RundtischgesprächWie wir Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen können

Rundtischgespräch / Wie wir Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen können
Justizministerin Sam Tanson im Gespräch mit KJT-Direktorin Barbara Gorges-Wagner Foto: Editpress/Julien Garroy

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Anlässlich des Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt lud das „Kanner a Jugendtelefon“ zusammen mit der Organisation Ecpat am Donnerstag zu einem Rundtischgespräch ein. Zur Diskussion standen unter anderem die aktuelle Gesetzgebung gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet sowie die Möglichkeiten digitaler Tools, um die Verbreitung solchen Materials einzuschränken.

Der sexuelle Missbrauch an Kindern im Internet („Child Sexual Abuse Material“ – CSAM) hat in den vergangenen Jahren bedeutend zugenommen. „Nicht nur in Europa und weltweit, sondern auch in Luxemburg“, sagt Thomas Kaufmann, Ecpat-Direktor („End Child Prostitution, Child Pornography & Trafficking of Children for Sexual Purposes“). Er beruft sich dabei auf die Zahlen von 2020. In dem Jahr gab es bei der „Bee Secure Stopline“, die mit dem „Kanner- a Jugendtelefon“ (KJT) zusammenarbeitet, insgesamt 4.022 Meldungen zu CSAM-Material. Das entspricht einer Zunahme von knapp 33 Prozent im Vergleich zu 2019. „Dieses Phänomen muss bekämpft werden“, so Kaufmann.

Bei CSAM handelt es sich um den reellen Missbrauch von Kindern, der auf Fotos oder Videos festgehalten wird

Thomas Kaufmann, Ecpat-Direktor

Im September haben beide Organisationen eine dreiteilige Kampagne zum Thema CSAM ins Leben gerufen. Hauptziel der Kampagne ist es, die Luxemburger Gesellschaft in Bezug auf CSAM zu sensibilisieren, sagt KJT-Direktorin Barbara Gorges-Wagner. „Was kann und muss jeder tun, um unsere Kinder in Europa, in der Welt und in Luxemburg zu schützen?“, fragt sie. Der erste Teil der Kampagne befasst sich mit der Semantik des Ausdrucks CSAM, welcher im normalen Sprachgebrauch zu Unrecht als Kinderpornografie bezeichnet wird, sagt Gorges-Wagner. Letzterer Begriff verharmlose die Tat. „Bei CSAM handelt es sich um den reellen Missbrauch von Kindern, der auf Fotos oder Videos festgehalten wird“, sagt Thomas Kaufmann. Es gehe hierbei nicht um eine Kategorie innerhalb der Pornografie, sondern um Gewalttaten, die an Kindern ausgeübt werden.

Im zweiten Teil geht es darum, dass die Gewalttat, die Kaufmann im ethischen und moralischen Sinne als Verbrechen bezeichnet, bei der Polizei oder den lokalen Organisationen, die sich damit befassen, signalisiert werden muss. Die Diskussionsrunde am Donnerstag befasste sich mit der Bestrafung dieser Gewalttaten und mit dem bestmöglichen Schutz der Kinder. Angesichts der wachsenden Zahl von CSAM-Material im Netz und der Leichtigkeit, sich Zugang dazu zu verschaffen, wird dieses Verbrechen laut Ecpat-Direktor nicht genügend als solches betrachtet. Das Zeigen im Netz von solchem Material sei eine ständige Wiederholung des reellen Verbrechens.

Jedes betroffene Kind kann sich im Netz wiederfinden

Positiv sei, dass sich die Sichtweise inzwischen weiterentwickelt habe. „Dass ein Kind kein potenzieller sexueller Partner für einen Erwachsenen sein kann, scheint heutzutage selbstverständlich zu sein“, sagt Kaufmann. Vor 32 Jahren sei das noch nicht so gewesen. Das gefundene Material sei allerdings im Laufe der Jahre immer heftiger geworden und die Kinder darauf seien immer jünger. Diese Bilder würden nicht nur im Darknet zirkulieren, sondern auch im normalen Netz, sagt der Ecpat-Direktor. „Jedes Kind kann sich dort wiederfinden, nachdem es im Vertrauen Fotos mit jemandem ausgetauscht hat.“ Die Bilder können in Luxemburg oder woanders in der Welt gespeichert und eingesehen werden. Deshalb appelliert Kaufmann an die globale Verantwortung aller Akteure im Netz.

