Schockmel und Schmit20.000 Dosen „Paxlovid“ für Luxemburg – Was Sie über das neue Covid-19-Medikament wissen sollten

Schockmel und Schmit / 20.000 Dosen „Paxlovid“ für Luxemburg – Was Sie über das neue Covid-19-Medikament wissen sollten
So sieht das neue Medikament „Paxlovid“ aus Foto: AFP

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Die Coronakrise begleitet Luxemburg auch im Jahr 2022. Die Zahl der Neuinfektionen ist, angetrieben von der neuen Omikron-Variante, bedenklich hoch. Hoffnung macht die Impfung – und ein neues Medikament. „Paxlovid“ wurde vom Pharmakonzern Pfizer entwickelt und wird wohl demnächst auch die Zulassung der EMA bekommen. Luxemburg hat bereits 20.000 Dosen bestellt. Wir haben mit dem Facharzt für Infektionskrankheiten, Dr. Gérard Schockmel, und „Santé“-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit über das neue Medikament und seinen Einsatz gesprochen.

Gibt es nach der Impfung einen zweiten Hoffnungsschimmer am Pandemie-Himmel? Ein vom Pharmakonzern Pfizer entwickeltes antivirales Medikament mit dem Namen „Paxlovid“ wird aktuell von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für eine Zulassung in Europa geprüft und wird wohl in den nächsten Wochen durchgewinkt. Ein gutes Zeichen dafür ist eine Empfehlung der Agentur zum Einsatz des Medikaments, die bereits am 16. Dezember veröffentlicht wurde. 

Dr. Gérard Schockmel, Facharzt für Infektionskrankheiten an den Hôpitaux Robert Schuman (HRS), hält das neue Medikament für „sehr vielversprechend“. Die bisher verfügbaren Ergebnisse haben gezeigt, dass wenn das Medikament rechtzeitig eingesetzt wird, es zu 89 Prozent vor einer Krankenhauseinweisung oder einem tödlichen Verlauf der Krankheit schützt. „Rechtzeitig, das heißt innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn“, präzisiert Schockmel. Noch seien nicht alle Studien abgeschlossen, aber „bei solch drastischen Effekten und der angespannten sanitären Lage“ seien die bisherigen Resultate sehr wahrscheinlich ausreichend für eine Zulassung des Medikaments.

Bei der von Pfizer veröffentlichten Studie wurden Daten von mehr als 3.000 Menschen weltweit erfasst. Alle Patienten hatten eine vom Labor festgestellte Diagnose einer SARS-CoV-2 Infektion mit milden bis moderaten Symptomen und bekamen das Medikament innerhalb der ersten fünf Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome. Alle hatten Vorerkrankungen, die ein hohes Risiko für einen schweren bis tödlichen Verlauf der Covid-Erkrankung darstellen. Die meisten Teilnehmer waren außerdem ungeimpft. Die Hälfte von ihnen erhielt das Medikament „Paxlovid“, die andere ein Placebo. Beide Gruppen mussten alle zwölf Stunden die verschriebenen Tabletten einnehmen. Aus den Daten geht hervor: „Paxlovid“ schützte zu 89 Prozent vor einem schweren Verlauf der Krankheit und keine der mit dem Medikament behandelten Personen verstarb, während in der Placebo-Gruppe zehn Tote zu beklagen waren.

Wer wird damit behandelt?

Luxemburg wird „Paxlovid“ wohl für ähnliche Fälle einsetzen, wie es in der Studie der Fall war und auch die EMA in ihrer Empfehlung im Dezember nahelegt: Erwachsene Covid-19-Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf, die nicht im Krankenhaus versorgt werden müssen oder eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr brauchen.

„Es ist nicht zweckmäßig, dass jeder das Medikament bekommt“, sagt der Facharzt. Bei Personen, die keine Symptome entwickeln, würde das auch keinen Sinn ergeben. „Außerdem wird das Medikament wohl nicht sofort in großer Menge zur Verfügung stehen.“ Das Risiko sei nicht für jeden gleich, und besonders gefährdete Menschen sollen den Vorzug bekommen. Wie genau das allerdings gestaffelt werde, sei eine „gesundheitspolitische Frage“, die noch zu beantworten sei.

20.000 Dosen des Medikaments hat das Gesundheitsministerium für Luxemburg reserviert. Dabei handle es sich um komplette Behandlungen, erklärt Santé-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit im Gespräch mit dem Tageblatt. „Wir werden die Medikamente im Laufe des Januar voraussichtlich geliefert bekommen, zeitgleich mit anderen europäischen Ländern wie Deutschland.“ „Paxlovid“ werde auch sofort nach der Lieferung eingesetzt: „Ein Medikament, das im Schrank liegt, nützt uns nichts.“ Es werde im Moment noch ausgehandelt, ob das Medikament zunächst nur in den Krankenhausapotheken ausgegeben werde oder in allen Apotheken erhältlich sein wird. Denn solange eine offizielle Zulassung durch die EMA noch nicht auf dem Tisch liege, müssten bei der Ausgabe der Medikamente eine ganze Reihe Dokumente ausgefüllt werden.

Man werde bestimmte Kriterien festlegen, wer das Medikament bekommen soll. „Dabei können beispielsweise Vorerkrankungen oder Alter eine Rolle spielen“, sagt Schmit. So soll die Abgabe von „Paxlovid“ auch intensiv nachverfolgt und kontrolliert werden und ein „Run“ auf das neue Medikament vermieden werden. Weitere Bestellungen des Medikaments im Laufe des Jahres seien möglich. Das hänge auch von der Produktionskapazität des Herstellers ab.

