DeutschlandMit Kevin Kühnert als Generalsekretär dürfte die SPD weiter nach links rücken

Deutschland / Mit Kevin Kühnert als Generalsekretär dürfte die SPD weiter nach links rücken
Populär, medienaffin und 32 Jahre jung: Dennoch erwartet Kevin Kühnert ein schwieriger Spagat Foto: dpa/Fabian Sommer

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Mit Kevin Kühnert als Generalsekretär dürfte die SPD weiter nach links rücken. Dabei muss der frühere Juso-Chef künftig eisern die Politik der Ampel von Kanzler Scholz vermarkten – für ihn ein schwieriger Spagat.

Olaf Scholz ist nicht allmächtig in der SPD. Das zeigt die Personalie Kevin Kühnert. Am Freitag wurde der frühere Juso-Chef als nächster Generalsekretär nominiert. Seit dem Sieg bei der Bundestagswahl Ende September war öffentlich vielfach der Eindruck aufgekommen, der nächste Kanzler habe in der Partei nahezu unbegrenzte Beinfreiheit, könne schalten und walten.

Selbst gestandene Ministerpräsidenten wie Stephan Weil verkündeten, über die künftigen SPD-Bundesminister etwa entscheide Scholz allein. An diesem Montag soll bekannt gegeben werden, wen die Partei für die sechs Ressorts Innen, Verteidigung, Gesundheit, Bauen, Entwicklung und Arbeit auserwählt hat. Als gesetzt gelten nur Hubertus Heil (bislang Arbeit), Svenja Schulze (bislang Umwelt) und Wolfgang Schmidt (Kanzleramtsminister).

Die Darstellung von „Olaf almighty“ gefällt nicht allen in der Führung. Nun hat die designierte Doppelspitze aus Saskia Esken und Lars Klingbeil eine erste eigene Duftmarke gesetzt. Ex-Juso-Chef Kühnert macht den nächsten Karriereschritt und wird Manager im Willy-Brandt-Haus, das damit politisch noch weiter nach links rücken dürfte. Das birgt Chancen und Risiken.

Kühnert ist das größte politische Talent der SPD

Unbestritten gilt Kühnert als größtes sozialdemokratisches Talent. Er ist ein starker Redner. Doch Generalsekretär einer Kanzlerpartei zu sein, erfordert mehr. Die SPD wird drei Machtzentren haben. Das Kanzleramt mit Scholz, die Bundestagsfraktion und die Partei. Manche Genossen treibt die Sorge um, dass der populäre und medienaffine 32-Jährige als Person quasi sein eigenes Machtzentrum wird. Klingbeil und Kühnert sind zwar Vertraute, auch Esken kann gut mit ihm. Doch beide Vorsitzende dürften alsbald die Erfahrung machen, dass Kühnert sie in den Schatten stellt. Damit werden alle Beteiligte umgehen müssen.

Kühnert selbst wird in jeder Talkshow und Pressekonferenz die Politik von Scholz verteidigen müssen. Die Penetranz, mit der Scholz selbst diese Aufgabe zu Agenda-Zeiten als Generalsekretär von Gerhard Schröder ausfüllte, trug ihm den Beinamen „Scholzomat“ ein.

Beim Juso-Bundeskongress vor einer Woche waren die Auftritte von Scholz und Kühnert keineswegs deckungsgleich. Scholz missfiel, wie Jungsozialisten die Koalition mit Grünen und FDP teils madig machten. Er fände es sinnvoller, „dass man sich mehr mit der Union beschäftigt als mit denen, mit denen wir jetzt hier den Aufbruch wagen wollen“. Scholz versah diese Bemerkung als „kleinen Tipp von mir“. Kühnert indes knöpfte sich die FDP vor. Als Leiter der Arbeitsgruppe Bauen und Wohnen habe ihn genervt, wie die Liberalen gebremst hätten.

Intern hat sich Kühnert in den Koalitionsverhandlungen mit viel Fleiß und Einsatz Respekt verschafft. Aus dem Revoluzzertum, das er als Juso-Chef und Groko-Gegner pflegte, ist er herausgewachsen. Seit mehr als eineinhalb Jahren führt er als Vize-Vorsitzender die 400.000 Mitglieder starke Volkspartei mit an. Mal eben aus der Hüfte gegen die Regierung schießen, den eigenen Kanzler mit einem Tweet ärgern, das wäre unprofessionell. Nichts hasst Kühnert mehr. Der Sozialist ist Vollprofi. 24 Stunden, sieben Tage lang lebt er Politik. Entspannung holt er sich bei Spielen seines Bundesliga-Vereins Arminia Bielefeld.

Im Wahlkampf im Berliner Stadtteil Tempelhof-Schöneberg klebte er Scholz-Wahlplakate. Bei einem gemeinsamen Auftritt reagierte er offensiv auf Vorbehalte gegenüber der neuen Allianz mit Scholz, den er 2019 maßgeblich als Vorsitzenden verhinderte. „Ist das eigentlich nur eine große Scharade in der SPD?“ Scholz und er inszenierten keine Handshake-Bilder, „wir kumpeln nicht rum“. Wie belastbar die Arbeitsbeziehung zwischen Kanzler und Jungstar ist, wird sich Woche für Woche zeigen.

Kühnerts Posten als SPD-Vize soll an den nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Thomas Kutschaty gehen. Gewählt wird die neue SPD-Spitze auf einem Parteitag am 11. Dezember. Für die weiteren Stellvertreterposten sind die saarländische SPD-Landeschefin Anke Rehlinger, die SPD-Vorsitzende aus Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, und Heil vorgesehen. Bereits an diesem Samstag werden die Delegierten auf einem größtenteils digitalen Parteitag über die Annahme des Koalitionsvertrages entscheiden.

Einmal...
5. Dezember 2021 - 12.22

...an der Macht wird er sich mit em Wiind drehen, sowie wir es von allen Politikern gewohnt sind.

HTK
5. Dezember 2021 - 10.39

Ein Senkrechtstarter wie einst der Kurz aus Osterlitsch.