TrierEin Jahr nach der tödlichen Amokfahrt hält die Stadt inne

Trier / Ein Jahr nach der tödlichen Amokfahrt hält die Stadt inne
„Wir gedenken der betroffenen Menschen vom 1. Dezember 2020“ steht auf der Gedenk-Plakette, die der Trierer Steinmetz Henning Wirtz erstellt hat und die jetzt neben der Porta Nigra installiert ist  Foto: dpa/Harald Tittel

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Am 1. Dezember 2020 wurden bei einer Amokfahrt in Trier fünf Menschen getötet und zahlreiche verletzt. Am Jahrestag wird der Opfer der Tat gedacht. Es wird ein schwerer Gang für Betroffene.

Trier hält inne. Ein Jahr nach der Amokfahrt mit fünf Toten und vielen Verletzten wird am 1. Dezember bei einer Gedenkveranstaltung an die Opfer erinnert. Und zwar auf die Minute genau: Um 13.46 Uhr – die Uhrzeit, als der Amokfahrer vor einem Jahr mit seinem Geländewagen in die Fußgängerzone einbog und Gas gab – werden die Glocken des Trierer Doms läuten. Vier Minuten lang, so lange wie die Todesfahrt in Trier dauerte. Dann folgt ein ökumenischer Gottesdienst im Dom, der besonders für die Opfer und deren Familien gedacht ist.

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Für Petra Lieser, die bei der Amokfahrt ihre Tochter Katja Lieser (25) verloren hat, wird es ein schwerer Gang. „Das ist einer von vielen furchtbaren Tagen“, sagt sie. Eigentlich sei im letzten Jahr jeder Tag „schwarz“ gewesen. Aber der Jahrestag werde natürlich besonders schlimm. Sie gehe zum Gottesdienst, „damit Katja nicht vergessen wird“. Und danach wolle sie sich zum ersten Mal seit einem Jahr an die Stelle wagen, an der ihre Tochter getötet wurde.

Bisher habe sie es wegen ihres Traumas noch nicht wieder in die Fußgängerzone geschafft. „Ich fühle mich jetzt auch nur stark genug, weil ich meinen Freundeskreis um mich weiß“, sagt die Leiterin einer Kindertagesstätte. Sie hofft, dass es an dem Ort, an dem die Jurastudentin aus dem Leben gerissen wurde, künftig eine sichtbare Erinnerung an ihre Tochter geben wird.

In den Wochen nach der Tat prägten über die Fußgängerzone verteilte Gedenkorte das Bild (Archivbild)
In den Wochen nach der Tat prägten über die Fußgängerzone verteilte Gedenkorte das Bild (Archivbild) Foto: Editpress/Frank Goebel

Bislang ist dies der zentrale Gedenkort für alle Opfer an der Porta Nigra: Eine Gedenkplakette mit dem Satz „Wir gedenken der betroffenen Menschen vom 1. Dezember 2020“ war am Freitag enthüllt worden. Bei der Tat starben neben Katja Lieser vier weitere Menschen: ein neun Wochen altes Baby, dessen Vater (45) und zwei Frauen im Alter von 73 und 52 Jahren. Im Oktober war zudem ein 77-Jähriger gestorben, der bei der Tat schwer verletzt worden war.

Der Amokfahrer war mit seinem Wagen durch die Fußgängerzone gerast und hatte in einem Zick-Zack-Kurs gezielt Menschen angefahren. Laut Polizei war er zeitweise mit Tempo 81 unterwegs. Als mutmaßlicher Täter steht seit dem 19. August ein 52-Jähriger vor dem Landgericht Trier. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Deutschen fünffachen Mord und versuchten Mord in 18 weiteren Fällen vor.

Der Angeklagte, der zuletzt arbeits- und wohnsitzlos war, äußert sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Petra Lieser, die als Nebenklägerin den Prozess verfolgt, sagt: „Natürlich ist es schlimm, ihn zu sehen. Und zu merken, dass er überhaupt keine Reue zeigt nach außen.“ Die Frage nach dem Warum werde sie auch weiter umtreiben. „Aber er wird nichts sagen“, meint sie. Nach vorläufiger Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen leidet der Mann an einer Psychose.

Der Gedenktag sei auch für die Einwohner von Trier wichtig, sagt Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD). Viele sagten, sie hätten zu dem Zeitpunkt ja auch in der Stadt sein können. Man merke in Gesprächen: „Die Amokfahrt ist präsent. Sie gehört zur Geschichte unserer Stadt.“ Ganz klar – der 1. Dezember 2021 werde „ein Tag der Trauer. Aber auch ein Tag, wo wir selbstbewusst sagen können: Trier hat es geschafft, mit dieser Tat umzugehen“, sagt Leibe.

Inzwischen hat der Bau von Hochsicherheitspollern begonnen
Inzwischen hat der Bau von Hochsicherheitspollern begonnen Foto: dpa/Birgit Reichert

Aus seiner Sicht sollte es auch künftig Gedenken an dem Jahrestag geben. Wie – das müsse man noch überlegen. Aber eine Möglichkeit zu erinnern, für die, die wollten, und ein Zeichen dafür, dass Trier zusammensteht: „Das sollten wir weitermachen in irgendeiner Form.“ Jüngst war eine Stiftung für Hinterbliebene und Opfer der Amokfahrt gegründet worden, die sich um die Verteilung der Spendengelder kümmert. Mehr als eine Million Euro Spenden waren eingegangen.

Für den Gottesdienst im Dom können wegen Corona nur rund 500 Plätze vergeben werden. Diese sind vor allem für Opfer und Angehörige sowie Rettungskräfte, Polizisten und Seelsorger gedacht. Zudem hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die in Trier zu Hause ist, ihr Kommen zugesagt. Damit aber alle, die wollen, die Veranstaltung verfolgen können, überträgt der Südwestrundfunk (SWR) sie live im Fernsehen.

Denn das Mitgefühl, die Trauer und die Solidarität sind in der Moselstadt immer noch groß. „Ich bin mir sicher: Hätten wir einen öffentlichen Gottesdienst im Dom, dann würden die Trierer Schlange stehen, um dort hingehen zu können“, sagt der Oberbürgermeister. Am Abend gibt es dann in der Trierer Konstantinbasilika noch ein Konzert, ein Requiem.