Covid-19Schweigeminute der weißen Kittel: „Die Gefahr ist real – das Virus tötet Menschen!“

Covid-19 / Schweigeminute der weißen Kittel: „Die Gefahr ist real – das Virus tötet Menschen!“
„Impfe wierkt“, sagen nicht nur die Mitarbeiter der Robert-Schuman-Krankenhäuser. Im ganzen Land haben sich Ärzte, Krankenpfleger und andere Mitarbeiter am Donnerstag für die Impfung starkgemacht. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Mit einer „Schweigeminute der weißen Kittel“ haben Luxemburger Krankenpfleger und Ärzte am Donnerstag ein deutliches Zeichen für die Solidarität im Kampf gegen die Pandemie gesetzt. Um Punkt 12 haben sich die Mitarbeiter der Gesundheitsberufe vor den Krankenhäusern des Landes eingefunden, um eine Botschaft zu vermitteln: „Impfen wirkt!“

Schweigend stehen rund 50 Krankenpfleger, Ärzte und andere Mitarbeiter vor dem „Centre hospitalier du Nord“ (CHdN) in Ettelbrück und halten den Anwesenden ihre Botschaft entgegen: „Yes we care“ steht auf den Plakaten und „Impfe wierkt“. Die mit weißen Kitteln bekleideten Mitarbeiter des Krankenhauses haben sich in einem Halbkreis aufgestellt, um der Schweigeminute noch mehr Gewicht zu verleihen. Viele haben demonstrativ die Arme ausgestreckt, alle tragen sie Maske. Ausnahmslos.

Mund-Nasen-Schutz, Mindestabstände und nicht zuletzt auch die Impfung: Für die Teilnehmer der landesweiten „Schweigeminute der weißen Kittel“ sind die Vorteile der Schutzmaßnahmen unumstritten. „Wir wollen die Menschen in Luxemburg daran erinnern, dass diese Maßnahmen wirken“, erklärt ein Krankenpfleger. „Hätten wir nicht ein Krankenhaus zu betreiben, wären noch mehr Kollegen gekommen, um ihren Bedenken Ausdruck zu verleihen.“

Sorgen bereiten ihm nicht nur die steigenden Infektionszahlen, sondern auch die ablehnende Haltung mancher Menschen gegenüber der Impfung und anderen Maßnahmen. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche Mitarbeiter der Gesundheitsberufe am Donnerstag dazu entschlossen, dem Aufruf einer Handvoll Kollegen zu folgen und vor dem Eingangsbereich der jeweiligen Krankenhäuser ein deutliches Zeichen für mehr Solidarität zu setzen.

„Pandemie ist kein Hirngespinst“

Gehör wollen sich die Ärzte und Krankenpfleger mit der Schweigeminute verschaffen. Denn: „Die Pandemie ist kein Hirngespinst. Die Gefahr ist real. Das Virus ist gefährlich und tötet Menschen“, unterstreicht Dr. Marco Klop. „Die Infektionszahlen steigen, die Intensivstationen füllen sich mit Covid-Patienten, Österreich ist im Lockdown und Bayern ist auch nicht weit davon entfernt“, resümiert der Spezialist für Anästhesie, Reanimation und Notfallmedizin die prekäre Lage.

„Wir sind dabei, gegen eine Mauer zu rennen“, so der Arzt aus der Zithaklinik. Deshalb habe er sich am Wochenende dazu entschlossen, diese Aktion ins Leben zu rufen. Dank der sozialen Medien konnten innerhalb kürzester Zeit nicht nur Kollegen aus allen Krankenhäusern des Landes mobilisiert werden, sondern auch Sympathisanten aus anderen Bereichen der Luxemburger Gesundheitsbranche, wie dem CGDIS, den Impfzentren und dem „Rehazenter“ auf dem Kirchberg.

Tatsächlich wurde die Schweigeminute am Donnerstag nicht nur in den Krankenhäusern beachtet. Auch Mitarbeiter der Luxemburger Rettungsdienste hatten landesweit ihre Solidarität mit den Krankenpflegern und Ärzten unter Beweis gestellt, während die Belegschaft des hauptstädtischen Impfzentrums ihre Arbeit ebenfalls um Punkt 12 eine Minute lang ruhen ließ. „Es war eine flächendeckende Aktion der Basis“, schlussfolgert Dr. Klop, der sich gleichzeitig über die Rückendeckung aus anderen Branchen freute.

„Hier stehen Leute, die täglich mit dem Virus kämpfen. Wir sehen, was eine Covid-Erkrankung mit dem Körper anstellt. Wir sind es, die um das Leben der Patienten ringen und bei einem Misserfolg den Familien die traurige Nachricht überbringen müssen. Dabei setzen wir auch unser eigenes Leben aufs Spiel“, betont indessen eine Teilnehmerin vor dem Ettelbrücker Krankenhaus.

Sie verstehe nicht, warum manche Menschen Ärzten und Krankenpflegern keinen Glauben schenken: „Wenn einer es wissen sollte, dann wir. Eigentlich müssten auch misstrauische Menschen einsehen, dass wir aus Erfahrung sprechen. Stattdessen hören sie auf Verschwörungstheoretiker und in Weiß gekleidete Impfskeptiker, die alle zwei Wochen vor der Abgeordnetenkammer nach Freiheit rufen.“ Es sei deshalb wichtig und richtig, dass sich nun endlich auch Mitarbeiter aus der Gesundheitsbranche zu Wort melden: „Zu lange haben wir den Corona-Leugnern und Impfskeptikern das Feld überlassen“, meint die Krankenpflegerin achselzuckend.

