Gesellschaft„Granny Au-pair“:  Trotz Grauzone ist Strafe fällig

Gesellschaft / „Granny Au-pair“:  Trotz Grauzone ist Strafe fällig
Für den Aufenthalt von „Granny Au-pairs“ in Luxemburg gibt es keine Regelungen Foto: AFP/Lionel Bonaventure

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Die Geschichte von Samir Tanios (60) klingt wie ein Krimi aus dem realen Leben. Ausgerechnet er, der Wert auf korrektes Handeln legt und seiner Tochter Ehrlichkeit vermittelt, hat Schwierigkeiten. Seit Monaten steht er inmitten eines Konflikts mit der „Inspection du travail et des mines“ (ITM). Sie wirft ihm illegale Beschäftigung und Missachtung des „Code de travail“ vor. Die Strafe dafür beträgt 2.500 Euro. 

Tanios ist seit der Geburt seiner Tochter alleinerziehend. Bis 2017 ist sein Leben zwischen Arbeit und Betreuung geregelt. Seine Mutter versorgt die heute elfjährige Tochter. Er selbst arbeitet als Chef der Buchhaltung in Vollzeit und in verantwortlicher Position. Als die „Bomi“ stirbt, engagiert er Au-pairs. 

Das hilft, entspricht aber nicht den Bedürfnissen seiner Tochter. „Sie hat nach dem Tod meiner Mutter die Zuwendung einer lebenserfahrenen Frau vermisst“, sagt er. Tanios erfährt von „Granny Aupair“, einer in Hamburg ansässigen Agentur. Sie vermittelt Frauen im Rentenalter in Familien. Im Februar 2020 fängt die erste „Granny“ bei ihm in Düdelingen an. Weitere Frauen kommen – meist für drei Monate.

Sie arbeiten 25 Stunden die Woche, haben eine ganze Etage in seinem Haus für sich, ein eigenes Auto, essen täglich mit und begleiten Vater und Tochter sogar in den Urlaub. An Wochenenden und Feiertagen haben sie grundsätzlich frei und bekommen ein Taschengeld. Bis hierhin deckt sich das mit dem, was das Außenministerium in der aktualisierten Fassung des Gesetzes von 2013 fünf Jahre später für Au-pairs in Luxemburg festlegt.  

Alle gesetzlichen Regeln beachtet 

 „Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25 Stunden; ein Au-pair hat Anspruch auf drei freie Abende sowie mindestens einen ganzen freien Tag pro Woche, zusätzlich dazu zwei freie Tage pro Monat.“ Das teilt das heute dafür zuständige Bildungsministerium auf Anfrage des Tageblatt mit. Nicht nur das trifft im Haushalt Tanios zu.

Der Hausherr zahlt Taschengeld und stellt freie Kost und Logis zur Verfügung. Korrekt, wie er ist, meldet er die Grannies bei der Gemeinde an. Patricia Rizzuti-Kunfermann (48) aus der Schweiz hat ab Februar 2021 für vier Monate zugesagt. Sie hat sich als Krankenschwester in der Schweiz „Congé sans soldes“ genommen und bei der Agentur „Granny Aupair“ angemeldet. 

„Für mich war es eine große Chance, ein neues Land und eine andere Sprache kennenzulernen und gleichzeitig Familienanschluss zu haben“, sagt sie in einem Telefonat mit dem Tageblatt. Nachdem Tanios sie bei der Gemeinde angemeldet hat, bekommt er einen Anruf aus dem Außenministerium. Er befinde sich in einer „Grauzone“, teilt man ihm mit. Ältere Frauen, die wie junge Au-pairs ins Ausland gehen, um in Familien zu helfen, sind dort unbekannt.

Unangemeldeter Hausbesuch – ITM kontrolliert

Es gibt keine Regelungen für ihren Aufenthalt im Land. Junge Au-pairs dürfen laut Gesetz bis zu 12 Monate im Land bleiben. Als Au-pairs gelten Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahre. Die Frauen, die die Hamburger Agentur vermittelt, sind meist im Rentenalter. Nach eigenen Angaben gehen sie innerhalb Deutschlands zu Familien, aber auch in Frankreich, Abu Dhabi, Österreich, Italien, der Schweiz oder Norwegen.  

