Antivax-Proteste / Das sagt ein Psychologe zur politischen Instrumentalisierung von Kindern bei Demos
Bei den Corona-Demonstrationen am vergangenen Samstag brachten mehrere Teilnehmer Kinder mit zu den Protesten – und positionierten sie offenbar als Schutzschilde zwischen sich und der Polizei. Im Gespräch mit dem Tageblatt erklärt der Psychologe Gilbert Pregno, dass es damit zur Instrumentalisierung der Kinder gekommen sei und stellt klar: „Das ist nicht gut.“
Die jüngste unangemeldete Protestaktion in Luxemburg-Stadt wurde dieses Mal gleich im Keim erstickt: In der Avenue de la Liberté, in Höhe des Pariser Platzes, bildeten die Ordnungskräfte am vergangenen Samstag einen Kessel um die Demonstranten. In den sozialen Medien kursieren Videos und Fotos, auf denen mehrere Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und vereinzelten Demonstranten zu sehen sind. Und dort gibt es auch etwas Neues zu sehen: Kinder, die mit bengalischem Feuer und Plakaten bei der Protestaktion mitlaufen und als Schutzschilde vor der Polizei aufgestellt werden. Das Tageblatt hat mit dem langjährigen Psychologen Gilbert Pregno über die Geschehnisse vom Samstag gesprochen.
Der Psychologe, der zudem Präsident der Kommission für Menschenrechte ist, erklärt: „Man soll alles tun, um die Kinder nicht Situationen auszusetzen, bei denen es zu möglichen Krawallen kommen kann und bei denen Sprengkörper eingesetzt werden.“ Das sei nichts für Kinder, sagt Pregno. Es mache zudem die Politik schwieriger, da Bilder gezeigt würden, bei denen Gewalt gegenüber Kindern eingesetzt wird. „Das ist eine Instrumentalisierung der Kinder – und das ist nicht gut.“
Stattdessen solle man im Familienkreis positive Werte mit Kindern teilen. „Wenn Eltern für mehr Gerechtigkeit, wie zum Beispiel die Bekämpfung von Hunger in der Welt oder Flüchtlingshilfe demonstrieren, wird ihren Kindern auf diese Weise ein positives Bild mit auf den Weg gegeben“, sagt der Psychologe.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Aber gibt es überhaupt Kundgebungen, bei denen es sinnvoll ist, Kinder mitzunehmen? Laut Pregno schon – zum Beispiel Demonstrationen für Werte, die für die Gesellschaft oder den Planeten „gut“ seien, oder bei denen soziale Problematiken im Mittelpunkt stünden. „Alles, was ich als Menschenrechtler wichtig finde“, so Pregno.
Auch im Schulwesen würden solche Themen angesprochen, um aus den Kindern Bürger zu machen, die sich gegen Missstände auf der Welt einsetzen. „Und nicht an etwas teilnehmen, bei denen die Grundlagen des Staates ausgehebelt werden“, so Pregno. In Luxemburg sei man zudem nicht an dem Punkt angelangt, um dies rechtfertigen zu können, sagt der Menschenrechtler.
Ob Kinder im späteren Leben an den Folgen ihrer Demo-Teilnahmen leiden könnten, sei dahingestellt. Es gebe zudem andere Möglichkeiten, um sich für Ideen einzusetzen. Aber: „Die Eltern gehen nicht mit gutem Beispiel voran“, so Pregno. Er glaube nicht, dass die Teilnahme an einer Demo große Auswirkungen auf das spätere Leben eines Kindes habe. Wenn Eltern Werte im Alltag teilen, die den Rechtsstaat anfechten, habe dies allerdings durchaus einen andauernden Einfluss auf die Entwicklung der Kinder.
Auch passive Gewalt kann traumatisieren
Pregno erklärt zudem, dass das Monopol für Gewalt beim Staat liege: „Das muss auch so bleiben.“ Es sei nicht an jenem einzelnen Bürger, gewalttätig zu werden. Für Kinder könne es sehr traumatisch sein, wenn Menschen gegenseitig auf sich einschlagen. Das sei auch der Fall, wenn Kinder in erster Reihe gegenüber einem voll ausgerüsteten Polizisten stünden. „Ich bin der Meinung, dass die Eltern eher mit ihren Kindern darüber reden sollen“, sagt Pregno.
