Parlamentarische FrageHier zu wenig Wohnraum, dort zu wenig Menschen: Das Saarland umwirbt Luxemburger

Parlamentarische Frage / Hier zu wenig Wohnraum, dort zu wenig Menschen: Das Saarland umwirbt Luxemburger
Der „kleine“ Grenzverkehr zwischen Schengen und Perl Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Politik entdeckt endlich die Großregion. Das könnte man aus der parlamentarischen Frage von Mars di Bartolomeo (LSAP) schlussfolgern. Er fragt beim Wohnungsbau- und Großregionsministerium nach der neuesten Idee, seinen Landsleuten im Saarland das Wohnen schmackhaft zu machen. Der saarländische Minister für Finanzen Peter Strobel (CDU) hat diesen Vorschlag gemacht. 

In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung gibt Finanzminister Peter Strobel am 20. September 2021 zu bedenken, dass das Saarland jährlich 5.000 Einwohner verliert, während Luxemburg kontinuierlich wächst und Wohnungsnot herrscht. Zudem sei der Wohnungsmarkt beim Nachbarn „maßlos überhitzt“.

Das mündet bei ihm in die Überlegung, man könne doch „gezielt mehr Möglichkeiten“ für Luxemburger schaffen, um sich in den Dörfern zwischen Perl und Saarlouis niederzulassen. Das ist entlang der Autobahntrasse, der „Saar-Autobahn“, die später in die „Collectrice du Sud“ mündet oder bei Bettemburg den Abzweig Richtung Brüssel und die Hauptstadt bietet.

Eine direkte Zugverbindung gibt es nicht, wie das Finanzministerium auf Anfrage des Tageblatt mitteilt. Es gibt nur eine mit Umstieg in Trier. Aber es existiert eine Buslinie von Saarbrücken Hauptbahnhof bis Luxemburg Hauptbahnhof, die für die Strecke 1 Stunde und 20 Minuten braucht. Aus dem Fahrplan ist ersichtlich, dass er durchfährt, also nirgendwo anhält. Voyages Emile Weber betreibt die Linie im Auftrag der CFL.

Bevölkerung schrumpft im Saarland 

Damit ist die erste „Möglichkeit“ gleich definiert: Wenn Luxemburger das Saarland als Wohnsitz für sich entdecken sollen, dann muss der öffentliche Nahverkehr zwischen beiden Ländern besser ausgebaut werden. Das betrifft nicht nur den in Richtung Hauptstadt, sondern auch Richtung Süden des Großherzogtums, wo es viele Arbeitsplätze und Grenzgänger gibt.

Außerdem müsste die Linie an den Wohnorten der neuen Einwohner halten, wo gleichzeitig Park&Ride-Plätze für die Pkws sind. All das gibt es bislang nicht. Nach den Vorstellungen des saarländischen Ministers sollen die  „Luxemburger Neusaarländer“ im Saarland wohnen und in Luxemburg arbeiten. In der Tat verliert das Saarland jährlich 5.000 Einwohner.

Zwischen 2000 und 2020 ist die Einwohnerzahl von rund 1, 07 Millionen Einwohnern auf rund 984.000 gesunken bei flächenmäßig fast gleicher Größe wie das Großherzogtum. Das gibt das Statistische Landesamt auf Anfrage des Tageblatt an. Grund seien Überalterung und damit Todesfälle. Dabei verzeichnet das Amt die größten Abwanderungen in der Altersklasse der 20- bis 25-Jährigen seit 2017.

Zuzüge aus Luxemburg machen es nicht wett

Zwar gibt es auch die Gegenbewegung, es siedeln sich Menschen an. Ausgleichen können sie den Verlust aber nicht. Nicht nur die Gemeinde Perl profitiert von der Grenznähe. Im gesamten Landkreis Merzig-Wadern, zu dem Perl, Merzig oder Weiskirchen gehören, gab es allein zwischen 2016 und 2019 insgesamt 2.248 Zuzüge aus Luxemburg. Tendenz: steigend.

Die knapp 31.000 Einwohner zählende Kreisstadt Merzig in Deutschland spürt das seit mehreren Jahren. Allein 2020 und 2021 haben rund 160 Personen aus Luxemburg die Stadt Merzig mit 16 Ortschaften als neuen Wohnort gewählt. 108 davon haben nach Angeben der Stadt die luxemburgische Staatsangehörigkeit. 2022 will Merzig  rund 25 neue Baugrundstücke erschließen, die in der Ortschaft Brotdorf ab 2023/24 dem Markt zur Verfügung stehen. 

