EditorialLukaschenko verdient all unsere Verachtung – aber diese Krise hat sich die EU auch selbst zuzuschreiben

Editorial / Lukaschenko verdient all unsere Verachtung – aber diese Krise hat sich die EU auch selbst zuzuschreiben
Autokratenfreundschaft: Der russische Präsident Wladimir Putin hängt mit drin, daran gibt es keinen Zweifel – und falls es welche gegeben hätte, wurden sie mit der Entsendung von zwei russischen Bombern in den belarussischen Luftraum zerstreut Foto: AFP/Sputnik/Sergei Ilyin

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Die ehemalige Speerspitze im Kampf gegen die Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates in Syrien erfriert gerade in einem Wald in Osteuropa. Es sind vor allem Kurden aus dem Nordirak, oft vor den türkischen Besatzungstruppen in der nordsyrischen Region Rojava geflohen, die dem trügerischen Lockruf aus dem Machtapparat des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko folgen. Doch spätestens an der unwirtlichen Grenze zu Polen, das eilig eine neue Mauer hochzieht, ist Endstation. 

Aus Rachegelüsten gegen die Sanktionen der Europäischen Union nimmt Lukaschenko das Erfrieren von Menschen in Kauf. Nach der Niederschlagung der Proteste gegen seinen Wahlbetrug, der Drangsalierung der Zivilgesellschaft und der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine im Mai, um einen Dissidenten festnehmen zu lassen, hat der belarussische Präsident sich erneut selbst unterboten: Er hat sein Land in einen Schlepperstaat verwandelt. Lukaschenko verdient all unsere Verachtung.

Unten auf dem Boden sprechen wir in der Europäischen Union von einem hybriden Krieg, den Lukaschenko mit von belarussischen Spezialeinheiten an die polnische Grenze geleiteten Flüchtlingsströmen führt. Oben im Himmel kreisen jetzt zwei von Moskau entsandte, überschallschnelle Tupolew-Bomber, die Atomsprengköpfe tragen können. Die Lage an der NATO-Ostgrenze könnte kaum angespannter sein. Das hat sich die EU auch selber zuzuschreiben.

Die Feinde der EU nutzen die gescheiterte gemeinsame Migrationspolitik des Staatenbündnisses zu ihren Zwecken. Sie haben die offene Flanke erkannt. Dieser eiskalte osteuropäische Wald macht immer noch weniger Angst als die libyschen Horrorlager, das Durchqueren von Wüsten, die mörderischen Überfahrten über das Mittelmeer oder den Atlantik, die Pushbacks auf offener See in der Ägäis, das Stranden im Niemandsland auf dem Balkan. Europa ist längst eine Festung, Belarus bloß ein weiterer verzweifelter Versuch, ein Schlupfloch in diesem unmenschlichen Bollwerk zu finden.

Mindestens zehn Menschen sind schon gestorben. Auch Schüsse sind bereits gefallen. Die Temperaturen rutschen nachts unter den Gefrierpunkt, unter den Flüchtenden sind viele Familien. Die meisten kamen mit Flügen aus Istanbul oder aus Doha nach Minsk. Das Angebot wird von Tour Operators offen beworben. Die Skrupellosigkeit kennt keine Grenzen mehr.

Polen kennt Grenzen – und reagiert an seiner EU-Außengrenze mit aller Härte, hat den Ausnahmezustand verhängt und eine Sperrzone eingerichtet. Weder Nichtregierungsorganisationen noch Vereinte Nationen haben Zugang. Niemand weiß, was dort gerade geschieht. Die EU steht auf der Seite Polens. Das bisschen an Wertegefühl, was dann und wann noch aufflackerte, wird in der Härte der Auseinandersetzung mit Belarus und Russland bereitwillig in den Ring geworfen.

Auch in einem hybriden Krieg sterben Menschen. Eine offene militärische Auseinandersetzung ist bislang nicht daraus entstanden – wohl weil nur Fremde dort verenden. Dass viele dieser Fremden vor kurzem noch unsere Freunde waren, scheint längst vergessen. Die Kurden, die auf der Seite des Westens gegen den IS-Terror kämpften, wurden bereits in Syrien ihren türkischen Feinden überlassen. Jetzt erfrieren sie in einem Wald in Europa. Europa wird gerade von den Geistern seiner rezenten Vergangenheit eingeholt – und findet immer noch keinen besseren Ausweg als den Bau einer neuen Grenzmauer.