Ich bin aber bereit nachzubessern, wenn sich herausstellt, dass das nicht ausreichend ist

Sam Tanson, Justizministerin

Wie sieht denn eigentlich die Gesetzeslage zum Thema CSAM aus? Ist sie ausreichend? Sind die Strafen hoch genug? Laut Justizministerin Sam Tanson gibt es viele Gesetze zum Thema. „Ich bin aber bereit nachzubessern, wenn sich herausstellt, dass das nicht ausreichend ist“, so Tanson. Sie zählt ein paar Beispiele von Gesetzen im Bereich CSAM auf und geht auf die vorgesehenen Strafen ein, die zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren Haft liegen können. „Ich glaube, dass unsere Mittel relativ komplett sind.“ Zudem gebe es viele Sensibilisierungskampagnen. Das Thema werde auch regelmäßig auf EU-Tagungen der Justizminister diskutiert. Ohne internationale Zusammenarbeit sei es kaum möglich, einen ordentlichen Kampf in diesem Bereich zu führen.

Die Rolle des IT-Sektors

Pascal Steichen ist Gründer und Geschäftsführer von „Security made in Luxembourg“, einer Cybersicherheits-Agentur für die luxemburgische Wirtschaft. „Der IT-Sektor spielt schon eine gewisse Rolle, um die Justiz und Polizei zu begleiten, wenn es darum geht, CSAM-Material schnell zu blockieren oder vom Netz zu entfernen.“ Wichtig sei, dass digitale Akteure, wie zum Beispiel die Post, die Internet-Dienstleistungen anbieten, aktiv werden, sobald sie Informationen bekommen, dass illegales Material in ihrem Netzwerk zirkuliert, sagt Steichen.

Sam Tanson, Charel Schmit, Steve Müller und Pascal Steichen beim Rundtischgespräch am Donnerstag
Sam Tanson, Charel Schmit, Steve Müller und Pascal Steichen beim Rundtischgespräch am Donnerstag Foto: Editpress/Julien Garroy

Steve Müller kümmert sich beim Wirtschaftsministerium um die Cybersicherheit und hat eine beratende Funktion bei der Helpline „Bee Secure“. CSAM-Material durch den Einsatz von spezieller Software aus dem Netz rauszufiltern, sei nicht so einfach, da viele Sachen verschlüsselt seien. Sinnvoller für den CSAM-Bereich wäre es, die Verbindungen, die sogenannten Hoster, zu überwachen. So ließe sich z.B. Bildmaterial leichter aufspüren. Die Software, die dazu benötigt werde, dürfe allerdings nicht öffentlich gemacht werden, da sonst die Gefahr bestehe, dass Kriminelle dieses Systeme austricksen könnten. Zudem gebe es ein Datenschutzproblem, wenn solche Softwareprogramme, meist aus den USA, sämtliches Bildmaterial scannen würden. Laut neuester Regelung entfalle eine solche angedachte Pflicht für Telekommunikationsunternehmen, sämtliche Fotos zu scannen. Deshalb gelte hier weiter das reaktive Prinzip, demzufolge Internetanbieter jene Bilder entfernen müssen, die als illegal bei ihnen gemeldet werden.

Wenn es um die Gewichtung zwischen Datenschutz und Kinderschutz geht, dann fällt die Gewichtung eher zugunsten des Kinderschutzes aus

Charel Schmit, Ombudsmann für Kinder und Jugendliche

Für Charel Schmit, Ombudsmann für Kinder und Jugendliche, ist es wichtig, dass Internetanbieter proaktiv Werkzeuge einbauen, um die Verteilung von CSAM-Material zu verhindern. Er findet es bedauerlich, dass das so nicht machbar ist und verweist auf die Aussagen von Steve Müller. „Wenn es um die Gewichtung zwischen Datenschutz und Kinderschutz geht, dann fällt die Gewichtung eher zugunsten des Kinderschutzes aus.“ Irgendwo höre der Spaß auf. Schmit fordert eine Analyse der Jurisprudenz des Sexualstrafrechts in Luxemburg. „Denn die Staaten haben durch die Kinderrechtskonvention die Pflicht, alle Werkzeuge zu mobilisieren, um den Schutz der Kinder zu garantieren.“ Eine qualitative Analyse insbesondere im CSAM-Bereich hält auch Sam Tanson für sinnvoll.

Sepp
20. November 2021 - 21.31

Mehr Steuern für Pornos!

Fruz
20. November 2021 - 15.05

Während Pornhub/Mindgeek ihren Sitz -aus steuerlichen Gründen- in Luxemburg haben….. Das wurde am Rundtischgespräch wahrscheinlich nicht erwähnt……und überhaupt das viele Gerede, anstatt etwas Konkretes zu unternehmen…..Nicht gackern, Eier legen!