JudoWeltenbummler und Judo-Trainer Franz Kofler radelt durch Luxemburg zum Nordkap

Judo / Weltenbummler und Judo-Trainer Franz Kofler radelt durch Luxemburg zum Nordkap
Weder Wind noch Wetter kann Franz Kofler von seiner Reise abbringen Foto: privat

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Mit 65 die Beine hochlegen und die Rente genießen? Das ist nichts für Franz Kofler, den aktuellen Assistenz-Nationaltrainer Luxemburgs. In den nächsten Monaten wird sich der Österreicher auf seine nächste große Reise vorbereiten: Viereinhalb Monate ohne Dach über dem Kopf, 100 Trainingseinheiten auf der Matte und 12.500 Kilometer auf seinem Fahrrad stehen ihm auf dem Weg zum Nordkap bevor. 

Anfang Dezember auf einem Campingplatz in Luxemburg: Das Wohnmobil von Judo-Trainer Franz Kofler steht für zwei Wochen still. „CAR-antäne“ nennt es der 65-jährige Österreicher selbst. Nach einem positiven Corona-Schnelltest inklusive grippeähnlichen Symptomen bleibt dem Assistenz-Nationaltrainer nichts anderes übrig, als sich über zehn Tage auf seinen sieben Quadratmetern Wohnfläche zu isolieren. „Viele denken sich: Wie hält man das aus? Ich habe damit null Probleme“, sagt Kofler lachend.

Denn der Weltenbummler hat im Laufe seiner zahlreichen Reisen und Touren nicht nur unter ganz anderen – schwierigeren – Bedingungen gelebt, sondern während dieser ungeplanten „Freizeit“ auch einen Haufen Papierkram erledigt. 2023 wird der ehemalige Polizist sein „Projekt 1.000“ fortsetzen. In den kommenden Monaten läuft die Aufwärmphase an – mit als Höhepunkt einer sechswöchigen Fahrradtour quer durch Deutschland. Insgesamt erwarten ihn 2022, sozusagen als Generalprobe, 2.500 Kilometer auf dem Drahtesel, mit 14.000 Höhenmetern.

Zwischenstopp in Luxemburg

Die Idee dahinter: Der Judo-Trainer wird mit seinem Rad, einem Zelt und zwei Gepäcktaschen von Klub zu Klub fahren und in den einzelnen Vereinen eine Trainingseinheit leiten. „Also nur reine Muskelkraft“, wie er hinzufügt. Ursprünglich – also vor der Pandemie – lautete der Plan des Österreichers, sich eine Route nach Japan zurechtzulegen und auf dem Weg dorthin eben genau diese 1.000 Mal seine Werte bei einem Training zu vermitteln. Dieses Vorhaben wurde aber unterbrochen: Sowohl Corona als auch eine neue Option in Luxemburg nennt er als Gründe. „Im Juni 2019 war ich noch mit dem Projekt in Luxemburg unterwegs. Die Vereine aus Wintger und Differdingen hatten mich eingeladen. In Differdingen war die Hütte voll. Es hat mir imponiert, dass selbst der Verbandspräsident (Serge Schaul) an diesem Abend beinhart mit dabei war.“

Zunächst führte ihn sein Weg noch weiter nach Deutschland, ehe er durch Zufall im Internet auf ein Jobangebot bei der FLAM stieß. Aus einem Scherz wurde dann Realität: „Ich habe Tom (Schmit, Vizepräsident des Luxemburger Judo-Verbands) geschrieben, dass ich ja alle Kriterien für diesen Trainerposten erfüllen würde. Das war damals eher als kleiner Spaß gemeint.“

20 Jahre lang war Franz Kofler Polizist in Österreich, 1997 machte er sich selbstständig. Sein Vertrag als Assistenztrainer in Luxemburg läuft im kommenden Juni nach exakt drei Amtsjahren aus. Dass für ihn das Rentenalter aber nichts mit Liegestühlen, Terrassenblick und Alpen zu tun haben wird, stand schon vor zehn Jahren fest. „Mit 55 Jahren war der Zeitpunkt gekommen, etwas in meinem Leben zu ändern. Ich wog 125 Kilogramm.“ Heute ist der gesellige Sportler wieder fit wie eh und je – und bereit, 15.000 Euro für die Vollendung seines Langzeit-Abenteuers auf den Tisch zu legen.

Von Potsdam über Leipzig bis hin nach Dortmund, Düsseldorf, Karlsruhe, München, Innsbruck und Klagenfurt: Zwischen August und Oktober radelt sich Kofler für seine Nord-Tour 2023 ein. Die führt ihn dann über viereinhalb Monate und 30 Länder – auch wieder durch Luxemburg – bis nach Athen und zum Nordkap. Das Gesamttotal: 12.500 Kilometer. „Ich möchte täglich 130 Kilometer fahren und abends dann rund 100 Trainingseinheiten leiten.“ Geschlafen wird nur in Ausnahmefällen im Hotel. „Da muss man sich meist schon vor 18 Uhr um ein Zimmer kümmern, aber ich fahre gern bis spät in den Abend hinein und leg mich dann irgendwo ein paar Stunden hin.“ Als Selbstversorger plant er 30 Euro für die tägliche Verpflegung ein. 

