Luxemburger FirmaCAE Aviation ist in einen Militärskandal verwickelt – das beschäftigt auch Luxemburgs Politik

Luxemburger Firma / CAE Aviation ist in einen Militärskandal verwickelt – das beschäftigt auch Luxemburgs Politik
CAE Aviation hat seinen Sitz am Findel – und fliegt geheime Aufträge in der halben Welt Foto: Editpress-Archiv

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ein neuer Militärskandal erschüttert Frankreich. Ägypten soll Zivilisten bombardiert haben. Mit der Hilfe aus Paris und einer Firma aus Luxemburg. Nun steht auch Außenminister Jean Asselborn unter Druck.

Die Vorwürfe sind ungeheuerlich. Das ägyptische Militär bombardierte jahrelang Zivilisten aus der Luft – dies auf den bloßen Verdacht hin, es könnte sich um Schmuggler an seiner Grenze zu Libyen handeln. Hunderte Menschen sollen dabei gestorben sein, wie das französische Investigativ-Onlineportal Disclose am vergangenen Sonntag berichtete. Ägypten brüstete sich selbst im Jahr 2020 mit 40.000 Getöteten. Mittendrin in dem Militärskandal steckt eine Firma aus Luxemburg – und so sah sich jetzt auch Außenminister Jean Asselborn (LSAP) mit Vorwürfen konfrontiert.

Möglich wurden die Hinrichtungen aus der Luft dank eines geheimen Militärvertrages zwischen Ägypten und dem französischen Verteidigungsministerium. Mit der „Sirli“ getauften Operation, die Disclose aufdeckte, sicherten sich die Ägypter die Unterstützung der Franzosen. Vordergründig sollte es um den Kampf gegen den Terror gehen. Was aber offenbar bloß ein Vorwand war für den ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi, mit äußerster Brutalität gegen Schmuggler in dem Grenzgebiet vorzugehen.

Das Schmuggeln etwa von Zigaretten in der Region ist zum einen oft der einzige Ausweg aus bitterer Armut. Andererseits sieht der vom Tageblatt kontaktierte Militär- und Libyen-Experte Wolfgang Pusztai den Schmuggel an der ägyptisch-libyschen Grenze nicht nur als wirtschaftliches oder kriminelles Problem, sondern auch als Sicherheitsbedrohung. „Die stets bewaffneten Banden kooperieren teilweise mit Terrorgruppen, die oft auch selbst schmuggeln, um sich zu finanzieren“, sagt Pusztai.

Zweifel bleiben ungehört

Frankreich half in der Operation „Sirli“ mit Aufklärungsflügen an der 1.200 Kilometer langen Grenze zwischen Ägypten und Libyen – und griff dabei auf einen langjährigen Partner und Experten zurück: die in Luxemburg niedergelassene Firma CAE Aviation. Zwei Piloten und vier Analysten von CAE Aviation patrouillierten seit Februar 2016 in einer Propellermaschine über dem Grenzgebiet. Die Besatzung äußerte früh Zweifel am rechtmäßigen Gebrauch der von ihr übermittelten Daten durch die Ägypter, wie Disclose schreibt. Die Franzosen, die darüber informiert wurden, hatten trotzdem nichts zu beanstanden. CAE Aviation verdiente weiter Geld (Disclose zufolge 19 Millionen Euro seit 2016). Und Al-Sisi hörte nicht auf, die Informationen aus dem Militärvertrag mit Paris zu nutzen, um eigene Staatsbürger oder libysche Zivilisten in die Luft zu jagen.

Auszug aus einer Präsentation des Unternehmens CAE Aviation anlässlich der „Govsatcom“-Konferenz in Luxemburg im Jahr 2019
Auszug aus einer Präsentation des Unternehmens CAE Aviation anlässlich der „Govsatcom“-Konferenz in Luxemburg im Jahr 2019 Screenshot: Tageblatt

Luxemburgs Regierung hatte bereits zuvor mit CAE Aviation zusammengearbeitet. Die Firma mit Sitz am Flughafen Findel flog im Rahmen der EU-Operation EUNAVFOR MED (später „Sophia“) im Auftrag Luxemburgs Aufklärungsflüge vor Libyens Küste. Das war 2015, und zu der Zeit wurde das Unternehmen noch als Retter von Flüchtlingen gefeiert. Luxemburgs damaliger Verteidigungsminister Etienne Schneider (LSAP) ließ sich in Sizilien im zur Überwachung aus dem Luftraum umgebauten Turboprop-Flugzeug SW3 Merlin III mit der Kennung „N123LH“ fotografieren. Im Februar 2016 war CAE Aviation mit demselben Flugzeug bereits an einem anderen Einsatzort unterwegs: Von einem Militärstützpunkt am Rand der ägyptischen Wüste aus stieg die Besatzung zu jenen Überwachungsflügen auf, die am Ende offenbar ägyptischen Zivilisten das Leben kosteten.

