LeserforumXavier Bettel und das Luxemburger Lob der Torheit

Leserforum / Xavier Bettel und das Luxemburger Lob der Torheit
Bettels Mogelei und die ausbleibende Empörung sind ein Schlag ins Gesicht für alle, deren Fortkommen auf Ehrlichkeit und Fairness basiert, findet unser Leserbriefschreiber Grafik: Pixabay

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„Geknäipt“ hat doch jeder mal. So zumindest lautet der unterschwellige Tenor der Luxemburger Reaktionen auf den mutmaßlichen Betrug ihres Premierministers. Xavier Bettel hat seine akademische Abschlussarbeit aus Lehrbüchern und aus dem Internet abgeschrieben? Wen kümmert’s?! Er hat ja damit ganz offenbar bewiesen, dass er schlau genug ist, um richtige Wissenschaftler hinters Licht zu führen. Das muss reichen. Macht den Mann zum Großherzog. Widmet ihm einen Feiertag!

Die Reaktionen sind so beschämend wie bezeichnend für ein Land, das seinen intellektuellen Minderwertigkeitskomplex seit jeher durch eine vermeintliche Bauernschläue zu kaschieren sucht. Als Legitimation für den unlauteren Wettbewerb muss die geringe Größe herhalten, von Rodanges Renert bis zu Gramegnas Finanzplatz sind Betrug und Schummelei längst zur heimlichen Nationaltugend avanciert. Neu ist indes die Gleichgültigkeit, mit der die Öffentlichkeit quer durch alle politischen Lager auf die Enthüllungen reagiert. Neu ist auch die Verachtung, die einem Journalisten entgegengebracht wird, der seine Arbeit gemacht hat – fast so, als sei er eine Petze, als wäre alles in Ordnung gewesen, hätte Pol Reuter bloß den Mund gehalten. Ein landbekannter Anwalt hat sich nicht einmal entblödet, ihn in dieser Zeitung als „fouilleur de poubelles“ zu bezeichnen – das ist vermutlich die „tendresse“, von der seine Verteidigerin sprach, die ihn gerade vor Gericht verteidigt. Die Anklage lautet auf Aufruf zum Hass. So mancher Vogel hat sich bereits beeilt, das Lied der Mächtigen von den Dächern zu pfeifen, wenn ihm das Wasser bis zum Hals stand. Dem neuen Hofnarren des Premiers steht die Schellenkappe allerdings schon länger besser zu Gesicht als der Talar.

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich halte Xavier Bettel nicht für einen schlechten Politiker und auch nicht für einen schlechten Menschen. Ich halte ihn nur für unredlich. Da dieses Wort keine Entsprechung im Luxemburgischen hat und das Konzept der Redlichkeit, so muss man annehmen, hierzulande nur wenigen geläufig ist, vielleicht ein kleiner Exkurs: Redlichkeit bezeichnet eine Tugend, die darin besteht, dass man zu jeder Zeit guten Gewissens von den eigenen Taten berichten kann, weil man in Übereinstimmung mit den eigenen und den gesellschaftlichen Ansprüchen handelt. Redlichkeit ist nicht zu verwechseln mit Ehrlichkeit, man kann durchaus redlich lügen, wenn man es aus Überzeugung für das Gelingen einer guten Sache tut. Redlichkeit ist die Kerntugend, die wir von Menschen erwarten sollten, die Entscheidungen treffen, welche potenziell unser Leben beeinflussen: Das gilt für den Politiker, für den Richter, für den Polizisten, für den Wissenschaftler und natürlich auch für den Journalisten. Wenn gegenseitiges Vertrauen zwischen Menschen eine Brücke ist, dann ist die Redlichkeit das Zement, mit dem sie erbaut wird.

Bettels Mogelei und vor allem die ausbleibende Empörung zementieren allerdings etwas anderes: nämlich die bittere Erkenntnis, dass ehrliche Arbeit sich nicht lohnt, dass man schummeln und betrügen kann, so viel man will, solange man sich nur in der richtigen Position befindet, und dass man damit Erfolg hat. Es ist ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich in seinem Studium den Arsch aufgerissen hat, um eine anständige, wissenschaftliche Abschlussarbeit zu schreiben. Es ist ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich dem Zynismus und der Heuchelei dieser Luxemburger Gesellschaft nicht beugen will. Man stelle sich für einen Moment vor, Bettel sei kein „guter Luxemburger“ – was dann wohl hier los wäre! Aber der Premierminister braucht sich nicht zu sorgen. An den Reaktionen aus dem Parlament ließ sich wunderbar ablesen, wer darauf hofft, auch noch im Jahr 2023 mit der DP zu koalieren. Oder wer es selbst vielleicht bei seiner Abschlussarbeit mit der wissenschaftlichen Praxis nicht allzu genau genommen hat. Vielleicht sollte man noch ein paar weitere Abschlussarbeiten von Luxemburger Politikern auf Plagiate untersuchen?