523 Kilometer in 24 Stunden

Dafür braucht es wohl diese gewisse Kombination von Freiheit, Verantwortung und ein bisschen Verrücktheit. „Regen macht mir gar nichts aus, aber 100 Kilometer mit Gegenwind zermürbt dich. Da muss man sich sagen: Jeder Tritt bringt dich deinem Ziel einen Meter näher. Ich muss dadurch, ich bin selbstdiszipliniert.“ Dafür stand auch fest, dass er sich alleine auf diese Reise begeben müsste. „Es wäre ungewöhnlich, wenn die andere Person zum selben Zeitpunkt eine Pause einlegen wollen würde. Nur ich kenne meine eigenen Leistungsgrenzen.“ Die liegen übrigens derzeit bei 523 Kilometern in 24 Stunden: „Die Beine übernehmen nur die ersten 200 Kilometer, den Rest übernimmt der Kopf.“

Sie dachte, ich wäre ein Penner. Ich habe sie leider nicht mehr gefunden, um ihr das Geld zurückzugeben.

Was für Außenstehende möglicherweise nach viel Risiko klingt, empfindet der 65-Jährige nicht als übertriebenes Wagnis: „Das Leben ist von Haus aus gefährlich. Ich bin grundsätzlich angstfrei und versuche auch, Risiken aus dem Wag zu gehen.“ Corona sowie die politische Lage in Russland und Kasachstan hatten zur Folge, dass er vom Plan, nach Japan zu fahren, abweichen musste. Als ihm in Venedig eine junge Frau ein Stück Papier in den Schlafsack steckte – da er sich für die Nacht unter freien Himmel auf einem Tramper-Platz einquartiert hatte –, staunte er nicht schlecht, als es sich um einen 10-Euro-Schein handelte. „Sie dachte, ich wäre ein Penner. Ich habe sie leider nicht mehr gefunden, um ihr das Geld zurückzugeben.“ 

Unzählige Anekdoten fallen Kofler spontan ein. Bei Minusgraden auf einer Bank in einer Bushaltestelle einzuschlafen oder mit 20 Zentimetern Neuschnee in ’s-Hertogenbosch auf dem Kopf in der Sporthalle aufzutauchen – den Österreicher brachte bisher kaum etwas aus der Ruhe. „Mich hat letztes Jahr eine Journalistin der Baseler Zeitung angerufen, da sie einen Bericht über den lokalen Verein schreiben wollte. Sie hatte die Verantwortlichen gefragt, was das Verrückteste gewesen sei, was die dort erlebt hätten. Nun … Da war ein Österreicher auf dem Fahrrad da.“ 

Bleibt also die Frage, warum er sich 2022 und 2023 noch einmal einer solch kräftezehrenden Herausforderung stellt und beispielsweise nicht einfach mit seinem Wohnmobil durch Europa fährt: „Ich will etwas bewegen. Auf meiner Reise versuche ich, die Judo-Werte zu vermitteln. Es liegt mir sehr am Herzen, Frieden und Natur in den Vordergrund zu stellen. Wir dürfen die Natur nicht kaputtmachen, sondern müssen Verantwortung für die nächsten Generationen übernehmen. Kriege beginnen nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Kopf. Ich möchte diese Spaltungen verhindern, indem ich darauf aufmerksam mache, wie wir miteinander sprechen und umgehen.“

Respekt vor der Natur und Mitmenschen sind beides Themen, die er in den 30 Ländern in seine Sporteinheiten integrieren wird, unabhängig von Sprachbarrieren. „Man kann den Kindern spielerisch bewusst machen, dass sie sich gegenseitig helfen und unterstützen können. Wenn wir dieses Gefühl auf die Matte bringen, kann und das auch draußen weiterbringen.“ Damit Freude und Vereine ihn virtuell begleiten können, wird der Österreicher übrigens auf dem eigenen YouTube-Kanal regelmäßig berichten – so wie er es zuletzt auch bei seiner Corona-Infektion aus seiner Isolation im Camper getan hat. „Bei dem, was ich vorhabe, wirkt diese Zeit ja eigentlich wie ein Leben in einer Wohnung.“

Franz Kofler (r.) gastierte bei seiner ersten Durchreise u.a. in Wintger
Franz Kofler (r.) gastierte bei seiner ersten Durchreise u.a. in Wintger Archivfoto: Ben Pfeiffer