DeutschlandKevin Kühnert soll Scholz’ Wiederwahl 2025 organisieren

Deutschland / Kevin Kühnert soll Scholz’ Wiederwahl 2025 organisieren
„Ein solcher Aufbruch soll uns wieder gelingen“, meinte Olaf Scholz in Bezug auf die Kanzlerschaft von unter anderem Willy Brandt Foto: dpa/Michael Kappeler

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Für Olaf Scholz läuft es wie am Schnürchen. Bei einem Sonderparteitag stimmen die Sozialdemokraten mit fast 99 Prozent für den Koalitionsvertrag. Am Montag will Scholz die SPD-Minister präsentieren. Vor allem die Männer in der Partei zittern.

Wer in der SPD Minister werden will, hatte am Wochenende besser sein Handy voll aufgeladen und mit laut eingeschaltetem Klingelton neben sich liegen. „Hallo, hier ist Olaf, ich habe mir überlegt, dass Du…“, so ähnlich könnten die Gespräche begonnen haben, die der nächste Kanzler Olaf Scholz mit jenen Auserwählten führen wollte, die er für die SPD in sein Kabinett holt. Am Montagmorgen sollten die Personalien offiziell in den Parteigremien verkündet werden.

Acht Regierungstickets haben die Sozialdemokraten sich in den Verhandlungen mit Grünen und FDP gesichert, inklusive Kanzler Scholz. Als gesetzt galten nur Hubertus Heil (bisher Arbeit, wo er bleiben oder doch ins Verteidigungsministerium wechseln könnte), Wolfgang Schmidt (Kanzleramtsminister) und Svenja Schulze (bisher Umwelt, wahrscheinlich Bau). Öffentlich viel Druck lastete auf Scholz bei der Besetzung des Gesundheitsministeriums, in der Pandemie Schlüsselressort und Schleudersitz zugleich. Viele wünschen sich den „Corona-Professor“ Karl Lauterbach auf dem Posten. In der SPD ist der Gesundheitsexperte aber umstritten. Scholz ist bekannt dafür, dass der öffentliche Mainstream ihn eher weniger interessiert.

Am Samstag waren viele Spitzengenossen beim Sonderparteitag im Willy-Brandt-Haus in Berlin, wo der Koalitionsvertrag von den SPD-Delegierten mit fast 99 Prozent angenommen worden war. Am Rande wurden einige erste Geheimgespräche geführt, die über das Wochenende in viele Telefonate mündeten.

Weil Scholz Parität versprochen hat, wurde in Parteikreisen für möglich gehalten, dass er außer Schmidt und Heil keinen weiteren Mann beruft. Dann gäbe es im 17-köpfigen Bundeskabinett (inklusive Kanzler) von SPD, Grünen und FDP ein Frau-Mann-Verhältnis von 9:8. Jedoch gab es in der SPD gewichtige Gegenstimmen, die Scholz warnten, den Paritätsgedanken in den eigenen Reihen auf die Spitze zu treiben. So sei aufgrund des Geschlechterproporzes bereits die Bundestagsspitze an Bärbel Bas gegangen.

Die 2019 zurückgetretene ehemalige Parteivorsitzende Andrea Nahles kehrt dem Vernehmen nach nicht ins Kabinett zurück. Sie soll im Frühjahr Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg werden, schrieb die Bild am Sonntag. BA-Chef Detlef Scheele hört in wenigen Monaten auf, der Hamburger ist ein langjähriger Vertrauter von Scholz. Die Arbeitgeberseite im BA-Verwaltungsrat sieht die Personalie Nahles allerdings kritisch.

Beim Parteitag am Samstag betonte Scholz, dass er als Kanzler der ersten Dreierkoalition auf Bundesebene keine Episode sein wolle. Der 63-Jährige will mindestens acht Jahre regieren, die Wiederwahl 2025 ist sein erklärtes Ziel. Der Aufbruch, den SPD, Grüne und FDP Deutschland bei Klimaschutz, Wirtschaft und Digitalem geben wollten, sei in vier Jahren nicht getan. „Wir müssen dranbleiben, wollen wiedergewählt werden.“ Seine Kanzlerschaft sei keine Selbstverständlichkeit. Scholz zog lange Linien. Generationen seien im Gefühl aufgewachsen, der Staat gehöre der CDU. Brandt, Schmidt und Schröder hätten jeweils das Machtabo durchbrochen, für gesellschaftlichen Aufbruch gesorgt: „Ein solcher Aufbruch soll uns wieder gelingen.“

Start der Ampel verlief weniger geräuschlos

Der künftige Generalsekretär Kevin Kühnert soll auf Wunsch der SPD-Spitze frühzeitig mit der Vorbereitung der Wiederwahlkampagne von Olaf Scholz für das Jahr 2025 beginnen. „Kevin Kühnert hat schon als Juso-Vorsitzender gezeigt, dass er gut Kampagnen organisieren kann. Die nächste Kampagne, die er organisieren wird, ist die Wiederwahl von Olaf Scholz“, sagte der designierte SPD-Chef Lars Klingbeil dem Tagesspiegel.

Klingbeil, Saskia Esken, Kühnert und die fünf Vizevorsitzenden sollen am kommenden Sonntag bei einem weiteren SPD-Parteitag gewählt werden. Scholz soll bereits an diesem Mittwoch im Bundestag zum Kanzler und Nachfolger von Angela Merkel gewählt werden. Am Freitag will er seine erste Auslandsreise nach Brüssel und Paris machen. Kühnert war in der Vergangenheit erklärter Gegenspieler von Scholz.

Der Start der Ampel verlief bislang nicht so geräuschlos, wie Scholz sich das erhoffte. Weil die FDP unbedingt aus dem Pandemie-Reglement der alten Bundesregierung aussteigen wollte, wirkte Scholz während der Koalitionsverhandlungen zeitweise wie gefesselt. Erst in den Beratungen mit den Ministerpräsidenten befreite er sich, ging mit der Ansage einer allgemeinen Impfpflicht und harten 2G-Vorgaben voran, nahm seine Führungsrolle voll an. Die beschlossenen Einschränkungen seien „schwer zu ertragen“, sagte Scholz. Doch zu viele Deutsche seien noch ungeimpft. Bis Weihnachten strebt er bis zu 30 Millionen Impfungen an. Als Kanzler stehe er dafür, dass die neue Regierung sich nicht wegducke. Die vierte Welle müsse gebrochen werden.