EditorialWir verpennen das Gewaltpotenzial der Schwurbler

Editorial / Wir verpennen das Gewaltpotenzial der Schwurbler
Wie heißt es so schön: „Mit einer geballten Faust kann man keinen Händedruck wechseln“. Foto: Editpress/Julien Garroy

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„Es ist zu spät, um eine gewaltsame Eskalation zu vermeiden.“ Was für ein brutales Fazit. Und dennoch: Warum der Soziologe Pascal Marchand recht hat.

Endlich. Eine Gegendemo findet statt. Während Wochen und Monaten radikalisiert sich die Antivax-Szene. Oft lautet die Kritik: Warum überlässt man den Schwurblern die Straße? Jetzt soll erstmals eine Blockade stattfinden: fünf Minuten den Corona-Protestierenden den Weg versperren. Doch siehe da: Die Begeisterung hält sich in Grenzen.

Auf Nachfrage des Tageblatt sagen die Organisatoren von „Zentrum20“: „Da dieser Plan natürlich nicht genehmigt werden würde, ist unsere Aktion nicht als Demonstration angemeldet.“ Man wähle bewusst die „Marche blanche“ am Freitag aus: Am Samstag sei das Gewaltpotenzial größer. Das Problem an dieser Argumentation: Wenn wir etwas in den letzten Wochen verinnerlicht haben sollten, dann, dass sich radikalisierte Kräfte an fast nichts mehr halten – vorgegebene Tage, Protest-Perimeter, who cares?

Hinzu kommen neue Player im Luxemburger Corona-Demo-Dickicht. Aktuellstes Beispiel: der „Bloc Lorrain“. Eigenen Angaben zufolge gibt man sich anarchistisch, antikapitalistisch und antirassistisch. Wer da nicht an good old Antifa denkt, fühlt den Stinkefinger im Gesicht des Establishments nicht. Doch leider ist es nicht mehr so einfach: In der Pandemie klingen klassische Schemata wie Altherren-Punk. Denn antifaschistische Bewegungen haben meist eine klare politische Agenda. Und: Es ist Ehrensache, nicht mit Rechtsextremen mitzulaufen.

Das aber sieht der „Bloc Lorrain“ anders. Im Tageblatt-Interview bezeichnet der Wortführer der Bewegung sie als „apartisan“. Das Perverse daran: Es ist ein Freifahrtschein, Seite an Seite mit Rechten für die individuelle Freiheit zu protestieren. Und genau diese Abwendung vom Kollektiv unterscheidet den „Bloc Lorrain“ und Luxemburgs extremste Protestler von klassischen antifaschistischen Bewegungen: Alles dreht sich um die eigene Nase. Meine Freiheit, meine Minderheit, mein Recht, an Corona zu verrecken – ein Freiheitsverständnis so egoistisch wie rücksichtslos. Im Zweifel wird halt mit Rechten für gemeinsame Ziele protestiert.

Was Soziologe Pascal Marchand mit Blick auf unsere Sicherheitssituation deshalb richtig erkennt: Aus diesen trotzartigen Corona-Demos können revolutionäre Bewegungen entstehen. Implizit gemeint ist damit: ein gesteigertes Gewaltpotenzial. Luxemburg bildet hier keine Ausnahme: Das aktuelle politische Vakuum hinsichtlich der Debatte über die Impfpflicht ist pures Gift – die Maßnahmenschraube wird angezogen, während die Antivax-Szene Ansichten rationalisiert, die Experten als Wahnvorstellungen einstufen würden.

Besonders bitter: die Einsicht, dass seit der „Rentrée“ politisch so viel versäumt wurde, dass Krawalltouristen derweil munter unsere Autobahnen blockieren und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es auch bei uns kracht: Wir haben die Radikalisierung der Schwurbler verschlafen, wir verpennen das Gewaltpotenzial heimischer und auswärtiger Libertärer.

Gaston de la Piquouze
13. Januar 2022 - 21.57

In einer Demokratie gilt eben gleiches Recht für alle , oder ?

H.Horst
13. Januar 2022 - 14.17

Es geht den Libertären primär darum den Staat zu schrumpfen wie Trump es vorgemacht hat. Dies führt zu einer Generalisierung des Egoismus der zur bürgerlichen Tugend wird. Gesellschaft braucht Regeln. Gesellschaft ohne Regeln ist Anarchie. Anarchie bedeutet das Recht und das Überleben des Stärkeren was wiederum die Negierung von Zivilisation bedeutet.

Cornelia Baum
13. Januar 2022 - 9.45

Gut zusammengefest! Spätestens seit der Demonstration der Kohlearbeiter auf Kirchberg hätte das Demonstrationsrecht in Luxemburg einem Check unterzogen werden müssen. Demonstrationsrecht ist ein wertvolles Gut, ja - es aber völlig uneingeschränkt zu lassen und vorgesehene Sanktionen nicht anzuwenden, beschneidet die Grundrechte einer viel größeren Masse. Damals im Oktober wurde den Schülern dreier Schulen auf Kirchberg der Präsenzunterricht versagt. Arbeitnehmer wurden ins Homeoffice verbannt. Hauptverkehrsachsen gesperrt. Und das alles aus "Sicherheitsgründen". Dass damit einer großen Mehrheit Grundrechte wie Bewegungsfreiheit, Recht auf Bildung und Arbeit einfach so genommen wurde, spielte damals keine Rollle. Inzwischen ist man endlich dazu übergegangen, Korridore für Protestmärsche zugeteilt. Und man fângt langsam an, die immerhin vorhandenen Möglichkeiten zur Ahndung zu nutzen, wenn sanitäre Maßnahmen nicht eingehalten werden oder keine Genehmigungen vorliegen. Um möglichen Einwenden zuvorzukommen, ich wolle würde mit meinen Forderungen das Demonstrationsrecht an sich untergraben: nein, ich möchte die Grundrechte einer großen Mehrheit den Konzessionen zugunsten einer potentiell gewalttätigen Gruppe Aufmüpfiger zumindest gleichstellen. Am besten sogar diesen fundamentalen Grundrechten den Vorrang geben, den sie verdienen.

bultgen Jemp
13. Januar 2022 - 9.11

Den Schwubler müßte man Verbiten auf die Straße zu gehen, denn was die machen geht garnicht. Das ist ein No Go. Die Menschen machen unsere Kinder kaputt, nehmen unsere Kinder mit, und das ist nicht in Ordnung, das sind Unschuldige Kinder.