Vermutlich würde es nichts bringen. Am Ende sitzen sie alle, die Fälscher und Lügner, im trauten Kreis beisammen im Renert und stoßen an auf jenen, der den dreistesten Diebstahl verübt und als seinen geistigen Erguss ausgegeben hat. Und dann stellen sie sich vor die laufenden RTL-Kameras und rufen das Volk dazu auf, sich impfen zu lassen – immerhin gebietet das die Wissenschaft. Den Widerspruch bemerken sie vermutlich nicht einmal. Und die Wissenschaft selbst, die wagt es auch nicht, ihre Stimme zu erheben, wenn das Budget für die gutbezahlten Professorenstellen an der Universität in Belval doch aus den wohlbehüteten Schatzkisten von Bettels Parteifreunden fließt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Hätte Papst Urban VIII. Galilei doch nur bestochen, statt ihn zu verurteilen, die Welt stünde heute noch still.

Wenn wir als Gesellschaft Betrügereien adeln, statt sie zu verurteilen, stoßen wir damit eine Entwicklung an, die uns langfristig schwer auf die Füße fallen wird. Wenn Lügen salonfähig werden, entziehen wir uns die Basis für einen Dialog, der auf überprüfbaren Fakten gründet, wir öffnen damit einer Kultur die Tür, die sich vom Trumpismus maximal noch durch seine Wortwahl, aber nicht mehr durch den Inhalt unterscheidet. Der Inhalt wird zur beliebigen Spachtelmasse degradiert, mit der man seine Absichten verkleistert. Das Resultat: noch mehr Politikverdrossenheit, noch mehr Misstrauen gegenüber Politikern. Deswegen verstehe ich nicht, weshalb nicht zumindest die Jugendorganisationen der Parteien mobil machen und vor das Staatsministerium ziehen. Denn diese Affäre sickert gerade wie chemische Fabrikabfälle in den Boden, auf dem sie planen, in Zukunft Politik zu betreiben.

Aber vielleicht irre ich mich auch und die Jungen sind gar keine Idealisten mehr, sondern haben den Zynismus ihrer Vorgänger längst umarmt, um in der Parteienhierarchie die Karriereleiter zu erklimmen. Dann fragt sich allerdings, wie sie gedenken, dieses Land in Zukunft zu regieren. Wenn nicht mit Redlichkeit, dann vielleicht mit Torheit. Dann heißen die Vorbildfiguren eben nicht mehr Jean Monnet, Robert Schuman oder Willy Brandt, sondern eben Gaston Vogel. Ein kleiner Geist passt letztlich auch besser zu einem kleinen Land, oder?

Joëlle
7. November 2021 - 14.29

@Nomi "Sie mussen nach bei engem potentiellen Noofolger d’schecken ob dee keng Laich am Keller huet !" Et sinn dach keng Fësch!

Hary
7. November 2021 - 14.27

@ Nomi "Wann den Bettel elo wellt Demissionei’eren," Vu wat dreemt Dir nuets? "Sie mussen nach bei engem potentiellen Noofolger d’schecken ob dee keng Laich am Keller huet !" Äre Foltermischi huet vill Skeletter am Keller. Vu Kéi.

werner
7. November 2021 - 14.26

@Net mat mir "D‘Letzebuerger sin en dommt Vollék . " Soss hätten se ni d'Pafe gewielt. "D’Regierong huet op Basis vin enger Oflauschteraktion sech un d’Muecht geputscht" Si hunn 2 Wale gewonnen a wäerten der nach vill weider wannen. Är Partei sinn dach just eng Usammlung vu Schuppsäck.

zillerthaal
7. November 2021 - 14.24

Wenigstens klaut er nicht aus Partei- oder Freundeskreiskassen, wie verschiedene andere Parteien. Mich kümmert das einen Dreck, was er in der Schule getan hat, womöglich hat er auch noch gekifft? Nobody cares

d'Mim
6. November 2021 - 18.51

Ech froe mech firwat d'Uni esou laang brauch fir e puer Seiten ze kontrolléieren. Bizarre, bizarre !

jaanmala
6. November 2021 - 3.08

Lo waarden mer op Nanzeg bis Dezember Dann hu se Zäit alles ënner den Teppech ze geheien. Et ass eng Farce géint d'Lëtzebuerger volk. Ass net méi glafwierdeg???

