InterviewGegen Rechtsextreme und Corona-Maßnahmen: „Bloc Lorrain“ erklärt Beweggründe für den Marsch nach Luxemburg

Interview / Gegen Rechtsextreme und Corona-Maßnahmen: „Bloc Lorrain“ erklärt Beweggründe für den Marsch nach Luxemburg
Kevin „Le Lorrain“ auf einer Demo Foto: privat

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Die Corona-Proteste in Luxemburg haben am vergangenen Samstag ein neues Moment erfahren: Mit Flagge zeigenden Demonstranten wagt sich die französische Vereinigung „Bloc Lorrain“ nach Luxemburg, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Ein Interview mit Kevin „Le Lorrain“, dem Präsidenten des „Bloc Lorrain“.

Tageblatt: Was ist der „Bloc Lorrain“?

Kevin „Le Lorrain“: Der „Bloc Lorrain“ ist eine französische Vereinigung mit libertären Ansichten: Was man umgangssprachlich als Anarchie versteht. Wir stammen aus der Lorraine und nehmen hauptsächlich hier in der Umgebung an Demonstrationen gegen den „pass sanitaire“ und gegen Rechtsextremismus teil. Wir sind eine antikapitalistische, ökologische Bewegung. „On prône le partage.“ Von den französischen Präfekten werden wir als „antifaschistisch“ und „Ultra-Linke“ bezeichnet. Außerhalb der Corona-Demos kümmern wir uns auch um Migranten und Obdachlose, verteilen Kleidung und Nahrung, setzen uns mit verschiedenen Aktionen, wie zum Beispiel dem Pflanzen neuer Hecken und Bäume, für die Biodiversität ein.

In Luxemburg wurden sie nach der Demo am vergangenen Samstag als „Hooligans“ und „Casseurs“ bezeichnet.

Als ich die Bezeichnung „Hooligan“ gelesen habe, habe ich etwas geschmunzelt. Wir haben absolut keine Verbindung zum Fußball. Bei RTL wurden wir als Rechtsextreme bezeichnet – dabei ist es genau das, was wir eigentlich bekämpfen. Wir setzen uns gegen Rechtsextremismus und Faschismus ein. Wir sind so ziemlich das genaue Gegenteil von der bisherigen Darstellung in den Luxemburger Medien.

Und die Bezeichnung als „Casseurs“?

Der Staat ist eher ein „Casseur“: Die Franzosen, die in Luxemburg Steuern einsparen, sind die eigentlichen „Casseurs“. Wir waren in Luxemburg „pour marquer le coup“.

Gibt es eine Verbindung zur Bewegung der „Gilets jaunes“?

Durchaus, wir sind durch die „Gilets jaunes“ überhaupt erst entstanden. Wir haben uns auf den Demonstrationen der „Gilets jaunes“ kennengelernt. Der „Bloc Lorrain“ ist die libertäre, linke Fortsetzung der „Gilets jaunes“ in der Lorraine. Wir nehmen aber jeden mit einer weltoffenen Ansicht auf. Seitdem kämpfen wir für mehr soziale und Umweltgerechtigkeit ein.

Waren die „Gilets jaunes“ Ihre erste Station als Aktivist?

Nein, ich habe mich schon vorher engagiert. Ich bin italienischer Herkunft und meine Familie ist vor den ersten Faschisten aus Italien geflohen. Ich stamme aus einer antifaschistischen Familie.

In Luxemburg sind die Corona-Demos stark von rechtsextremen Kräften beeinflusst worden. Warum haben Sie sich ihnen angeschlossen?

Auch in Frankreich gibt es viele Personen aus den rechten Milieus, die an den Demos teilnehmen. Wir sind aber der Meinung, dass die Maßnahmen unsere individuellen und kollektiven Freiheiten beschneiden. Für uns ist der sanitäre Pass – abgesehen davon, dass ein Ausweis oder auch ein Reisepass unserer Meinung nach problematisch ist – ein reines Registrierungssystem. Das ist einfach unvorstellbar.

Das eigentlich Interessante ist, dass die rechten Bewegungen linke Ideen gekapert haben, die Demonstrationen aber als rechtsextrem eingestuft wurden. Wir müssen jetzt Präsenz zeigen und als Linke – auch wenn ich diese Einteilung in links und rechts nicht mag – uns den Rechten entgegenstellen. Wir kämpfen für unsere Freiheit und diese Vorstellung gehört nicht den Rechten.

Warum dann aber Seite an Seite mit den Rechten demonstrieren?