Mars di Bartolomeo will in seiner Frage vom 15. November wissen, ob es seitens seiner Regierung und den Saarländern Abstimmungen dazu ab. Die Saarländer haben das schon verneint, da es dazu noch keine „Regelungen“ gibt, wie es aus dem Finanzministerium in Saarbrücken heißt. Außerdem will der LS AP-Politiker wissen, wie viele Landsleute in alle drei Nachbarländer, Frankreich, Belgien und Deutschland, abgewandert sind.

Mehr als 10.000 Luxemburger leben jenseits der Grenzen

Zahlen dazu liefert die Interregionale Arbeitsmarkt-Beobachtungsstelle in Saarbrücken. Sie schreibt auf ihrer Webseite: „Im Jahr 2021 lebten 12.440 in Luxemburg beschäftigte Personen mit luxemburgischer Staatsangehörigkeit in einem anderen Land der Großregion als ihrem Herkunftsland. Sie werden ‚atypische Grenzgänger’ genannt. Der größte Anteil von ihnen wohnt in Belgien (4.180), gefolgt von Frankreich (4.150) und schließlich Deutschland (4.110).“

Umgekehrt ist die Zahl der Saarländer, die nach Luxemburg auspendeln, zwischen 2009 und 2019 auf insgesamt 9.600 Personen angewachsen, heißt es bei der Beobachtungsstelle. Außerdem bringt di Bartolomeo die Idee ins Spiel, ein „Observatoire“ zu gründen, das Projekte wie diese verfolge. Das gab es schon mal.

Neben der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle, die es seit 20 Jahren gibt, hatte sich 2002 die Stiftung Forum Europa ganz der Großregion verschrieben. Eine Reihe von Studien, Tagungen und Pressebeiträgen stammen aus der Zeit bis 2014. Seit dem Weggang des damaligen Geschäftsführers Claude Gengler ruht das operative Geschäft.

Großregion hat ein Stiefmütterchen-Dasein 

Auf die parlamentarische Frage angesprochen muss der Geograf lachen: „Es freut mich, dass Abgeordnete die Großregion entdecken“, sagt er. „Die angesprochene Entwicklung gibt es aber schon seit 20 Jahren, immer wieder haben deutsche Kommunen entlang der Grenze gezielt Standortwerbung gemacht.“ Das Thema ist also nicht neu. Trotzdem könnte die Antwort ein Indiz dafür liefern, ob die Großregion in der Politik zukünftig aus ihrem Stiefmütterchen-Dasein herauskommt. 

Im schuldengeplagten Saarland geht es nicht nur um die Werbung für mehr Einwohner. Es geht um Geld. Daraus macht der Finanzminister keinen Hehl. Das Saarland verliert durch die schrumpfende Bevölkerung nach seinen Angaben jährlich 25 Millionen Euro sogenannter „Schlüsselzuweisungen“ des Bundes, also aus Berlin. Das sagt er in dem besagten Interview. Bleibt noch die Frage: Wie geht es den Kommunen damit? 

Es ist zwischen Weiskirchen und Saarlouis längst ein „Running Gag“, dass beim Hausverkauf vor allem Richtung Luxemburg geschielt wird. Während die Saarländer sich in dem Landstrich mit für sie astronomischen Preisen konfrontiert sehen, heißt es bei Verkäufern und Maklern: „Die Luxemburger zahlen das.“ Im Rathaus in Merzig bleibt diese Entwicklung nicht unbeobachtet. „Für saarländische ‚Normalverdiener’ wird es immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, ein Eigenheim zu bauen oder auch zu erwerben“, heißt es von dort auf Anfrage des Tageblatt.

Die Verantwortlichen verzeichnen seit Jahren einen zunehmenden „Druck“ auf den Wohnungs- und Grundstücksmarkt. Und sie denken weiter. Wenn sich Einheimische keine Baugrundstücke oder Häuser mehr leisten können, hat das noch andere Konsequenzen. Das Zusammenleben in dem zumeist dörflich strukturierten Landstrich rund um Merzig leidet. Zugezogene – egal, von woher sie kommen – sind immer weniger bereit, sich ins Dorfleben einzubringen. 

Romain
29. November 2021 - 13.27

Luxemburg sollte das Saarland aufkaufen somit ist einem jeden geholfen.