Rumänien / Große Koalition aus Sozialisten und PNL übernimmt das Ruder
Am Donnerstag ist Rumäniens neue große Koalition der sozialistischen PSD und der konservativen PNL vereidigt werden. Mit Präsident Klaus Johannis hat ausgerechnet der frühere Hoffnungsträger für einen Reformaufbruch der PSD zurück an die Macht geholfen – und die ihm nahestehende PNL tief gespalten.
Einst küssten sie sich, dann schlugen sie sich – und jetzt sind Rumäniens vermeintliche Erzfeinde der sozialistischen PSD und der konservativen PNL wieder vereint: Mit 318:126 Stimmen ist am Donnerstag der bisherige Verteidigungsminister Nicolae Ciuca (PNL) vom Parlament zum vorläufig neuen Premier der großen Koalition von Rumäniens berüchtigten „Systemparteien“ mit der ungarischen UDMR gewählt worden: Bereits von 2011 bis 2014 waren die vermeintlichen Erzfeinde PSD und PNL in dem Parteienbündnis USL vereinigt.
Der PSD fallen die wichtigsten Schlüsselressorts zu. Die PNL wird hingegen in der ersten Hälfte der noch drei Jahre langen Legislaturperiode den Premier stellen. Bis Juli 2023 soll Ciuca die Regierungsgeschäfte führen, bevor er seinen Posten nach dem vereinbarten Rotationsprinzip für einen PSD-Nachfolger zu räumen hat. Doch in den Reihen der zerrissenen und in den Umfragen tief gefallenen PNL kommt über den neuen Partner nicht nur Begeisterung auf.
Als „zutiefst unmoralisch und prinzipienlos“ bezeichnet der PNL-Europaabgeordnete Dan Montreanu den Regierungspakt mit der PSD: PNL-Chef Florin Citu habe „jede Autorität verspielt“ und sollte abtreten. „Lügen, Fehler und Verantwortungslosigkeit“ und zu viele Zugeständnisse an die PSD wirft auch die PNL-Politikerin Raluca Turcan dem Parteichef vor, der nun auf den Posten des Senatsvorsitzenden gerutscht ist: Citu habe den Willen der PNL-Wähler „völlig missachtet“.
„Für mich ist die PNL ab heute tot“, hatte der Ex-Premier und erst im September als PNL-Chef abgelöste Ludovic Orban bereits zu Wochenbeginn die Entscheidung der PNL-Führung kommentiert, als Juniorpartner mit der PSD ins Koalitionsboot zu steigen. Die Schuld am „Untergang der PNL“ schreibt der gemeinsam mit 15 weiteren PNL-Abgeordneten aus der Partei ausgetretene Orban nicht nur Parteichef Citu zu, sondern auch dem Präsidenten: Johannis habe die PNL „in die Sackgasse manövriert“.
Tatsächlich gilt der der PNL nahestehende Staatschef als Architekt der Wiederauflage des Bündnisses mit der von ihm lange verteufelten PSD. Noch vor Jahresfrist hatte Johannis die PSD als korrupte Partei der „roten Barone“ geschmäht, die nur den eigenen Parteiinteressen diene und gezeigt habe, dass sie „nicht in der Lage ist, sich zu ändern“. Eine Zusammenarbeit mit der PSD sei „ausgeschlossen“, da es deren einziges Interesse sei, „an die staatlichen Ressourcen zu gelangen“: „Die PNL ist der Motor des Wandels, die PSD der Förderer einer toxischen Politik.“
Konservative PNL tief gespalten
Er sei „zufrieden“, dass die neue Koalition über eine „solide Mehrheit“ verfüge, sagt Johannis nun. Tatsächlich dürften sich die wenigsten PNL-Wähler bei der Parlamentswahl vor knapp einem Jahr ein Bündnis mit der PSD erhofft haben: Von 2016 bis 2019 hatten sich die damals oppositionelle PNL und Staatschef Johannis heftig den Versuchen der rasch wechselnden PSD-Regierungen widersetzt, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bekommen. Doch mit Johannis hat zur Enttäuschung von vielen seiner einstigen Wähler nun ausgerechnet der frühere Hoffnungsträger für einen Reformaufbruch die Rolle des Steigbügelhalters für die PSD übernommen.
Gemeinsam mit dem von ihm an die Spitze der Partei bugsierten Ex-Premier Citu hatte Johannis im September den frühen Bruch der gescheiterten Reformkoalition der PNL mit der unbequemen Antikorruptionspartei URS forciert. Doch für die von ihm anvisierte Minderheitsregierung der PNL ließ sich im Parlament keine Mehrheit finden. Stattdessen hat Johannis der PSD den Weg zurück an die Futtertröge der Macht gebahnt, seinem Land auf dem Höhepunkt der Pandemie eine wochenlange Regierungskrise beschert – und die vom Senior- zum Juniorregierungspartner degradierte PNL tief gespalten.
Nicht nur die Umfragewerte der PNL, sondern auch die des Präsidenten sind in den letzten Krisenwochen in den Keller gerutscht, die der PSD und der nationalistischen AUR hingegen kräftig gestiegen. 78 Prozent der Befragten bescheinigten dem Präsidenten in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage, in der Krise „eher schlecht“ agiert zu haben – einen noch schlechteren Wert weist mit 89 Prozent nur der völlig in Diskredit geratene PNL-Chef Florin Citu auf.
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