetzung der Pandemie zu verhindern. Wiseler hoffte auf eine baldige Einführung der Impfpflicht. Das entsprechende Gesetz müsste bereits im März verabschiedet werden, damit die Gesellschaft auf die nächste Welle im Herbst vorbereitet sei. Auch die Grenzgänger müssten zur Impfung verpflichtet werden. Die CSV stimme auch Geldstrafen für Impfunwillige zu. Die müssten systematisch ausgesprochen werden und nicht nur zufällig bei Kontrollen. 200 und 500 Euro, so Wiseler, wobei sie nicht einmalig sein müssten. Wiseler zufolge könne man dem Vorgehen der Regierung zustimmen, wenn die sektorielle und altersgebundene Impfpflicht eine erste Etappe sei – der dann aber weitere folgen müssten.

DP

Einem Liberalen wäre eine derartige Maßnahme wie eine Impfpflicht normalerweise nicht in den Sinn gekommen, so DP-Fraktionschef Gilles Baum. Man könne jedoch die hohen Infektionszahlen nicht ignorieren, auch wenn der Druck auf die Spitäler derzeit nicht so groß sei. Man könne sich jedoch nicht von Welle zu Welle schleppen. Wichtig sei es, bei der Beschlussfassung nicht zu zögern, insbesondere im Hinblick auf den nächsten Herbst und den nächsten Winter. Die DP-Fraktion teile die Argumente der von der Regierung eingesetzten Expertengrupe. Lieber eine gezielte Impfpflicht als erneute Lockdowns, so Baum.

LSAP

Die LSAP sei mit einer Impfpflicht einverstanden, falls die Situation es erfordere, sagte der sozialistische Fraktionschef Yves Cruchten. Die Arbeiten am Gesetzestext sollten sofort beginnen. Seit Herbst stagniere die Impfquote. Alle Kommunikationsanstrengungen reichten bisher nicht, um eine 90-prozentige Impfquote zu erreichen. Reden allein reiche nicht mehr. Doch Cruchten warf die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von derlei Maßnahme auf. Um diese einschätzen zu können, bedürfe es umfassenderer Informationen. So vermisste er belastbare Zahlen zum Nutzen eines „cordon sanitaire“ in Alteneinrichtungen. Auch sei derzeit nicht bekannt, wie hoch die Impfquote im Pflegesektor sei und welchen Einfluss das 3G-Regime am Arbeitsplatz habe. Nicht klar sei auch, welchen Einfluss die angekündigten neuen Impfstoffe und Medikamente auf das Pandemiegeschehen haben werden. Vor der Abstimmung über das Gesetz sollten diese Informationen vorliegen.

„déi gréng“

In der Risiko-Nutzen-Analyse überwiege der Vorteil der Impfung, konstatierte Josée Lorsché, Fraktionspräsidentin von „déi gréng“. Die Impfungen heute seien kein Experiment an der Menschheit, sie hätten schon eine wissenschaftliche Grundlage, entgegnete sie einem bei Impfgegnern beliebten Argument. Als Grüne wolle man nicht zulassen, dass sich der Gesundheitssektor von einer Welle zur nächsten bewege, die Pflegestrukturen erneut geschlossen, die Behandlung von Nicht-Covid-Patienten zurückgestellt werden müssten. Damit es nicht dazu kommt, gebe es lediglich zwei Szenarien: die Freiheiten einschränken und im stillen Lockdown enden, was nicht mehr zumutbar sei, oder Mut beweisen und die Impfpflicht einführen.

ADR

Opposition gegen eine Impfpflicht kam gestern erstmals von Fernand Kartheiser (ADR). Erstaunt gab er sich, dass die Regierung bereits vor der Debatte eine Entscheidung getroffen habe. Kartheiser kam stellenweise vom Thema ab, ereiferte sich unter anderem über das Verhalten der Polizei gegenüber Anti-Covid-Demonstranten am vergangenen Samstag. Corona sei eine potenziell tödliche Krankheit, so Kartheiser. Man setze jedoch weiterhin auf freiwillige Impfung. Die Ärzte schauten berechtigt auf die Gesundheit ihres Patienten, aber die Politik müsse auf den Zusammenhalt der Gesellschaft blicken. Kartheiser warf der Regierung vor, ein Klima der Angst zu schaffen. Er bezweifelte den Wirkungsgrad von Impfungen in sensiblen Bereichen. Da bald neue, wirksamere Impfstoffe auf den Markt kämen, sei es sinnlos, eine Impfpflicht mit alten Vakzinen zu beschließen.

„déi Lénk“

Auch „déi Lénk“ ist vorerst gegen eine Impfpflicht, sagte Nathalie Oberweis. Man widersetze sich ihr jedoch nicht, wenn es absolut notwendig würde. Die derzeit angeführten Argumente für eine Impffplicht seien bloß solche für eine Impfung. Wenn man die Vorteile einer Impfpflicht nicht kenne, könne man sich nicht dafür aussprechen. Der Regierung warf sie eine missratene Informationskampagne vor. Man sei nicht auf Ängste und Sorgen der Menschen eingegangen. Dabei wisse man nunmehr, dass insbesondere sozial schwache Menschen nicht geimpft seien. Man könne also jetzt gezielt auf diese zugehen.

