StaatsfinanzenRechnungshof warnt vor den Folgen des Klimawandels und fordert einen Fonds für Naturkatastrophen

Staatsfinanzen / Rechnungshof warnt vor den Folgen des Klimawandels und fordert einen Fonds für Naturkatastrophen
Es ist dringend notwendig, den ökologischen Wandel zu beschleunigen, um die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise abzumildern, mahnt der Luxemburger Rechnungshof Foto: Editpress-Archiv

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Die Luxemburger „Cour des comptes“ macht sich Sorgen um den stetigen Anstieg der Staatsschulden. In ihrem Avis zu den Finanzplänen der Regierung erinnert sie daran, dass es nach der Covid-Krise auch noch eine Klimakrise zu bewältigen geben wird.

Der Luxemburger Rechnungshof lobt die Regierung für ihre Maßnahmen, mit denen sie der Wirtschaft und den Haushalten geholfen hat, durch die Corona-Krise zu kommen. Gleichzeitig warnt sie jedoch, dass nach dem „deutlichen Anstieg der Staatsverschuldung“ der letzten paar Jahre die Entwicklung der Verschuldung nun genau überwacht werden muss.

„Angesichts des realen Risikos neuer Gesundheits-, Umwelt- oder Finanzkrisen in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten“, müsse „bereits jetzt über die Entwicklung einer mittelfristigen Strategie nachgedacht werden“, schreibt die Behörde. Es gelte, „aus der Spirale der Staatsverschuldung auszubrechen“.

Seit 2008 ist Luxemburgs Staatsverschuldung in absoluten Zahlen fast ununterbrochen gestiegen. Und gemäß den Prognosen der Regierung sollen die Staatsschulden auch in den kommenden Jahren weiter steigen. 

Schlussendlich gehe es darum, die Handlungsfreiheit der Regierung bei Investitionen zu erhalten und die Widerstandsfähigkeit des Landes gegenüber neuen Krisen zu gewährleisten, so die „Cours des comptes“.
Eine Katastrophe hat die Behörde dabei besonders im Blick: die Klimakrise. Im Rahmen seines diesjährigen Avis zu den Staatsfinanzen hat sie dem Klimawandel und seinen Folgen sogar ein ganzes Kapitel gewidmet.

Immer mehr Naturkatastrophen

Die Entwicklung der Zahl der Naturkatastrophen
Die Entwicklung der Zahl der Naturkatastrophen Screenshot: Avis der „Cour des comptes“ 

Die Folgen der menschengemachten globalen Erwärmung zeigen sich in verheerenden Überschwemmungen, häufigeren Hurrikanen, historischen Waldbränden, Rekordtemperaturen, die zu extremen Hitzewellen und Dürren führen, dem raschen Zusammenbruch der Eiskappen und dem Anstieg des Meeresspiegels, zitiert der Rechnungshof aus einer ganzen Reihe Studien. Historische Klimaereignisse werden in Zukunft häufiger und intensiver auftreten, warnt der Rechnungshof.

Vor allem ein Nichthandeln gegen die globale Erwärmung hätte dramatische Folgen für die gesamte Wirtschaft, warnt die „Cour des comptes“. Sektoren wie die Land- und Forstwirtschaft und der Tourismus seien besonders anfällig für Klimakatastrophen, da sie auf ein stabiles Klima angewiesen sind.

Auch nimmt die Zahl der Naturkatastrophen nicht nur zu, die Vorkommnisse werden auch teurer. „In Luxemburg haben sich Naturkatastrophen in den letzten sechs Jahren signifikant vermehrt und intensiviert“, schreibt die Behörde. Die Aussage untermauert sie mit dem Umfang der Mittel, die zur Deckung der durch Klimaphänomene verursachten Kosten bereitgestellt wurden. (siehe Kasten)