Sepp
5. November 2021 - 12.39

Soen mer mol sou: All déi Idee'en déi hei am Land vun der Entscheidungsträger emgesat ginn, sinn keng Idee'en vun denen Leit, mee Saachen déi se vun aneren Länner geknäipt hunn, dann Experten gefrot hunn ob dat och hei am Land geet, an dann get dat als eegen Idee verkaf. Am Fong kéinten se och e Marché public vun Idee'en opman, wou jiddereen seng Idee'en veröffentlecht, mam eenzegenen Nodeel dass een keng Politiker-Paie kritt.

Clemi
5. November 2021 - 12.30

gut geschrieben, danke. "Das Resultat: Noch mehr Politikverdrossenheit, noch mehr Misstrauen gegenüber Politikern." - darüber sollte sich in luxemburg fast kein (national)-politiker mehr wundern, sie arbeiten fast alle eifrig dran, dass es wirklich ständig mehr wird. ohne wahlpflicht würde ich luxemburg stand heute einen taux d'abstention von 60-70% voraussagen.

Paul
5. November 2021 - 11.51

Och @nët mat mir, dat ass den Nol ob de Kapp ! Wou bleiwt dPress déi hieren Lieser dat alles nees obfrëscht an Hannergrënn erklärt, Zesummenhäng kloer duer leet? Esou lang eng Press vun deenen selweschten "gefiddert" gëtt, esou lang déi Journalisten an der Hoffnung liewen, eng Kéier als Minister an enger Regierung ze sëtzen oder als Hinterbänkler an enger Chamber ofzehaenken kann et mat e puer Ausnahmen keen onofhaengegen Journalismus ginn.

Nomi
5. November 2021 - 11.17

Wann den Bettel elo wellt Demissionei'eren, geht net so'u schnell ! Sie mussen nach bei engem potentiellen Noofolger d'schecken ob dee keng Laich am Keller huet !

Net mat mir
5. November 2021 - 10.20

D‘Letzebuerger sin en dommt Vollék . D’Regierong huet op Basis vin enger Oflauschteraktion sech un d’Muecht geputscht an helleg versprach éierlech ze sin Wéi éierlech des Regierongskoalitioun ass, hun d’Affäeren Schneider,Nagel,Semedo,Dieschbourg,Meisch,Bausch an Bettel ons bewisen. Mir gin Belin, hannert Liicht gefouert an elo huet den Häer Bettel an co nach eng dropgesat , déi déi sech bespetzelt gefillt hun , bespetzelen elo selwer an froen d’Daten vun den Bierger op der digitaler Plattform Signal . Am Daitschen schwäetzen vun „ Lug und Betrug“ an dann muss een och den Courage hun sain Titel den erknaipt gin ass ofzegin , d’Konsequenz ze demissionéieren zéien, allés anescht en Schlag an d’Gesiicht déi sech alles éierlech erschafft hun.

Grober J-P.
5. November 2021 - 9.46

"Wenn wir als Gesellschaft Betrügereien adeln" Haben Sie schon mal nachgezählt wieviele "Blender" es schon in den höchsten Ämtern gegeben hat, denen viele auf den Leim gegangen sind? Z.B. The Donald, the Sebastian, the Karl-Theodor...... Hierfür gibt es ein neues Wort, the Faker!

Patrick W.
5. November 2021 - 9.45

Gutt geschriwwen de Lieserbréif. Lo waarden mer op Nanzeg bis Dezember. Net dat do nach eng Säit fonnt gëtt, mat den Quellenangaben vun deemools 1999. Eng Säit, déi op der UNI an den Archiven vertässelt gouf, an de Premier sech net erënnert. Eng Hypotheese just, mat Humor ze huelen.

