Pavillon of DreamsDer Luxemburger Musiker Cleveland spricht über seine Residenz in Paris

Pavillon of Dreams / Der Luxemburger Musiker Cleveland spricht über seine Residenz in Paris
„Ist künstliche Intelligenz die Zukunft?“: Mit dieser Frage beschäftigt sich Clevelands Projekt „Pavillon of Dreams“ Foto: Anouk Flesch

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Vergangene Woche ging die dreimonatige Residenz des Luxemburger Musikers Andrea Mancini alias Cleveland in der „Cité internationale des arts“ in Paris zu Ende. Zu dieser Gelegenheit zeigte er das Resultat seiner Recherche zum Thema künstliche Intelligenz (KI) in intimer Atmosphäre in seinem Studio der „Cité“.

Mancini ist in Luxemburg aufgewachsen. Anschließend hat er in Brüssel erst Politikwissenschaft und dann Grafikdesign studiert. Während derselben Zeit stellte er sein zeitgenössisches elektronisches Musikprojekt Cleveland auf die Beine, mit dem er sich 2016 professionalisierte und seitdem international auftritt. Der 32-Jährige war zu Beginn des Jahres im „Casino Display“ in Residenz. Neben der Musikproduktion und -recherche kuratiert er für das luxemburgische Kunstkollektiv „Lagerkultur“ Auftritte von Künstlern.

Blick gen „Himmel“: Cleveland möchte visuelle Kunst und Musik miteinander kombinieren
Blick gen „Himmel“: Cleveland möchte visuelle Kunst und Musik miteinander kombinieren Foto: Anouk Flesch

Tageblatt: Worum geht es bei Ihrem Abschlusswerk?

Cleveland: Ich will meinen Prozess und meine Recherche zeigen. Es ist der erste Schritt eines größeren Projektes, das ich „Pavillon of Dreams“ nenne. Hier projektiere ich Bildmaterial an die Decke. Später soll es ein Pavillon geben, unter dem die Zuschauer auf dem Boden liegen und den „Himmel“ beobachten, so wie unsere Vorgänger es getan haben, um nach Antworten auf Fragen zu suchen, die sie nicht verstanden. Hier beschäftige ich mich mit der Frage „Ist künstliche Intelligenz die Zukunft?“. Das projektierte Video wurde mit KI generiert in einem Codingprozess, bei dem ich Schlüsselwörter und Parameter festlegte, nicht aber das Endresultat. Die KI generiert die Kunst. Meine Schlüsselwörter, die ich dem Buch „Ocean of Sound“ von David Toop entnommen habe, beschreiben Texturen, zum Beispiel „liquid metal“. Das ist der Link zur elektronischen Musik, von der ich komme.

Cleveland hat keine Angst vor KI und denkt, dass sie ein fester, interessanter Bestandteil unserer Zukunft sein wird
Cleveland hat keine Angst vor KI und denkt, dass sie ein fester, interessanter Bestandteil unserer Zukunft sein wird Foto: Anouk Flesch

Wie kombinieren Sie das Bildmaterial mit dem Ton?

Texturen haben mich schon immer fasziniert. Wenn ich Musik mache, geht es weniger um die Komposition als um die Soundmaterie. Bei diesem Werk habe ich den Sound mithilfe einer Maschine für das KI-generierte Bildmaterial komponiert und beide Dimensionen übereinandergelegt. Die dritte Dimension ist die literarische. Ich habe deshalb Auszüge aus „Ocean of Sound“ vorgelesen und aufgenommen. In der Endform des Projekts sollen es Live-Performances sein, bei denen ich den Text vorlese, aus dem die Schlüsselwörter für die KI stammen. Seit meinem Studium war es mein Traum, visuelle Kunst und Musik zu kombinieren.

Ist KI für Sie die Zukunft?

Ja, ich habe da wenig Angst. Auch wenn wir nicht genau wissen, wo sie uns hinbringt, bin ich optimistisch. Ich wollte mich damit beschäftigen, weil sie ein Aspekt der Zukunft ist, der immer präsenter wird.

Welche Projekte haben Sie für nach der Pariser Residenz?

Ich will dieses Pavillons auch in Luxemburg zeigen, habe aber noch nichts konkret in Planung. Ich bereite zudem ein kleines Projekt im Rahmen von „Esch2022“ vor, wofür ich hier mit der Aufnahme eines Albums begonnen habe. Ich würde auch gerne noch weitere Residenzen machen. Langfristig will ich mit meinem Projekt mehr finanzielle Stabilität erreichen.

Wie sehen Sie die Kulturszene in Luxemburg?

In Luxemburg gibt es viele Chancen, die man nutzen sollte. Das Land wird immer offener für Neues – es geht nicht mehr nur um Malereisammlungen. Mir gefällt, dass das Casino, die Escher Konschthal und das Performance-Programm des Mudam offen dafür sind, Risiken einzugehen, und nicht nur Publikumsrenner zeigen.

Was ist der Platz von „Lagerkultur“ in der luxemburgischen Kulturszene?

Sie stehen für progressive Kunst und Klubkultur. Außerdem fördern sie ihre Pluridisziplinarität. Denn Rave kann politisch sein: Es geht darum, offen zu sein und dass jede*r teilnehmen kann. Schaut man sich die Geschichte an, wird klar, dass alle großen Kunstbewegungen eng mit der Evolution der elektronischen Musik verbunden gewesen sind. Große Kunstinstitutionen wie das MOMA in New York oder das Palais de Tokyo beschäftigen sich viel mit elektronischer Musik. Warum sollte es das nicht auch in Luxemburg geben? „Lagerkultur“ bringt diese Kultur den Leuten näher.

Was bedeutet Kunst für Sie?

Freiheit. Ich bin eher introvertiert und Kunst ist meine Art, mich auszudrücken. Der Austausch mit dem Publikum ist zweitrangig, oft geniert es mich auch, ein Publikum vor mir zu haben. Musik ist meine Therapie.