Minister Schneider mit CAE-Mitarbeitern und Luxemburger Abgeordneten im Oktober 2015 auf Sizilien – dieselbe Maschine ist wenige Monate später in Ägypten stationiert
Minister Schneider mit CAE-Mitarbeitern und Luxemburger Abgeordneten im Oktober 2015 auf Sizilien – dieselbe Maschine ist wenige Monate später in Ägypten stationiert Foto: Tageblatt-Kombination/SIP,  Screenshot disclose.com

So holen die Geschäfte von CAE Aviation auch die Luxemburger Politik ein. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits im Oktober 2016 war CAE Aviation, das Business-bedingt äußersten Wert auf Diskretion legt, in die Schlagzeilen geraten. Damals war eine der Maschinen des Luxemburger Unternehmens, eine Fairchild Merlin Mark III, in Malta abgestürzt. Alle fünf Insassen kamen bei dem Crash nahe dem Flughafen Luqa ums Leben, neben den zwei CAE-Piloten waren das drei Mitarbeiter des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE, wie französische Medien schrieben. Auch die damalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betonte umgehend, dass es keine Verbindungen zu Aktivitäten der Europäischen Union gebe.

Die Tageblatt-Berichterstattung nach dem Crash 2016 auf Malta
Die Tageblatt-Berichterstattung nach dem Crash 2016 auf Malta Foto: Tageblatt

Recherchen des Luxemburger Wort zufolge war das Flugzeug damals zu Überwachungsflügen vor der Küste Libyens im Raum der Großstadt Misrata aufgebrochen – was im Rahmen der EU-Mission „Sophia“ nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Doch bereits damals wunderte sich ein nicht namentlich genannter Sicherheitsexperte gegenüber dem Wort über die Geheimdienstler an Bord. Für eine Überwachungsmission über dem Mittelmeer sei das doch sehr ungewöhnlich. Der inzwischen verstorbene Gründer von CAE Aviation, Bernard Zeler, hatte damals alle Vorwürfe abgestritten. Als Absturzursache wurde technisches Versagen festgehalten. Der Flughafen Luqa auf Malta gilt seit Jahren als Tummelplatz für französische, italienische und US-amerikanische Nachrichtendienste, die von dort zu Überwachungsflügen über Libyen oder Tunesien aufbrechen. Auch das Tageblatt berichtete ausführlich.

Nun ist CAE Aviation über die aufgedeckte Operation „Sirli“ erneut in die Schlagzeilen geraten. Am Mittwoch musste sich Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mit der Sache befassen, nachdem die Abgeordnete Nathalie Oberweis von „déi Lénk“ eine parlamentarische Anfrage an den Außenminister gerichtet hatte. Oberweis fragte aufgrund der Disclose-Recherche nach einer möglicherweise vorhandenen Mitverantwortung Luxemburgs an dem Militärskandal. Asselborn weist in seinen Antworten jedwede Mitschuld von sich. Luxemburgs Regierung habe von der Operation „Sirli“ nichts gewusst, schreibt der Außenminister, und man habe auch weder gegen Resolutionen der Vereinten Nationen verstoßen noch gegen die Luxemburger Gesetzgebung zu Exportkontrollen aus dem Jahr 2018. Eine in Luxemburg ansässige Firma, die Aufträge eines anderen Staates annehme und in Militäraktionen verwickelt werde, brauche dafür keine Genehmigung durch den Luxemburger Staat. Auch arbeite man längst nicht mehr mit CAE Aviation zusammen. Und schließlich sei das alles Sache der Franzosen.

Aufträge in der Grauzone

Im August 2020 wurden CAE-Mitarbeiter auf Siziliens Militärflughafen noch mit Medaillen ausgezeichnet. Diese Ehrung erfolgte im Rahmen der „Sophia“-Folgeoperation „Irini“, die sich nicht mehr auf Migration konzentriert, sondern auf die Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen. Am 4. Mai 2020, und damit von Beginn an, war Luxemburg mit einem Seeraumüberwachungsflugzug von CAE Aviation zusammen mit einer französischen Fregatte für die Operation „Irini“ unterwegs. Die letzte Ausschreibung Luxemburgs für diese Art von Auftrag im Dezember 2020 konnte CAE Aviation nicht mehr für sich gewinnen. Wie es aus dem Luxemburger Verteidigungsministerium heißt, übernimmt die britische Firma Diamond Executive Aviation (DEA) seit April 2021 diese Aufgaben.

Medaillen-Überreichung: Im August 2020 werden CAE-Mitarbeiter für ihre Dienste in Luxemburger Auftrag ausgezeichnet
Medaillen-Überreichung: Im August 2020 werden CAE-Mitarbeiter für ihre Dienste in Luxemburger Auftrag ausgezeichnet Foto: Screenshot/Operationirini.eu

Nicht viel hat gefehlt, um den Geschwindigkeitsrekord bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu brechen. Gerne lassen sich Minister die ihnen zustehenden 30 Tage zur Beantwortung Zeit. Das ist manchmal nötig, um die erforderlichen Informationen zur korrekten Beantwortung zusammenzutragen. Manchmal ist es nur so ein Machtding.

