Formel 1Das umstrittene Finale und Hamiltons einsamer Kampf

Formel 1 / Das umstrittene Finale und Hamiltons einsamer Kampf
Während seine Kollegen schweigen, versucht Lewis Hamilton über die Probleme vor Ort in Katar zu sprechen Foto: AFP/Lars Baron

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Die Formel 1 richtet ein viel kritisiertes Rennen in Katar aus, will dort zum Wandel beitragen – über die Probleme spricht vor Ort aber nur Lewis Hamilton.

Die meisten Fahrer schwiegen, flüchteten sich in allgemeine Aussagen – nur Lewis Hamilton füllte den Vorsatz der Formel 1 ein wenig mit Leben. Sollte die Königsklasse in Katar fahren? Kann der Sport helfen, ungerechte Systeme zu verändern? Das seien „schwierige“ Themen, sagte Hamilton, doch er sprach darüber. „Wenn es in den Ländern, die wir besuchen, Probleme gibt, dann müssen wir als Sport darüber sprechen“, sagte der Rekordweltmeister am Losail Circuit. Und erklärte auch, warum: „Es gibt viel schlauere Leute, die im Hintergrund wirksamer für Veränderungen kämpfen. Aber wir können für das Rampenlicht sorgen, das den Wandel beschleunigen kann.“ Hamilton sprach auch über das missbräuchliche Kafala-System, durch das in vielen Ländern des Nahen Ostens Arbeitsmigranten ausgebeutet werden: „Sie versuchen, das hier zu verbessern, das geht nicht über Nacht, es ist noch ein weiter Weg.“

Die Formel 1 verdient sehr viel Geld mit ihren drei abschließenden Saisonrennen in Katar (Sonntag, 15.00 Uhr MEZ/RTL Zwee), Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beteuert aber auch, ihren Teil zur Veränderung beitragen zu können. Diese könne beschleunigt werden durch die Aufmerksamkeit, die große Sportereignisse bringen, sagt Formel-1-Chef Stefano Domenicali, „und wir werden da eine wichtige Rolle spielen.“ Dazu, stellen Menschenrechtler immer wieder klar, müssen die Akteure die Themen aber auch ansprechen, ihre Plattform nutzen, Druck ausüben. Und in Katar hielten sich Hamiltons Kollegen nun deutlich zurück.

Lage bleibt schwierig

Auch Sebastian Vettel wollte kaum etwas beitragen, es sei eine Frage für den Sport als Ganzes, nicht für ihn persönlich. Das überraschte etwas, noch vor wenigen Wochen hatte er sich in der New York Times deutlicher geäußert. Das viele Geld, das die Formel 1 in Ländern wie Katar verdiene, sei „nicht besonders rein“, sagte er unter anderem. Experten zeichnen indes ein geteiltes Bild über den Einfluss, den Großevents auf derart komplexe politische und gesellschaftliche Systeme haben können. Katar wird im kommenden Jahr die Fußball-WM ausrichten, und seit 2017 gebe es in Katar in der Tat „Bewegung in Sachen Menschenrechte“, sagte Katja Müller-Fahlbusch dem SID. Die Expertin für die Region Naher Osten bei Amnesty International sieht die Reformen als „auf dem Papier substanziell“.

So sei Katar das einzige Land in der Region, das sich an Veränderungen des Kafala-Systems, das auch das Arbeitsrecht regelt und einseitige Abhängigkeitsverhältnisse schafft, heranwage. Doch der tatsächliche Fortschritt stagniere, ohnehin würden Änderungen vor allem im Schlaglicht der Fußball-WM umgesetzt: Für „98 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte“ habe sich nicht viel geändert. Auch mit Blick auf Frauenrechte, gleichgeschlechtliche Handlungen sowie Meinungs- und Pressefreiheit bleibe die Lage in Katar „schwierig“.

Menschenrechte, so die Expertin, müssten daher vor der Vergabe von Sportveranstaltungen eine Rolle spielen „und nicht erst danach“. Sonst bleibe oft nur die Möglichkeit, „die Scherben aufzusammeln. Und das Beste daraus zu machen.“ Lewis Hamilton hat das wenigstens versucht. (SID)