Luxemburg ist ein liberales Land. Das allein ist Grund genug für uns, dort Präsenz zu zeigen – wenn dort rechtsextreme Kräfte marschieren, umso mehr. „On n’est pas monté pour leur taper dessus sur les manifestations.“ Wir werden auch nicht Hand in Hand mit ihnen gehen, aber Seite an Seite mit ihnen demonstrieren, wenn der Kampf der gleichen Sache dient. Vielleicht können wir dann auch einige von unseren Ideen überzeugen.

Sie haben also kein Problem mit einem Schulterschluss mit Rechtsextremen?

Man muss zwischen Rechten und Rechtsextremen unterscheiden. Es kommt für uns nicht infrage, neben Neonazis oder Faschisten herzulaufen.

Wir wollen jedoch zeigen, dass die Corona-Demos mehrere Facetten haben können.

Die da wären?

„On peut très bien soigner cette pandémie avec la médécine douce.“ Dazu muss nicht über die hiesigen Laboratorien von Johnson&Johnson, AstraZeneca und Co. gefahren werden. Die sind an der Börse notiert und haben über die vergangenen Monate enorme Gewinne eingefahren. Wir fordern hingegen die Aufhebung aller Patentrechte, damit die Wissenschaftler ihrer Arbeit ordentlich nachgehen können und richtige Impfstoffe herstellen können, um die europäische, aber auch afrikanische Bevölkerung zu schützen. Das aber würde natürlich einen enormen finanziellen Verlust für die großen Unternehmen bedeuten – dabei müssten diese doch eigentlich dem Gemeinwohl dienen. Für uns sind die bisherigen Impfstoffe eher ein Serum, das eine schlimme Krankheit verhindert.

Sind Sie geimpft?

Nein, ich bin aus politischer Überzeugung nicht geimpft. Jährlich werden Unsummen an öffentlichen Geldern in die Forschung gesteckt – und dann bezahlen wir noch einmal für das Ergebnis dieser Recherche, den Impfstoff. Zudem sollte es jedem freigestellt sein, ob er sich impfen lässt oder nicht – eine Impfung darf nicht aufgezwungen werden.

Waren Sie bei den Demos in Luxemburg dabei?

Nein, ich persönlich war zu dem Zeitpunkt in Nancy. Wir waren jedoch mit einer Gruppe von 25 Personen unserer 250 Mitglieder in Luxemburg vertreten. Davon sind auch einige geimpft.

In den sozialen Netzwerken sind Fotos aufgetaucht, unter denen sich anhand von Kommentaren mit kriegerischem Vokabular auf die Demo eingeschworen wurde.

Ja, da waren tatsächlich einige sehr aggressive Posts dabei. Wir haben auch während der Demo skandiert „A bas l’Etat, les flics et les fachos.“ Wir sind eben der Ansicht, dass weder der Staat noch die Polizei in der jetzigen Form existieren darf.

Gibt es denn eine konkrete Strategie, wenn der „Bloc Lorrain“ auf eine Demonstration geht?

Natürlich gibt es eine Strategie. Wir wollen uns den Orten, an denen sich die Macht verdichtet, annähern und somit sichtbar werden. Wir akzeptieren nicht, dass es eine ausgewiesene Demonstrationszone gibt, die meistens weit weg von den Machtzentren liegt. Eine Demo-Zone gibt es für uns nicht, das Demonstrationsrecht ist ein Menschenrecht und für uns ein grundlegender Bestandteil der freien Meinungsäußerung. Deshalb sind wir ja auch von dem vorgegebenen Pfad abgewichen. Wenn uns jemand einen Weg vorgibt, ist für uns klar, dass wir uns nicht an den halten werden, um zu zeigen, dass wir überall demonstrieren können.

Von Beobachtern wurde die Demo am vergangenen Samstag als Katz-und-Maus-Spiel bezeichnet.

Das ist ja die Grundidee: Wir wollen die vorgegebenen Machtverhältnisse herausfordern. „On peut aller partout sans casse. Nous ne sommes pas de casseurs.“

Bei einer vergangenen Corona-Demo wurde das Privathaus des Premierministers belagert, das Auto seines Ehemannes zerkratzt. Wie stehen Sie zu diesen Vorfällen?

Wir haben von den Vorfällen gehört. Auch in Frankreich werden viele Amtsträger bedroht. Wir sind jedoch der Meinung, dass man sich nicht an einer „personne physique“ vergreifen sollte. Mit materiellen Schäden habe ich aber keine Probleme. Wir befürworten solche Vorfälle natürlich nicht. Mit der Belagerung des Privathauses ist ein gewisses Grad an Gewalt erreicht. „Dans la maison privée il peut y être le comapgnon, éventuellement des enfants qui n’ont rien à voir.“ Man kann sich mit Institutionen anlegen, aber nicht mit der eigentlichen Person.