Vor allem eine Botschaft wollen die Teilnehmer mit der Schweigeminute vermitteln. Und die lautet: Die Impfung wirkt! „Ja, auch ein geimpfter Mensch kann sich mit dem Virus infizieren. Doch der Verlauf ist weitaus harmloser. Fakt ist: Die Impfung schützt!“, so Dr. Klop, der nicht alle Impfskeptiker in einen Topf mit Verschwörungstheoretikern werfen möchte: „Manche Menschen haben einfach Angst“, so seine Schlussfolgerung.

Nicht alle Impfskeptiker seien immun gegen Argumente. Eine ordentliche Aufklärung wünsche er sich, die den Betroffenen vermittelt, dass sie vor der Impfung nichts zu befürchten haben: „Gefährlich ist nicht das Vakzin, sondern das Virus selbst!“, unterstreicht Dr. Klop. „Vor allem, was die Langzeitschäden betrifft, kann das Virus die Menschen schwer beeinträchtigen.“

Die Mitglieder der Luxemburger Rettungsdienste zeigten sich ebenfalls solidarisch mit der Aktion. CGDIS-Direktor Paul Schroeder hatte sämtliche Einsatzzentren dazu eingeladen, an der Schweigeminute teilzunehmen.
Die Mitglieder der Luxemburger Rettungsdienste zeigten sich ebenfalls solidarisch mit der Aktion. CGDIS-Direktor Paul Schroeder hatte sämtliche Einsatzzentren dazu eingeladen, an der Schweigeminute teilzunehmen. Foto: Editpress/Alain Rischard

Eine Frage der Solidarität

Als Gegenpol zur „Marche blanche“ der Impfgegner will der Mediziner die Schweigeminute der weißen Kittel aber nicht sehen: „Wir wollen weder polemisieren noch polarisieren“, betont der Anästhesist. Es gehe vielmehr darum, eine Botschaft aus Sicht jener Personen zu vermitteln, die täglich mit der Pandemie konfrontiert werden, und jenen Menschen die Angst zu nehmen, die noch irgendwelche Zweifel an einer Impfung hegen.

„Die Impfung ist eine Frage der Solidarität“, meint auch ein Krankenpfleger des CHdN. „Viele Impfskeptiker reden von Freiheit. Dabei endet die Freiheit des Einzelnen dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Jeder Mensch hat die Pflicht, seinen Nächsten nicht in Gefahr zu bringen. Ob direkt durch eine Verbreitung des Virus oder indirekt, indem wichtige Ressourcen veranschlagt werden, die man durch einen milderen Verlauf der Krankheit nicht gebraucht hätte.“

Dr. Marco Klop weist im Gespräch mit dem Tageblatt ebenfalls auf die sogenannten Kollateralschäden hin. Intensivstationen seien nämlich ein wichtiger Bestandteil der Krankenpflege, insbesondere bei schweren Krankheiten, Schlaganfällen und wichtigen Operationen, nach denen Patienten noch einige Zeit in intensiver Pflege überwacht werden müssen. Gerade die Intensivstationen werden bei steigenden Infektionszahlen aber ans Limit geführt. Dabei könnten gerade schwere Krankheitsverläufe bei Covid mit einer Impfung weitgehend vermieden werden.

WHO und ECDC: Impfstoff rettet Leben

469.186 Leben sollen aufgrund der Covid-19-Impfung gerettet worden sein – und das in nicht einmal einem Jahr. Das geht aus einer gemeinsamen Studie des „World Health Organization“-Regionalbüros für Europa (WHO) und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Eurosurveillance publiziert wurde. Die  Schätzung bezieht sich auf die 33 Länder der europäischen Region und auf die Altersgruppe der über 60-Jährigen. Auch nicht mit inbegriffen sind all jene Leben, die durch den indirekten Effekt der Impfung, also aufgrund einer verringerten Übertragung des Virus, bewahrt worden sind.
Der WHO-Regionaldirektor für Europa, Dr. Hans Henri P. Kluge, sagt: „Covid-19 hat in unserer Region einen verheerenden Blutzoll gefordert, aber wir können jetzt kategorisch sagen, dass ohne die Covid-19-Impfstoffe viel mehr Menschen gestorben wären.“ Die Studie habe gezeigt, dass die Impfstoffe ihre Versprechen halten würden – nämlich Leben zu retten und vor schweren Erkrankungen und dem Tod zu schützen.
Seit Dezember 2019 seien über 1,5 Millionen Covid-Sterbefälle registriert worden – 90,2 Prozent davon in der Altersgruppe der über 60-Jährigen, heißt es in der Pressemitteilung des ECDC vom Donnerstag. Laut der Studie habe die Impfung „die erwartete Zahl der Todesfälle um etwa die Hälfte reduziert“. In 30 Ländern, seien auch Daten für kleinere Altersgruppen verfügbar gewesen. Demnach seien die meisten Todesfälle in der Alterskategorie der über 80-Jährigen vermieden worden – insgesamt 261.421. (dpa)

In anderen Teilen Europas seien manche Krankenhäuser bereits dazu übergegangen, wichtige Operationen auf Eis zu legen, weil die Intensivstationen mit Covid-Patienten belegt sind. Welche Folgen eine verzögerte Pflege haben kann, zeige der Lockdown im April letzten Jahres: „Viele Leute konnten nicht mehr zum Arzt, diagnostische Interventionen wie Koloskopien und Gastroskopien wurden verlegt. Krebsleiden wurden mitunter sechs bis acht Monate zu spät entdeckt“, so der Arzt.

In manchen Fällen sei die Krankheit bereits so weit fortgeschritten gewesen, dass nicht mehr operiert werden konnte. „Diese Patienten sind inzwischen gestorben“, sagt Dr. Klop. „Diese Verluste könnten wir verhindern, wenn sich die gesamte Bevölkerung solidarisch verhält und die Impfung akzeptiert.“

HTK
26. November 2021 - 9.10

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