HTK
16. November 2021 - 19.06

@Jeff & Co, ech liesen all des Kommentaren well ech gutt Zäit hunn. De Lukachenko an de Putin sinn also entschëllegt well d'USA zu Nicaragua etc. Mëscht gebaut hunn? Dir entschëllegt eng Sauerei matt enger anerer? Dat ass net konstruktiv. Wat dee Lukachenko lo mécht ass einfach nemmen eng Sauerei.Mam Putin sengem Seegen. Sou e Probleem léist ee jo net an deem een op d'USA klappt. Mäi Papp huet gesoff, also saufen ech och? Also ass de Papp Schold? Dat ass einfach nëmmen topësch.

Jeff
15. November 2021 - 8.30

@Wieder Man - Wirtschaftsflüchtlingen kennen et jo net sinn -

Wieder Mann
14. November 2021 - 16.35

@Fern:Äert Raisonnement verstinn ech net. Déi Flüchlinger déi do mengt Wellen vlaicht hirem Gewessen no net engem Verbriecherregime déngen , an iwwerhuelen hir Verantwortong sech net un Verbriechen schelleg ze machen.

Fern
14. November 2021 - 14.46

Wann mein papp am leschten weltkrich fortgelaaf wir, dann hait hien als Fahnenfluechtegen koennen Hingericht ginn, an seng Elteren an seng geschwester wieren am beschten Fall noemmen deporteiert ginn. D'fluechtlingen sollen doheem hierem land dingen aplaatz fortzelaafen.

Klod
13. November 2021 - 20.20

Bravo herr back...ein journalist der fuer uns alle schreibt uns uns sagt wenn wir verachten muessen. Das ist grossartiger journalismus der neuzeit. ---------- Bitte beachten Sie: Beim "Editorial" oder "Leitartikel" handelt es sich, per Definition, um ein subjektives Meinungsstück. - Grüße aus der Redaktion

Klod
13. November 2021 - 18.15

Jaja...und die usa und polen verdienen natuerlich alle unsere bewunderung,weil sie den irak und den nahen osten und afghanistan demokratisieren wollten...aber da die leute da so "daemlich dumm" sind haben sie das anscheinend nicht verstanden und fluechten nun nach europa...luka ist schuld an allem.

Wieder Mann
13. November 2021 - 15.27

Wessen Geister ich rief, könnte man die europäische Politik definieren. Die Flüchtlingskrise mit am Anfang nur vor dem Krieg flüchtenden Menschen , das Bild sich inzwischen geändert , die Menschen jetzt flüchten um bessere wirtschaftliche Konditionen . Die EU hat mit ihrer humanistischen Politik , solch Despoten wie Lukaschenko oder auch Erdogan das Potential „ Flüchtling“ als Waffe der Erpressung, der Destabilisierung auszunutzen. Die verantwortungslose Politik ohne Weitsicht europäischer Politiker rächt sich jetzt, ein sich herausschälender Konflikt, Krieg mit katastrophalen Folgen für den europäischen Kontinent . Die Flüchtlinge an der Grenze zu Polen sind Mittel zum Zwecke die Europäer in einen Krieg hineinzuziehen, die Weltordnung neu zu definieren.

Jeff
13. November 2021 - 12.54

Här Back, all dat wat Dir dem Lukaschenko reprochéiert, gëtt och vu Westlechen Staaten bedriwwen, mä do interesséiert et Iech jo offensichtlech net. Dir schwätzt vu Walbedruch, wou sinn är Fakten? Et war eng Minoritéit vu Leit un de Protester bedeelegt, wien seet Iech dass all déi aner net fir Hieren Präsident gestemmt hunn? Dass hien et zou léisst dass Mënschen erfréieren stemmt, mä ass EU dodran dann anescht? Huet d'EU Polen oder iergend engem anerem Alliéierten, gesot dass se Grenzen sollen op maachen fir dass Flüchtlingen opgeholl a verfleegt kennen ginn?' Mengen net, well esou schnell kennen se keen Prisong, oder wei et am Westen genannt gëtt, e Flüchtlingslager bauen. Dat mat der Ryanair ass ëmmer e flott Argument, mä dass USA vill méi wäit gaangen sinn, gëtt schnell ënnert den Teppech gekiert. Vun Dissidenten a Whistleblower schwätzen mir léiwer net .... soen just Snowden, Assange, Puigdemont ..... An EU ass keen Feind vu Russland, mä EU gesäit e Feind an eng bedroung a Russland, China etc .. all déi wou anescht Liewen wéi Sie et gären hätten, oder Wirtschaftlech besser do stinn sin béiser