Hat der „Bloc Lorrain“ auch schon an vergangenen Samstag-Demos in Luxemburg teilgenommen?

Nein, das war unsere erste Teilnahme an einer Demo in Luxemburg.

Dabei haben Sie auch gleich Flagge gezeigt, darunter auch ein Symbol der französischen „Résistance“?

Unser Logo besteht aus mehreren Symbolen. Erstens das „Croix de la Lorraine“ mit dem umgedrehten V für „victoire“. Das wurde schon von französischen Resistenzkämpfern in Spanien benutzt, ist also ein libertäres Symbol. Dann findet man auch ein A für Anarchismus wieder. Unser Motto lautet: „Ce n’a me po tojo“, was so viel bedeutet wie: „Es wird nicht ewig andauern.“ Es drückt die Hoffnung aus, dass unser Kampf nicht ewig andauern wird.

(Das Interview wurde aus dem Französischen übersetzt.)

J.C. Kemp
12. Januar 2022 - 18.19

@grober j-p. Médecine douce heescht Globuli + connexe Spënnereien, domat ass genuch iwwert de Serieux dovu gesoot!

Grober J-P.
12. Januar 2022 - 13.54

„On peut très bien soigner cette pandémie avec la médécine douce.“ "Für uns sind die bisherigen Impfstoffe eher ein Serum, das eine schlimme Krankheit verhindert." He, hat er das wirklich gesagt? Was meint er mit médecine douce? Was muss da im Kopf vorgehen, die Zusammenhänge versteh ich nicht. Sidney, bitte klären!

Sepp
12. Januar 2022 - 13.26

Der Staat verteilt das Geld damit es keinen Plutokraten gibt und die Polizei achtet auf die Umsetzung von allgemeingültigen Regeln. Das sollte man schon so lassen. Ansonsten finde ich die Idee sehr gut, dass endlich Versuche unternommen werden, um rechts und links näher zu bringen. Die Rechten müssen einfach einsehen dass die Herkunft von Leuten nie Grund für Diskriminierung sein darf. Die Linken müssen lernen dass es sehr wohl Rechte gibt, mit denen man diskutieren kann und auch soll. Die Welt dreht sich um Geld, nicht um Herkünfte. Die Politiker haben das Thema Geld jetzt nur jahrelang vernachlässigt. Für einige dreht sich die Welt um Familie, die aber mit Geld versorgt wird. Für einige dreht sich die Welt um die Arbeit, die aber keiner ohne Geld machen würde. Einige wollen Klimawandel verhindern, keiner will aber Geld dafür ausgeben.

Iergendeen
12. Januar 2022 - 11.01

Een punkt muss ech him awer Recht ginn, dat mam Patentrecht... Wann mir ( Reicher) ons all 3 Méint boosteren loossen mussen, wärend den Virus sech an aarmen Länner weider rasant ausbreeden kann an mutéieren kann dann ass d Leisung definitiv dass di Pharmakonzerner den Patentrecht mussen opginn fir dass mir wierklech d Lait op der ganzer Welt retten kennen. Wei kann et och sinn dass en Patentrecht iwwert den Grondrechter (am Fall vun engem Lockdown) kann stoen? Wann en di Diskussioun weider feiert dann kennt en ëmmer just op een ganz wesentlechen punkt den vill méi héisch steet wei Grondrechter, Gesondheet, soziales,... an dat ass eben d Geld... einfach traureg.... zwar näischt neies mee trotzdeem Traureg...

Jacques Zeyen
12. Januar 2022 - 9.30

Es wird immer einen Entscheidungsträger geben müssen.Im Falle der Demokratischen Parlamentarischen Staatsführung wie sie bei uns (und in Frankreich) betrieben wird ist Anarchie also reine Makulatur die nur dazu dient,wie in diesem Fall,Chaos und Schrecken zu verbreiten. Wenn für jedes Staatsgeschäft eine Volksversammlung oder Referendum abgehalten werden muss,ist eine Landesregierung nicht möglich. Im Falle von Covid z.B. müssen SCHNELLE Entscheidungen getroffen werden die Menschenleben retten. Wir leben NICHT in einer Diktatur! Und wer sich bei einer Demo vermummt und mit Böllern herumläuft oder auf Polizisten eindrescht ist kein Anarchist sondern ein Krimineller. WIR sind das Volk und Nasen wie Kartheiser,Reding oder Keup haben WIR gewählt.Das nennt sich Demokratie.

Fern
12. Januar 2022 - 9.09

Hu mir dat néideg?