Prozess um den Tod einer Frau in DifferdingenViele Fragen bleiben offen

Prozess um den Tod einer Frau in Differdingen / Viele Fragen bleiben offen
Die ganze Welt ist eine Bühne: Der wegen des Todes seiner Frau beschuldigte R. sei ein Schauspieler, sagen die Experten, die ein psychiatrisches Gutachten des mutmaßlichen Täters erstellt haben. Foto: Editpress

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Früh morgens, im November 2019, stellt der Rettungsdienst den Tod einer 65-jährigen Frau fest. Ihr Ehemann wird angeklagt, dafür verantwortlich zu sein. Dieser streitet ab. Der Rechtsmediziner schließt einen natürlichen Tod quasi aus. Es spricht wenig zugunsten des Angeklagten. Genauso wenig spricht allerdings auch für seine Schuld.

„Wir haben Schwierigkeiten, zu verstehen und zu erklären, was hier passiert ist.“ Das sagt einer der drei Experten, die vom Gericht beauftragt worden waren, psychiatrische Gutachten von R. zu erstellen.

Der heute 70-jährige Mann wird beschuldigt, seine damals 65-jährige Frau im November 2019 in der gemeinsamen Wohnung in Differdingen getötet zu haben. Er soll sie nachts im Schlaf erstickt haben. Spuren eines Abwehrkampfes gibt es nicht. Zeugen auch nicht. Beide lebten alleine.

Einen natürlichen Tod der Frau hat der Rechtsmediziner am ersten Prozesstag nahezu ausgeschlossen. Ist also R. der Täter? Muss er es sein, weil er als Einziger infrage kommt? Doch warum hätte er es getan? Ein klares Tatmotiv ist nicht erkennbar.

Schauspieler

Am zweiten von insgesamt zwölf anberaumten Prozesstagen geht es am Freitag um die psychiatrischen Gutachten. Unterm Strich zeichnen sie ein je nach Sichtweise durchaus verstörendes Bild vom Angeklagten. Seit jungen Jahren sei er in psychiatrischer Behandlung. Er nehme Medikamente, sei dem Alkohol nicht abgeneigt, er habe vor 40 Jahren ein sexuelles Verhältnis zu seiner Schwiegermutter gehabt und er habe Kontakt mit Toten. Mit denen würde er reden. Sie hätten ihm auch aufgetragen, 2012 seine Frau zu töten. Das klingt in der Tat etwas irritierend. Relativiert wird es allerdings durch die Aussage der Experten, die sagen, dass R. eine Art Schauspieler sei. Das Leben sei seine Bühne und er eine wandelbare Figur darin.

Dem Prozessbeobachter drängt sich dabei trotzdem die Frage auf, wie eine solche psychiatrische Analyse wohl bei einer x-beliebigen Person aussehen würde. Denn aus psychiatrischer Sicht gibt es keine Gesunden, sagt einer der Experten am Ende der Sitzung. – Das gibt zu denken. Genauso, wie es zu denken gibt, dass sich aus allen Schilderungen der Gutachter keine Schuldzuweisung ergibt. Vieles scheint möglich. Sicher ist nichts. In anderen Worten: es gibt viele merkwürdig scheinende Zeitgenossen, Mörder oder Totschläger müssen sie deshalb nicht sein.

Zuungunsten von R. spricht allerdings ein Vorfall, der sich 2012 ereignet hat. Damals, so heißt es am Freitag vor Gericht, habe R. versucht, seine Frau zu ersticken. Es kam zu einer Wegweisung. Zu einer Trennung der Eheleute kam es nicht. Die Frau hat ihren Mann wieder aufgenommen. Danach vergingen viele Jahre bis zum nicht geklärten Tod von Frau C.

Wichtige Zeugenaussagen

Etwas irritierend wirkt zudem das Verhalten von R. am Morgen des 8. November 2019. Gegen 5 Uhr in der Früh habe er seine Frau leblos im Bett aufgefunden, sagt er. Dann trägt er Müll in den Keller, trinkt einen Campari, ruft die Tochter an, dann den Sohn, und erst dann den Rettungsdienst. Beim Müll handelt es sich um zwei Plastiktüten. Die habe er entsorgt, sagt R., weil er nicht in denselben Verdacht wie 2012 geraten wollte. Großes Fragezeichen: Was wollte R. damit sagen?

Man darf gespannt auf die Vernehmung von R. sein. Vorher werden aber noch zahlreiche Zeugen, darunter auch Familienangehörige, aussagen. Dabei dürfte es nicht nur um den Charakter von R. gehen. Es könnte um eine Schwester des Beschuldigten gehen, die Selbstmord begangen hat. Es könnte um die Tochter gehen, die unter noch genauer zu klärenden Umständen zu Tode gekommen ist, während der Vater in Untersuchungshaft gesessen hat. Und es könnte um den Sohn gehen. Dieser arbeitet bei der Polizei. Das Verhältnis zum Sohn scheint unseren Informationen zufolge nicht konfliktlos zu sein.

Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.

Incrédule
27. November 2021 - 12.58

Campari moies um 5 ?