Bei Samir Tanios meldet sich kurz nach dem Außenministerium die ITM. Sie stattet dem alleinerziehenden Haushalt am 14. Juni 2021 einen unangemeldeten Besuch ab und der Krimi nimmt seinen Lauf. Die Vorwürfe „illegaler Beschäftigung“ und „Verletzung der Arbeitssicherheit“ stehen im Raum. Zuvor wurde ihm telefonisch von einer anderen Mitarbeiterin der gleichen Behörde versichert, es bestehe in diesem Fall kein Arbeitsverhältnis, sondern es sei vielmehr Ehrenamt. 

Danach bekommt er Post.  Am 22. Oktober 2021 schreibt die ITM, dass er verpflichtet wäre, der Schweizer „Granny“ den anteiligen Mindestlohn in Höhe von 1.376 Euro pro Monat  für die Zeit nachzuzahlen. Das sind rund 3.900 Euro. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Die Sachleistungen wie eigenes Auto, Kost und Logis wurden darin nicht berücksichtigt. 

Mangels anderer Regelungen ist es ein Arbeitsverhältnis 

Die ITM fordert im gleichen Schreiben zudem unter Berufung auf das geltende Arbeitsrecht ein „registre“ mit der minutiösen Auflistung der Urlaubs- und Arbeitszeiten der „Granny“. Tanios antwortet wahrheitsgemäß, er habe so etwas nicht – zumal es sich nicht um ein reguläres Arbeitsverhältnis handelt. Urlaubswünsche handhabe er eher freizügig, beispielsweise einen dreiwöchigen Urlaub der Schweizerin im Mai während ihres Aufenthaltes.  

Die ITM teilt ihm im gleichen Schreiben weiter mit, er habe nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist das „registre“, wie vom „Code de travail“ bei regulären Arbeitsverhältnissen vorgeschrieben, vorgelegt. Außerdem fehle eine Untersuchung der Betroffenen vom Amtsarzt. Deshalb müsse er nun 2.500 Euro Strafe zahlen. Tanios wehrt sich und schreibt an den Direktor der ITM. 

Er entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten, fügt alle Nachweise bei und bittet um ein persönliches Treffen. Das war am 9. November. Eine Antwort steht bislang aus.  Eine Anfrage des Tageblatt lässt die ITM mit dem Verweis darauf, dass sie keine Aussagen zu personenbezogenen Akten macht, unbeantwortet. Tanios hat zwischenzeitlich die Differenz zwischen Taschengeld und Mindestlohn nachgezahlt.  

Die Granny hatte ihrerseits in einem Brief an die ITM schriftlich versichert, dass sie auf Freiwilligenbasis in Luxemburg sei und kein weiteres Geld wolle. „Ich weiß überhaupt nicht, wo ich dran bin“, sagt Tanios, der nun wieder ein junges Au-pair-Mädchen hat. „Ich war immer transparent, weil ich korrekt sein will.“ Es wird die letzte junge Au-pair bei ihm bleiben, weil sie nur Kinder, die jünger als 13 Jahre sind, betreuen dürfen. Seine Tochter wird nächstes Jahr 12 Jahre alt. Das ist ebenfalls gesetzlich geregelt. „Für mich waren die Granny Au-pairs eine ideale Lösung“, sagt Tanios. 

Gesetzliche Grundlagen

Das erste Gesetz, das einen Au-pair-Aufenthalt in Luxemburg regelt, stammt von 2013. Das damalige Familien- und Integrationsministerium war zuständig. 2018 aktualisiert das Außenministerium das Gesetz über den Aufenthalt. Die Änderungen beziehen sich auf die Stunden, die ein Au-pair für kleine Tätigkeiten innerhalb der Familie pro Woche leisten muss. Vorher waren es laut Bildungsministerium 30 Stunden pro Woche. Jetzt sind es 25. Das Taschengeld wurde von 25 Prozent des Mindestlohns auf 20 Prozent gesenkt. Weitere Informationen gibt es auf www.au-pair.lu.

zillerthaal
26. November 2021 - 20.49

Au Pair nur bis 30? Klarer Fall von Altersdiskriminierung, die Regelung ist null und nichtig.