Alleine die Beobachtung von Gewalt sei gleichzustellen mit einem Trauma, welches bei einem Kind ausgelöst werden kann – beispielsweise wenn ein Vater die Mutter physisch misshandele. Das bedeute, dass Kinder nicht selbst misshandelt werden müssen, um traumatisch von dem Ereignis betroffen zu sein. „Das Kind ist nicht nur ein neutraler Beobachter bei einer solchen Angelegenheit“, sagt Pregno. Man müsse Kinder davor in Schutz nehmen. Die Gewalt und der Hass wie bei den Protesten vom Samstag machten dem Psychologen grundsätzlich Sorgen. „Das ist etwas sehr Ungesundes.“
Informieren statt bestrafen
Um negative psychische Folgen zu vermeiden, müsse vor allem die Gewalt beendet werden. Dann müsse man von Fall zu Fall analysieren, welche Auswirkung die Ereignisse auf das Kind hatten, erklärt der Psychologe. Dabei sei anzumerken, dass eine wiederkehrende Gewalttat gravierendere Folgen für das Kind haben könne. „Das Gleiche gilt für Gewalttaten, die man selbst erlebt, und wenn eine Person, die einem nahe steht, Opfer von Gewalt wird.“ Jedes Kind reagiere darauf unterschiedlich, so Pregno.
Die Eltern zu bestrafen, sei als Gegenmaßnahme nicht geeignet, findet der Psychologe. „Man muss sehr vorsichtig vorgehen und keine weiteren intrusiven Maßnahmen vornehmen – jetzt ist Information wichtig, sodass sich Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, ihre Meinung teilen können“, so Pregno. Wenn sich die Gelegenheit biete, sollte man sich mit den Eltern unterhalten, um sie zu verstehen.
„Wir laufen Gefahr, einen Teufelskreis heraufzubeschwören“, sagt der Psychologe. Wenn Eltern ausgegrenzt werden und die Kinder das merken, könne das dazu führen, dass sie sich mit ihren Eltern solidarisieren, erklärt Pregno. Man müsse jedoch auch mit den Geschehnissen am Samstag vorsichtig umgehen: „Es handelt sich um vereinzelte Situationen. Deswegen möchte ich dies nicht zu viel dramatisieren“, so Pregno.
Mehr zu diesem Thema:
Staatsanwaltschaft: „Haben Bilder und Videos vorliegen, auf die sicher eine Reaktion folgen wird“
Ombudsmann Charel Schmit / „Eltern sollten sich überlegen, wohin sie ihre Kinder mitnehmen“
Editorial / Kinder sind keine Schutzschilde
- Luxemburger ERH-Mitglied Joëlle Elvinger im Visier von Libération - 10. Februar 2022.
- Verdeckte Operation, Höflichkeitsbesuch oder bilaterales Gespräch? - 8. Februar 2022.
- Wie (un)gefährlich ist Omikron wirklich? Luxemburger Experten klären auf - 2. Februar 2022.
„..zum Beispiel Demonstrationen für Werte, die für die Gesellschaft oder den Planeten „gut“ seien, oder bei denen soziale Problematiken im Mittelpunkt stünden.“ Zum Beispiel die Demo “ Fir de Choix.“ wo edle Katholen Angst hatten ihre Kinder würden zu unmoralischen Heiden wenn der Staat die Kirche aus den Schulen verbannt?Auch hier standen Kleinkinder mit Schildern in der Hand am Straßenrand.Ob die wohl wussten was draufstand? Wenn Eltern etwas für gut halten,muss das noch lange nicht gut sein. Man sollte den Kindern eine Chance geben bis sie selbst entscheiden können. Das gilt auch für Gewalt-Demos gegen den Staat. Kinder sind tabu. Es gibt auch psychische Vergewaltigung!