Eine echte Gefahr für die öffentlichen Finanzen

Versicherungen spielen für Haushalte und Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Minderung der Risiken von Klimakatastrophen, hebt die „Cour des comptes“ weiter hervor. Während es vor 2017 hierzulande keine Möglichkeit gab, sich gegen Überschwemmungsrisiken abzusichern, so haben die Versicherer, nach den Klimakatastrophen der letzten Jahre, die Deckung ausgeweitet, indem sie die Entschädigungszahlungen von bis zu 20.000 Euro für Bewohner in Überschwemmungsgebieten und von bis zu 200.000 Euro für Bewohner in nicht überschwemmungsgefährdeten Gebieten einführten. Da die Versicherungen jedoch nur einen Teil der tatsächlichen Schäden abdecken, muss der Staat die Schadensfälle übernehmen, bei denen diese Schwellenwerte überschritten werden, um so die sozialen Auswirkungen von Naturkatastrophen abzumildern, schreibt die Behörde.

Neben den direkten Kosten von Naturkatastrophen können noch erhebliche Einkommens- oder Produktivitätsverluste hinzukommen, heißt es im Bericht weiter. So muss beispielsweise ein Land, das mit einer Verschlechterung seiner Infrastruktur konfrontiert ist, einen Rückgang seiner Einnahmen hinnehmen. Weltweit sei, Schätzungen zufolge, bei Nicht-Handeln ein starker Einbruch der Wirtschaftsleistung und ein Verlust von Millionen Arbeitsplätzen zu befürchten, ist im Avis zu lesen.

Die Klimakrise wird dem Staat zusätzliche Kosten verursachen, die die öffentlichen Finanzen in den kommenden Jahren zunehmend belasten werden, schlussfolgert der Rechnungshof. Die Klimakrise stelle damit eine echte Gefahr für den Fortbestand unserer öffentlichen Finanzen dar.

Am schlimmsten für sozial benachteiligte Haushalte

„Unverhältnismäßig stark“ würden derweil sozial benachteiligte Haushalte getroffen werden, so die Behörde weiter. Zahlreiche Studien besagten, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen bereits heute stärker von Umweltverschmutzung, Schmutz, steigenden Durchschnittstemperaturen, Lärmbelastung, Luftverschmutzung und Innenraumverschmutzung (Schimmel und Feuchtigkeit) betroffen sind.
Die Folgen des Klimawandels treffen Menschen mit niedrigem Einkommen sowohl direkt als auch indirekt, schreibt die Behörde. Direkt durch die Verringerung und/oder Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen (Ernteausfälle, Zerstörung von Lebensräumen usw.) und indirekt, z. B. durch höhere Lebensmittel- oder Energiepreise.

Aus all diesen Gründen ergeben sich für den Rechnungshof eine Reihe Empfehlungen an die Regierung. Unter anderem rät er zur Einrichtung eines Sonderfonds zur Finanzierung von Schäden durch Naturkatastrophen, der die Absorptionsfähigkeit unserer Wirtschaft gegenüber solchen Ereignissen stärkt. Es gehe auch darum, Mittel zu mobilisieren, die es ermöglichen, die Opfer schnell zu unterstützen, ohne den Staatshaushalt zu sehr zu belasten, so die Behörde.

Die Einrichtung eines solchen Fonds für Opfer der Klimakrise hätte zudem den Vorteil, dass die Kosten im Zusammenhang mit dem Klimawandel transparenter würden und die Überwachung und Bewertung dieser Ausgaben vereinfacht würde.

Sonderfonds und Sondersteuer

Der Rechnungshof schlägt darüber hinaus vor, das Kapital des 2014 geschaffenen „Fonds souverain intergénérationnel du Luxembourg“ (aktuell 398 Millionen Euro) für diesen Zweck zu verwenden. Mission des Fonds ist es, Erträge zu erwirtschaften und diese zum Wohlergehen künftiger Generationen zu verwenden.

Darüber hinaus vergleicht der Rechnungshof die aktuelle Situation mit der Luxemburger Volkswirtschaft nach der Stahlkrise. Die „Cour des comptes“ wirft die Frage auf, ob Luxemburg nicht vielleicht eine ähnliche Sondersteuer, wie damals die „Contribution nationale d’investissement“ (auch „Arbed-Steuer“ genannt), brauche. Die Erlöse der Steuer könnten genutzt werden, um den strukturellen Wandel zu finanzieren, um die am stärksten verschmutzenden Sektoren während der Dekarbonisierungsphase zu unterstützen, und um steigende Arbeitslosenzahlen und zunehmende Armut zu vermeiden.

