KommentarDas Urteil zur Auflösung von „Memorial“ in Russland ist eine Zäsur

Kommentar / Das Urteil zur Auflösung von „Memorial“ in Russland ist eine Zäsur
„Wir werden für immer leben“, meint dieser Demonstrant vor dem Gebäude des Obersten Gerichts in Russland, wo gestern die Auflösung der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ verfügt wurde Foto: AFP/Natalia Kolesnikova

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Das Urteil zur Auflösung der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“ am Dienstag könnte als Zäsur in die Geschichte des Landes eingehen. Die Kreml-Führung geht mittels eines fadenscheinigen Rechtsverfahrens gegen eine Organisation vor, die selbst die Sowjets tolerieren konnten, obwohl sie seit ihrer Herrschaft jede dissidente Stimme unterdrückten. Mit der gestrigen Entscheidung der Richterin am Obersten Gericht dürfte Russland jedoch hinter diese Zeiten zurückfallen. Denn mit dem Urteil wird nicht nur der Anspruch auf eine unabhängige Justiz endgültig fallen gelassen. Es ist ebenfalls ein Zeichen dafür, dass der Einsatz für Menschenrechte mit negativen Konsequenzen verbunden und eigentlich unerwünscht ist. Eine international geachtete Menschenrechtsorganisation, die Dutzende Verbände und Gruppen im In- und Ausland hat, wegen einer derartigen Geringfügigkeit aufzulösen, hat nichts mit Rechtssprechung zu tun. Es ist eine politische Entscheidung, zumal der vorgeschobene Anlass für das Urteil – „Memorial“ bezeichnete sich in Dokumenten und Publikationen nicht immer als „ausländischer Agent“, was eine Organisation laut russischem Recht aber tun muss, wenn sie Gelder aus dem Ausland bezieht – selbst nichts weiter als eine Schikane ist. Nun aber soll diese Organisation verschwinden, die in den 1980ern im Zuge der von Glasnost und Perestroika ausgelösten Dynamik, mit der die Aussicht auf eine neue und bessere Zukunft verbunden war, ins Leben gerufen wurde. Etwas mehr als 30 Jahre später sehnt sich der jetzige Kreml-Herr Wladimir Putin nach den alten Zeiten zurück, wie der Konflikt um die Ukraine eindrücklich zeigt. Da stört eine Organisation, die es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, die schreckliche Vergangenheit, wie etwa die des Stalinismus, aufzuarbeiten.


Hier finden sie den Artikel zur Auflösung von Memorial: Link