Corona in ÖsterreichNiemand soll schuld sein – Ermittlungen in Causa Ischgl eingestellt

Corona in Österreich / Niemand soll schuld sein – Ermittlungen in Causa Ischgl eingestellt
Auch wenn die Causa Ischgl nun strafrechtlich ergebnislos abgeschlossen ist, laufen die zivilrechtlichen Verfahren weiter Foto: AFP/Joe Klamar

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Die Streuung des Coronavirus vom Tiroler Wintersportort Ischgl über halb Europa zu Beginn der Pandemie hat keine strafrechtlichen Konsequenzen.

„Meine Familie und ich sind erleichtert“ – der Ischgler Bürgermeister Werner Kurz (ÖVP) äußerte sich am Dienstag „dankbar, dass diese Belastung nun für uns vorbei ist“. Für die Angehörigen der Covid-Opfer, die sich im März 2020 im Alpen-Ballermann angesteckt hatten, dürften die seelischen Belastungen dagegen jetzt wieder hochkommen. Denn am desaströsen Krisenmanagement vor 20 Monaten soll niemand schuld gewesen sein – zumindest nicht in strafrechtlichem Sinn. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat die Ermittlungen eingestellt, weil es keine Beweise dafür gebe, „dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte“.

Geprüft wurden die Maßnahmen nach Bekanntwerden der ersten Infektionsfälle Anfang März vorigen Jahres, die Umsetzung von Verordnungen zur Schließung von Lokalen, des Skibetriebes und die Verhängung der Quarantäne im Paznauntal. Hauptkritikpunkt damals: Die Behörden hätten zu spät zu wenig veranlasst, weil die Tourismuswirtschaft Druck auf eine möglichst ungehinderte Fortsetzung der Wintersaison ausgeübt habe. Dafür konnte die Staatsanwaltschaft aber keine Beweise finden. Der Vorwurf der Vertuschung habe sich nicht erhärtet. Vielmehr sei, so die Staatsanwaltschaft, auf „sämtliche Hinweise reagiert“ und auch in Presseaussendungen kommuniziert worden. Dass Tourismusverbände, Gemeinde und Land Tirol das Ansteckungsrisiko als „gering“ bezeichnet hatten, habe den „damaligen Kenntnisstand“ wiedergegeben. Es gab damals freilich auch schon andere Kenntnisstände: Island hatte Ischgl schon am 5. März zum Risiko-Gebiet erklärt und alle Reisenden, die seit 29. Februar aus Tirol heimgeflogen waren, unter Quarantäne gestellt.

„Behördenskandal“

Auch die chaotischen, das Infektionsgeschehen befeuernden Zustände bei der Abreise aus dem Paznauntal am 13. März war für die Staatsanwaltschaft strafrechtlich nicht fassbar. Dies liegt nach Ansicht des Verbraucherschutzvereines (VSV) auch daran, dass die Justiz zwar gegen Tiroler Behörden wie den Ischgler Bürgermeister, nicht aber gegen dessen Namensvetter und Parteifreund Sebastian Kurz ermittelt habe. Den damaligen Bundeskanzler betrachtet VSV-Obmann Peter Kolba als Auslöser das Abreisechaos. Denn Kurz hatte mit der auf einer Pressekonferenz in Wien überraschend verkündeten Verhängung der Quarantäne über das Paznauntal die überstürzte Abreise tausender Urlauber ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen provoziert. Die Staatsanwaltschaft habe Fehler auf Ebene der Bundesregierung offenbar außer Acht gelassen, mutmaßt Kolba. Er hat „den Eindruck, dass hier ein Behördenskandal weitgehend vertuscht werden soll“.

Ischgl öffnet wieder

Auch wenn die Causa Ischgl nun strafrechtlich ergebnislos abgeschlossen ist, laufen die zivilrechtlichen Verfahren weiter. Der VSV hat bereits mehrere Schadenersatzklagen von Urlaubern eingebracht, weitere werden folgen. Mehr als 6.000 Tirol-Urlauber aus 45 Staaten hatten sich beim VSV als Geschädigte gemeldet. Die Republik Österreich verweigert sich bislang einem außergerichtlichen Vergleich. Allerdings spielen Kurz und Co. auch in den Zivilverfahren keine Rolle. Anträge auf Einvernahme des Ex-Kanzlers oder von Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sowie anderer Spitzenpolitiker wiesen die Gerichte ab.

Obwohl sich Österreich bis mindestens 12. Dezember im Lockdown befindet, wird in Ischgl der Skibetrieb schon früher starten. Die Silvrettaseilbahn AG wird ihren Betrieb am Freitag kommender Woche aufnehmen. Unter Einhaltung der 2G-Regel und einer FFP2-Maskenpflicht in den Gondeln ist das auch gestattet. Der Ruf der Seilbahn-Lobby nach einer Öffnung auch der Skihütten blieb von der Politik ungehört. Im grenzüberschreitenden Skigebiet Ischgl gibt es allerdings eine Möglichkeit: Auf der Schweizer Seite hat die Gastronomie geöffnet.