Piraten

Die Haltung der Piraten sei das Ergebnis einer Diskussion in der Partei, verteidigte Sven Clement seine ablehnende Haltung. 54 Prozent hätten sich gegen eine allgemeine Impfpflicht, drei Viertel gegen eine sektorielle Impfpflicht ausgesprochen. Für die aktuelle Welle sei es ohnehin zu spät. Die Piraten würden demnach auch einem kommenden Gesetz nicht zustimmen. Man verspreche den Menschen dank der Impfpflicht eine Lockerung der Einschränkungen, dabei werde das Virus nach wie vor präsent sein. Seinem Parteikollegen Marc Goergen zufolge bedeute die Impfpflicht, dass erstmals eine Entscheidung über einen Eingriff in den Körper eines Menschen getroffen werde. Unzulässig sei das Anlegen einer staatlichen Datenbank über Impfunwillige und die entsprechenden Strafen.

Ein Gesetzentwurf zur Impfpflicht werde deponiert, so Premierminister Bettel zum Schluss der Debatte. Damit man auf die nächsten Wellen vorbereitet sei. Die Einführung einer Impfpflicht sei eine seiner schwierigsten Entscheidungen als Premierminister gewesen, so Bettel. Doch es gehe darum, Menschen zu retten und der Wissenschaft zu vertrauen, um einen Weg in die Normalität zurückzufinden.

Phil
30. Januar 2022 - 8.57

Und da gibt es noch das Impfgesetz vom 4. Juli 2000: https://legilux.public.lu/eli/etat/leg/loi/2000/07/04/n1/jo Nous JEAN, par la grâce de Dieu, Grand-Duc de Luxembourg, Duc de Nassau; Notre Conseil d'Etat entendu; De l'assentiment de la Chambre des Députés; Vu la décision de la Chambre des Députés du 24 mai 2000 et celle du Conseil d'Etat du 13 juin 2000 portant qu'il n'y a pas lieu à second vote;Avons ordonné et ordonnons: Art. 1er. Lorsqu'une vaccination imposée par une disposition légale ou réglementaire ou recommandée par l'Etat cause la mort de la personne vaccinée ou entraîne dans son chef une incapacité physique permanente, l'Etat répond du dommage, sans préjudice des actions qui pourraient être exercées conformément au droit commun, et dans la mesure où le dommage n'est pas indemnisable en vertu du code des assurances sociales. Jusqu'à concurrence de l'indemnité qu'il a versée, l'Etat est, s'il y a lieu, subrogé dans les droits et actions de la victime contre les responsables du dommage. Art. 2. Un règlement grand-ducal détermine la liste des vaccinations recommandées. Art. 3. Les dispositions de l'article 1er ne s'appliquent qu'aux vaccinations pratiquées après l'entrée en vigueur de la présente loi. Mandons et ordonnons que la présente loi soit insérée au Mémorial pour être exécutée et observée par tous ceux que la chose concerne. Palais de Luxembourg, le 4 juillet 2000. Pour le Grand-Duc: Son Lieutenant-Représentant Henri Grand-Duc héritier Le Ministre de la Santé, Carlo Wagner Le Ministre du Trésor et du Budget, Ministre de la Justice, Luc Frieden

Nermin Skrijelj
24. Januar 2022 - 21.22

@HTK Der Unterschied ist aber, dass bei der Poken und Polioimpfung die Basisstudien wie z.b. klinische Studien vorhanden waren. Bei diesen angewendeten experimentellen Substanzen ist das aber nicht der Fall. Die klinischen Studien können nicht geliefert werden, denn es gibt Sie nicht. Niemand hat diese außerdem laufen wir dann dem Virus nach... Wann ist denn Schluss und wie gefährdet denn eine Person die nicht geimpft ist den Geimpften ? Es ist und bleibt wieder eine massive Verletzung unserer Grund- und Freiheitsrechte und bedeutet auch eine Gefahr für unsere körperliche Unversehrtheit. Es wird das verfassungsgegebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt. Allein schon unter diesem Aspekt kann niemand verpflichtet werden sich einer solchen medizinischen Intervention zu unterziehen. Unabhängig der vehementen Verletzung des Rechts auf Privatsphäre richtet sich eine solche Impflicht gegen den Nürnberger Kodex aus 1947, die jede Teilnahme an einem Experiment, an einer klinischen Studie nur freiwillig zulässt. Mit einem solchem Gesetz wird oder soll der Wille des einzelnen gebrochen werden. Eine solche Impflicht verstößt auch gegen die Resolution des Europarates Nr.2361 vom 27ten Januar 2021 die jede Impfdiskriminierung und jeden Impfzwang verbietet! Wenn der Gesetzesentwurf erst mal da ist, wird der zerfetzt werden, denn es kann, darf und es gibt keine evidenzbasierte Erklärung für eine solche Maßnahme. Das reicht das Argument der Bürgerpflicht die von einem unserer Politiker der sogenannten Vertreter für die arbeitende Bevölkerung bei weitem nicht aus. Wenn man sich vor dem Nachbarn schützen will, kann man um seinen eigenen Hof einen Zaun errichten, aber man darf nicht zum Nachbarn gehen um um sein Haus eine Bauer bauen!

HTK
20. Januar 2022 - 9.05

Als die Pocken- oder PolioImpfung Pflicht wurden war das Geschrei nicht so groß und es gab keine " Demokraten" die auf die Straße gingen um die Polizisten anzurempeln oder zu beleidigen.