Eine „Paxlovid“-Behandlung setzt sich wie folgt zusammen: Zweimal täglich über fünf Tage sollen je 300 mg (in zwei aufgeteilt) des Proteasehemmers Nirmatrelvir und 100 mg des Boosters Ritonavir in Tablettenform eingenommen werden.

Risiken des Medikaments

„Mit Proteasehemmern sind wir bereits seit langem vertraut“, erklärt Schockmel. Sie sind z.B. auch Bestandteil von HIV-Medikamenten. Diese Inhibitoren (Hemmstoffe) sind Wirkstoffe, die gezielt ein Hauptenzym von Viren angreifen und so die Vermehrung des Virus deutlich einschränken. Das Virus ist zwar noch aktiv, kann sich aber nur wenig oder gar nicht im Patienten ausbreiten. Nirmatrelvir wurde gezielt für das Coronavirus entwickelt. „Der zweite Wirkstoff, Ritonavir, wiederum unterstützt den Proteasehemmer, verlangsamt dessen Abbau im Körper und verstärkt so seine Wirkung“, sagt der Facharzt.

Etwas besorgt zeigt sich Schockmel über die Verfügbarkeit nur eines Proteasehemmers. „In der herkömmlichen HIV-Behandlung wird eine Kombination von mehreren unterschiedlichen Inhibitoren eingesetzt. So kann vermieden werden, dass das Virus eine Resistenz gegen einen spezifischen Hemmstoff entwickelt“, erklärt der Facharzt. „Wie hoch dieses Risiko bei Nirmatrelvir ist, wissen wir derzeit noch nicht.“

Für Kinder wird „Paxlovid“ zunächst nicht zugelassen: „Bisher wurden nur Studien an Erwachsenen durchgeführt“, erklärt Schockmel. Auch über den Einsatz bei schwangeren Frauen gibt es bisher keine Erkenntnisse. „Mütter, die ihre Babys stillen, sollen während einer Behandlung mit dem Medikament darauf verzichten“, empfiehlt der Facharzt.

„Paxlovid“ wird, wie bei herkömmlichen Medikamenten, wohl vom behandelnden Arzt verschrieben werden. Dabei sei es wichtig, zu beachten, dass einige Medikamente nicht gleichzeitig mit „Paxlovid“ eingenommen werden dürfen. Denn der Proteasehemmer wird in der Leber abgebaut. Einige Cholesterin-senkende Medikamente, Schlafmittel oder Antibiotika beispielsweise werden in demselben Prozess abgebaut und dadurch kann die Wirksamkeit oder Toxizität dieser Medikamente beziehungsweise die von „Paxlovid“ verändert werden. Auch Personen, die unter einer schweren Nieren- oder Lebeninsuffizienz leiden, sollen das Medikament nicht erhalten. „Und natürlich Patienten, die auf Bestandteile des Medikaments allergisch sind.“

Andere Behandlungen im Vergleich

„Paxlovid“ habe sich deutlich effizienter gezeigt als das von Merck-Sharp & Dohme (MSD) und Ridgeback Biotherapeutics entwickelte „Molnupiravir“. Laut Schockmel sei eine Behandlung mit diesem Stoff nur eine „Backup“-Lösung. „Molnupiravir“ ist ebenfalls ein antivirales Medikament in Tablettenform, wirkt aber, wie „Remdesivir“, unspezifisch auf Viren. „Santé“-Direktor Schmit bestätigt gegenüber dem Tageblatt, dass man auch von diesem Wirkstoff demnächst eine Lieferung erwarte.

Der Vorteil von „Paxlovid“ gegenüber „Remdesivir“ sei, so Schockmel, dass die Behandlung durch die Tablettenform zu Hause erfolgen kann. „Remdesivir“ hingegen müsse intravenös, also über Tropf im Krankenhaus, verabreicht werden. „Remdesivir“ spaltet die Wissenschaft noch: Schmit gibt zu bedenken, dass das antivirale Mittel nicht so gut anschlagen würde, doch der Facharzt der HRS zitiert im Gespräch eine unlängst in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie, die gezeigt hat, dass eine frühzeitige Behandlung mit „Remdesivir“ hochwirksam war. Wurde das Medikament nämlich innerhalb der ersten sieben Tage nach Symptomauftreten während drei Tagen verabreicht, konnte ein schwerer Verlauf zu 87 Prozent vermieden werden. „Remdesivir“ sei in allen Luxemburger Krankenhäusern verfügbar, erklärt Schmit.

Leider würde der in Luxemburg seit kurzem verfügbare Antikörper-Cocktail „Ronapreve“, welcher intravenös oder subkutan verabreicht wird, bei Omikron kaum anschlagen, erklärt „Santé“-Direktor Schmit. „Präsident Trump beispielsweise wurde mit diesem Antikörper-Cocktail behandelt“, erklärt Schockmel. Die Antikörperbehandlung „Regkirona“ soll die Variante besser im Schach halten. „Diese ist derzeit nicht in Luxemburg verfügbar, aber wir sind dabei, eine Lieferung davon zu organisieren“, so Schmit. Der Nachteil von Antikörper-Behandlungen sei, dass diese zumeist sehr spezifisch an Spike-Proteine andocken und daher unter Umständen bei neuen Varianten an Wirksamkeit einbüßen.

Ob Luxemburg mit einer Kombination aus Medikamenten, Impfungen und Hygieneregeln auf dem Weg aus der Pandemie ist, weiß „Santé“-Direktor Schmit nicht. „Fragen Sie mich nicht, wann die Pandemie ein Ende hat.“ Doch als komplementäre Behandlung zusätzlich zu den Impfungen würden die Medikamente besonders Hochrisikopatienten zugutekommen. Facharzt Schockmel zeigt sich da optimistischer: „Wir sind auf dem Weg raus aus der Pandemie.“ Es werde allerdings noch eine Weile dauern.