Russland-KriseNATO uneins über Waffenlieferungen an Kiew – London prescht vor

Russland-Krise / NATO uneins über Waffenlieferungen an Kiew – London prescht vor
Druck an mehreren Fronten: Russland schickt auch Truppen nach Belarus – wie es heißt zu Übungszwecken Foto: AFP/Verteidigungsministerium Belarus

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London stärkt Kiew im sich zuspitzenden Konflikt mit Russland demonstrativ den Rücken und schickt Panzerabwehrraketen. Das ist angesichts der militärischen Übermacht Russlands wohl nur eine Geste. Aus Moskau kommt scharfe Kritik. Berlin bleibt zurückhaltend.

Uneinigkeit in der NATO bei der Militärhilfe für die Ukraine: Nach der britischen Entscheidung für Waffenlieferungen hat Deutschlands Kanzler Olaf Scholz die deutsche Ablehnung eines solchen Schritts am Dienstag bekräftigt. „Die deutsche Bundesregierung verfolgt seit vielen Jahren eine gleichgerichtete Strategie in dieser Frage. Und dazu gehört auch, dass wir keine letalen Waffen exportieren“, sagte Scholz am Dienstag nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin. Mit letalen Waffen sind tödliche Waffen gemeint wie Maschinengewehre, Panzerfäuste oder auch Kriegsschiffe oder Kampfflugzeuge.

Annalena Baerbock hatte Waffenlieferungen bereits am Montag bei ihrem Besuch in Kiew abgelehnt. Bei ihrem Antrittsbesuch am Dienstag in Moskau betonte die deutsche Außenministerin gegenüber ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow: „Es gibt keine Alternative zu stabilen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin.“ Aus Londons Sicht geht es darum, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu verbessern, sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. „Es handelt sich nicht um strategische Waffen und sie stellen keine Bedrohung für Russland dar. Sie sollen zur Selbstverteidigung eingesetzt werden“, betonte er.

Zahlreiche Waffenlieferungen

Stoltenberg sagte in Berlin, Verbündete verfolgten bei dem Thema unterschiedliche Ansätze. Wichtig sei, dass die Ukraine das Recht zur Selbstverteidigung habe. Die NATO unterstütze das Land dabei, dieses Recht zu wahren. Großbritannien ist bei weitem nicht der einzige NATO-Staat, der zu den Waffenlieferanten der Ukraine gehört. Die USA stellen vor allem Radargeräte zur Artillerieortung, Aufklärungsdrohnen, Geländewagen, aber auch Panzerabwehrraketen, Scharfschützengewehre und Küstenpatrouillenboote zur Verfügung. Die Türkei liefert Kampfdrohnen und demnächst auch Kriegsschiffe. Estland überließ Kiew Hunderte ausgemusterte Pistolen des sowjetischen Typs Makarow. Aus Polen, Bulgarien, Montenegro und Tschechien soll vor allem Munition für Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine gelangt sein.

Großbritannien hat auch Schulungspersonal in die Ukraine geschickt. Nach Angaben eines Sprechers von Premierminister Boris Johnson sind etwa 100 britische Soldaten dort, um den Ukrainern den Umgang mit den Waffen zu zeigen. Britische Soldaten würden aber im Fall eines Kriegs mit Russland nicht auf ukrainischem Boden eingesetzt.

Wirbel um Flugroute

Die Verbündeten verfolgen die Haltung der deutschen Ampel-Koalitionäre genau. Für einen gewissen Wirbel sorgte die Flugroute der britischen Luftwaffe, die am Montag bei einem Waffentransport in die Ukraine den in Kilometern längeren, aber bürokratisch kürzeren Weg über Dänemark und Polen wählte. Dass der direkte Flugweg an der Haltung Berlins gescheitert sein könnte, wurde zurückgewiesen. Die Briten hätten keinen Antrag gestellt, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Allerdings: Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als „Hub“ der NATO – als logistisches Drehkreuz – bezeichnet.

Moskau kritisiert die Waffenlieferungen scharf. „Das ist äußerst gefährlich und trägt nicht zum Abbau der Spannungen bei“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Moskau sei besorgt, dass das Nachbarland Ukraine von immer mehr Waffenlieferanten versorgt werde. Oft handele es sich dabei nicht nur um defensive Waffen.

US-Außenminister Blinken telefonierte am Dienstag mit Lawrow und unterstrich dabei nach Angaben seines Sprechers, „wie wichtig es ist, den diplomatischen Weg fortzusetzen“ und zu „deeskalieren“. Blinken wird am Donnerstag in Berlin zu Vierer-Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung, Frankreichs und Großbritanniens über die Krise erwartet. Zuvor will er nach Angaben des US-Außenministeriums die Ukraine besuchen, um am Mittwoch Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen. (AFP, dpa, Red.)