Eine andere Idee, die dem Rechnungshof gefällt, wäre ein von der deutschen Industriegewerkschaft IG-Metall angedachtes „Transformationskurzarbeitergeld“. Diese staatliche Unterstützung würde es Unternehmen, die sich in einer Umstrukturierungsphase befinden, um auf sauberere Produktionsmodelle umzusteigen, ermöglichen, ihre Mitarbeiter zu halten. Während des Übergangs würden diese Arbeitnehmer dieses Transformationskurzarbeitergeld erhalten und würden geschult werden, um die Fähigkeiten zu erwerben, die erforderlich sind, um während der Transformationsphase des Unternehmens nachhaltige Güter auf umweltfreundliche Weise herzustellen.

Keine Kosten, sondern Zukunftsinvestitionen

Es geht nicht darum, den Kampf gegen den Klimawandel gegen die Sozialpolitik auszuspielen, so die Behörde. Denn in Wirklichkeit handle es sich um zwei untrennbare Facetten des ökologischen Übergangs. Tatsächlich stelle der Energiewandel eine Investition zugunsten der sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen dar, die derzeit am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, die aber letztendlich die ersten Nutznießer der positiven externen Effekte sein werden, schlussfolgert der Rechnungshof. Die für den grünen Wandel erforderlichen öffentlichen Ausgaben seien demnach keine Kosten, sondern Investitionen in die Zukunft.

Warnen tut die Behörde, angesichts der Dringlichkeit des Klimaschutzes, sich nicht durch kurzfristige Erwägungen blenden zu lassen. Dabei denkt sie an die aktuelle Energiekrise und die zahlreichen Debatten darüber, wie sich die Regierung angesichts des Preisanstiegs bei Gas, Öl und Strom positionieren soll. Es sei wohl wichtig, sozial benachteiligte Menschen durch gezielte und spezifische Ausgleichsmaßnahmen zu unterstützen, so der Rechnungshof. Aber in diesem Stadium der Klimakrise sei es entscheidend, das langfristige Ziel der CO2-Neutralität nicht aus den Augen zu verlieren.

„Es liegt in der Verantwortung des Staates, das richtige Gleichgewicht zwischen dem krisenbedingten Eingreifen und der Verpflichtung, die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, zu finden“, hatte der Rechnungshof bereits letztes Jahr in ihrem Avis hervorgehoben. 

Die „Cour des comptes“ ist ein von der Regierung unabhängiges Organ, dessen Aufgabe es ist, die Haushalts- und Wirtschaftsführung der öffentlichen Verwaltung auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen.

Hohe Kosten

Die Überschwemmungen im Ernztal (2016) kosteten den Staat 30 Millionen Euro. Für die Überschwemmungen im Juli 2021 musste er derweil 100 Millionen Euro auf den Tisch legen. Teuer war es auch für die Versicherungsgesellschaften: Bei den Überschwemmungen im Ernztal zahlten sie sieben Millionen Euro; bei den Überschwemmungen im Juli 2021 waren es bereits 125 Millionen Euro.

Entwicklung der Schulden des Luxemburger Staates
Entwicklung der Schulden des Luxemburger Staates

Weitere „Avis“ zum Staatshaushalt:

Arbeitnehmerkammer CSL kritisiert fehlende Ambitionen des „Budget“ – LINK

Handwerkskammer kritisiert „einen zögerlichen Staatshaushalt“ – LINK

Kurz- und mittelfristig gut, aber langfristig hohe Risiken, sagt der nationale Finanzrats CNFP – LINK

Beamtenkammer fordert, die Regierung solle handeln, anstatt nur zu reden – LINK

Ein Staatshaushalt, der den Herausforderungen nicht gerecht wird, sagt die Handelskammer – LINK

Sepp
26. November 2021 - 12.33

Und was ist mit der Wohnungskrise?