Doch diesmal musste Oberweis nur zwei Tage auf ihre Antworten warten. In der rezenten Vergangenheit ging das bloß einmal schneller. Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage durch „déi Lénk“ zur Affäre um die Spähsoftware Pegasus der israelischen Firma NSO, in deren Firmengeflecht Luxemburger Gesellschaften eine wichtige Rolle einnehmen, dauerte bloß einen Tag. Das kann man nun für einen einwandfreien demokratischen Service halten. Es kann einem aber auch ein anderes mutmaßliches Motiv zur überraschenden Dringlichkeit in den Sinn kommen: Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen.

Laut den Dokumenten, die Disclose erhalten hat, „sollen die französischen Streitkräfte zwischen 2016 und 2018 an mindestens 19 Bombenangriffen auf Zivilisten beteiligt gewesen sein“. Das Medium zitiert aus Notizen, die 2017 von der Direktion für militärische Aufklärung (DRM) und der Luftwaffe übermittelt wurden. Sie machte sich Sorgen über die Auswüchse der Geheimdienstoperation, die die Ägypter angeblich nutzten, um den Schmuggel verdächtigter Zivilisten ins Visier zu nehmen.

Trotz des erklärten Willens von Paris, seine Rüstungsexporte wieder auf Europa auszurichten, gehört Ägypten zu den wichtigsten Empfängern französischer Militärausrüstung. Der Pressesprecher der französischen Regierung bestätigte am Mittwoch, dass nach den Enthüllungen von Disclose eine „gründliche interne Untersuchung“ eingeleitet worden sei.

CAE Aviation spielt für Frankreich seit Jahren eine wichtige Rolle. Während acht Jahren leaste Frankreich zum Beispiel Überwachungsflugzeuge von CAE Aviation, um sie nicht nur in Libyen, sondern auch im Rahmen der „Barkhane“-Operation im Sahel sowie in der Zentralafrikanischen Republik und im Irak einzusetzen, wie der auf Sicherheitsfragen spezialisierte französische Journalist Jean-Marc Tanguy gegenüber dem Tageblatt erklärt. Militärexperte Pusztai bezeichnet CAE Aviation als „eine seriöse Firma, die schon mehrfach für die EU und verschiedene Staaten gearbeitet hat und das noch immer tut“. Im Auftrag des Luxemburger Verteidigungsministeriums hat das Unternehmen bereits Überwachungsflüge durchgeführt, zum Beispiel bei der Operation „Atlanta“ zur Bekämpfung von Piraten im Golf von Aden vor Somalia. CAE Aviation ist auch Dienstleister für die NATO oder die EU-Grenzschutzbehörde Frontex.

Überraschend für Pusztai ist bei der Operation „Sirli“, „dass das hochgerüstete ägyptische Militär – dessen Luftwaffe über modernste französische und amerikanische Aufklärungssensoren verfügt – auf eine derartige Unterstützung durch eine zivile Firma angewiesen ist. Aber der Einsatz eines solchen Fliegers ist sicher billiger als der eines Jets.“

Vom Findel in die Wüste

Gegenüber der Zeitung Le Parisien sagte Tanguy, man dürfe nicht vergessen, dass die von CAE Aviation in der „Sirli“-Operation durchgeführten Flüge zwar einerseits „banale Aufklärungsflüge“ waren. Trotzdem diene „der militärische Nachrichtendienst immer militärischen Zwecken – er ist in erster Linie dazu da, um danach zu neutralisieren“, so Tanguy.

CAE Aviation hat eine Presseanfrage des Tageblatt bislang unbeantwortet gelassen. Gegründet wurde das Unternehmen 1971. Im Buch „Nos chers espions en Afrique“ aus dem Jahr 2018 schreiben Antoine Glaser und Thomas Hofnung, dass Firmengründer Zeler seine Tätigkeit mit landwirtschaftlichen Düngemitteln begann, bevor er in den Nachrichtendienst wechselte. Die französischen Dienste hätten ihn demnach in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott erstmals engagiert. Heute beschäftigt CAE Aviation mehr als 160 Mitarbeiter und verfügt über eine Flotte aus mehr als 30 Maschinen sieben verschiedener Flugzeugmodelle sowie Drohnen (Informationen für das Jahr 2019). Nach dem Tod Zelers Ende 2019 sind seine Kinder Julie und Hughes im Luxemburger Firmenregister als wirtschaftliche Eigentümer eingetragen.

irma
26. November 2021 - 20.44

Das sind private Spione, die überwachen auch Schleuserbanden für andere Staate, das ist ihr Job.

Sepp
26. November 2021 - 10.06

La Grande Nation

Grober J-P.
25. November 2021 - 20.33

Was hat Budapest jetzt mit Kairo zu tun? "Aber der Einsatz eines solchen Fliegers ist sicher billiger als der eines Jets.“ Und man gerät nicht so leicht in Verdacht.

Klod
25. November 2021 - 18.08

Aegypten soll also zivilisten bombardiert haben. Da praesident sissi ein guter freund der usa und frankreichs ist und meist auf nato linie liegt,duerfte unser jang,der ohnehin seinen hauptfeind in budapest sieht,nicht gross auf die pauke schlagen. Was auch besser ist,da der klang seiner pauke kaum jenseits von metz oder trier hoerbar ist.