DeutschlandWachstumsfreuden einer Ampel beim gemeinsamen Auftritt von Scholz, Habeck und Lindner

Deutschland / Wachstumsfreuden einer Ampel beim gemeinsamen Auftritt von Scholz, Habeck und Lindner
Nach der Unterzeichnung laufen Scholz, Lindner und Habeck zu Fuß zur Pressekonferenz – müssen allerdings kurz an einer roten Ampel warten Foto: AFP/Tobias Schwarz

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SPD, Grüne und FDP unterschreiben den Koalitionsvertrag – beim folgenden Auftritt vor der Hauptstadtpresse dominiert gefühliger Ampel-Sprech.

Musik, ein wenig Glamour? Das Aufregendste bei der Unterzeichnung des Ampel-Koalitionsvertrags ist das Gebäude. SPD, Grüne und FDP haben sich das „Futurium“ ausgesucht, einen schicken Glaskubus, in dem Wissenschaftler forschen. Das passt zum Titel des 177-seitigen Vertrags: „Mehr Fortschritt wagen“.

Scholz wünscht einen schönen guten Morgen – „ein Morgen, an dem wir aufbrechen zu einer neuen Regierung“. Den kleinen Partnern ist die Bürde der nahenden Verantwortung anzumerken. FDP-Chef und nächster Finanzminister Christian Lindner sagt: „Wir geben uns keiner Illusion hin.“ Grünen-Vizekanzler Robert Habeck flüchtet in den Satz: „Ab heute sind wir eine Regierung für die Menschen.“ Dann schreiten alle wichtigen Leute der drei Ampel-Parteien nacheinander an einen ellipsenförmigen Tisch, setzen ihre Unterschrift unter drei Exemplare des Koalitionsvertrags. Nur Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, die Verlierer im grünen Ministerpostenpoker, schauen traurig in die Ferne.

Warten an der Ampel

Eine gute Viertelstunde dauert die Unterzeichnung. Scholz, Lindner und Habeck laufen anschließend die 290 Meter am Spreeufer entlang zu Fuß, müssen allerdings noch kurz an einer roten Ampel warten, ehe sie vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz Platz nehmen können.

Was für ein Signal das sei, dass außer den Ampel-Spitzenmännern keine Frau an diesem Vormittag mit auf dem Podium sitzt, wird Scholz von einer Journalistin gefragt. Er finde es sehr gut, dass man nun ein paritätisch besetztes Kabinett habe, das „sehr verantwortungsvolle Aufgaben“ übernehme, weicht er aus. Damit spielt Scholz auf innere und äußere Sicherheit an. Die mit diesen Themen betrauten Ressorts – Inneres, Verteidigung, Auswärtiges und Entwicklung – werden künftig alle von Frauen geleitet. Das sei ein „sehr sehr gutes Signal“ mit Blick auf das Ziel, eine Gesellschaft zu schaffen, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern „endgültig gelingt“, sagt Scholz. Dieses Ziel eine alle drei Ampel-Parteien.

Es ist ein Langstreckenlauf

Der grüne Vizekanzler Habeck warnte beim Klimaschutz vor zu großen Erwartungen

Was ihre drei männlichen Spitzenvertreter auch eint, ist, dass sie gestellte Fragen mehr oder weniger geschickt umschiffen. Besonders bei Habeck und Lindner, die man noch in der Rolle als Oppositionspolitiker im Ohr hat, klingen die Ausführungen in der neuen Regierungsrolle plötzlich umso weicher, kantenloser. Die drei Parteien würden sich in der Regierung natürlich verändern, sagt Habeck, „aber zum Besseren“. Er sehe keine „Schmerzgrenzen“, sondern „Wachstumsfreuden“, frohlockt der designierte Wirtschaftsminister. Und Lindner säuselt hinterher, dass man sich „nicht begrenzen“, „sondern erweitern“ wolle. Der neue Harmoniesprech der Ampel ist bereits gut eingeübt. Der Beweis dafür, ob das zu „mehr Fortschritt führt“, wie der neue Koalitionsvertrag verspricht, steht noch aus.

Beim Klimaschutz stapelt Habeck tief. Er warnt vor zu großen Erwartungen. „Es ist ein Langstreckenlauf“, sagt er. Der Ausbau der erneuerbaren Energien werde sein zentrales Thema werden. Bis 2030 sollen sie 80 Prozent des Strombedarfs abdecken. Dafür müsse das Ausbautempo verdreifacht oder sogar vervierfacht werden. Deutschland liege beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Rückstand. Das werde er noch eineinhalb, zwei Jahre mitschleppen.

Viel Außenpolitik

Viel Raum nimmt die Außenpolitik ein. Auch weltweit wird genau beobachtet, welchen Kurs die neue Regierung nach der Ära Merkel einschlägt. Gefragt nach dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine zeigt Scholz sich besorgt. „Deshalb muss ganz, ganz klar sein, dass das eine inakzeptable Situation wäre, wenn da eine Bedrohung entstünde für die Ukraine“, sagt er. Deshalb sei man „sehr, sehr klar“.

Entstünde? Der Konjunktiv mag verwundern. Schließlich soll Russland bereits Vorbereitungen für einen Angriff auf die Ukraine getroffen haben, der NATO-Militärausschuss befasste sich bereits mit dem Thema, von US-Seite ist von Plänen Russlands „für bedeutende aggressive Schritte gegen die Ukraine“ die Rede. Scholz verweist auf „die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass niemand in den Geschichtsbüchern wälzt, um Grenzen neu ziehen zu können.“