Therese
5. November 2021 - 9.44

Wonnerbaren Artikel. Eis Politiker sin just nach e Club vun Schwätzer,Lobbyisten,Opportunisten an virun allem inkompetent. Wasser priedegen an awer Wein drenken! Wann een eigentlech analyseiert,wat dei ganz Sippschaft do vun sech get,dann laafen engem d'Schudderen de Reck erof. Dir hut Recht wann Dir schraift: "Am Ende sitzen sie alle, die Fälscher und Lügner, im trauten Kreis beisammen im Renert und stoßen an auf jenen, der den dreistesten Diebstahl verübt und als seinen geistigen Erguss ausgegeben hat." Sie laachen hannert dem Reck vum Vollek an freen sech drun,wéi se eis erem konnten belei'hen an ofzocken. Wéini machen mir deem Spuk en Enn? Leider sin d'Letzebuerger nach zevill guddgleeweg an vertrauen deelweis op d'Politiker.Ech soen "nach" well dat wärt sech änneren an déi Politiker,déi nach net dat senkend Scheff verloss hun,mussen d'Rechnung droen,déi gepeffert ausfällt.

Klod
5. November 2021 - 9.33

Dieser "vogelfeindliche" brief enthaelt doch recht viel gekuenstelte entruestung...und dann noch am ende den cognac haendler monnet,der als u boot der us dienste in frankreich und europa agierte,als vorbild und grossen geist darzustellen...naja.

Grober J-P.
5. November 2021 - 9.28

„Geknäipt“ hat doch jeder mal." Jawoll, stimmt, leider wurde ich dabei erwischt. Andersrum wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen. "Redliche" Politiker gibt es immer seltener. Luxemburg hat sich eben seinen kleinen Vogel "redlich" verdient. Sagt mir bitte, dass das alles nur durch die Pandemie so gekommen ist.

HTK
5. November 2021 - 9.20

Wenn das mal nicht das Schwingen des Racheschwertes ist. Einer für alle,alle für einen. Der "Schlag ins Gesicht der studierenden Truppe" kam doch auch eher von den "gut bezahlten unkündbaren Beamten im Professorenstatus als von einem jungen Studenten der seinen Abschluss schon in der Tasche hatte, als er sich erdreistete zu mogeln bei der nächsten Stufe. Mal ehrlich,würden wir allen Studenten die geschummelt haben und nicht erwischt wurden,vom Gymnasium bis zur Uni, den Weg für die Zukunft versperren,dann sähe es düster aus. Die Frage ist doch ob Bettel in seiner Funktion(für die er gewählt wurde) gute Arbeit geleistet hat oder nicht.Alle Leute,inklusive ein bekannter Anwalt,die empört sind über diese doch sehr späte "Aufdeckung" eines Jugendfehlers eines populären Politikers,als kleine Geister zu bezeichnen ist ja auch erste Sahne. Hat da jemand am Image des "investigativen" Journalismus gekratzt oder auch nur gefragt " Qui bono?"? Aber populäre Leute fertig machen ist immer ein Kassenschlager.Oder haben sie schon von einem normalen Otto von der Straße gelesen,der beim Schummeln in einem Abschlusstest NICHT erwischt wurde,weil der Professor gepennt hatte? Nein.Das wären keine Nachrichten,keine Gassenhauer. Das Image des Premier ist geschädigt.Bravo. Aber wen nehmen wir als Nächsten? Also ihr zukünftigen Politiker.Checkt eure Zensuren und lasst eure Arbeiten verschwinden sonst landet ihr bald auf der Straße eines kleinen Landes mit kleinen Geistern.

Wieder Mann
5. November 2021 - 8.24

Im Märchenland Luxemburg bugsierten sich einige Parteien mit einem Abhörskandal an die Macht . Mit Ehrlichkeit und gelobter Transparenz wollten sie das Märchenland reformieren, gelobten ein Land wo Honig und Milch fliesst. Wie so oft in Märchen , der Wolf im Schafspelz mit an die Öffentlichkeit gelangten Affären , Skandalen ,Mauscheleien lehrt uns eines Besseren. Die Geschichten um Nagel, Semedo,Cahen,Dieschbourg,Bausch gegen Braz ,…….Bettel sind Wegweiser wie transparent die Märchenwelt mit ihren Königen, Königinnen ,Hexen, bösen Trollen die einfachen Bauern an der Nase herumführt. Nicht nur im „ Kloertext „ (RTL) eine blaue Nachwuchskönigin den Bürger für nicht fähig hält über eine Verfassungsreform abzustimmen, hat die durch den „ Spetzeldéngscht „ an die Macht gekommene Regierung ihrerseits die altbewährte Schnüffeltaktik mit Kauf von Bespitzelungssoftware und dem Anfragen nach Daten von luxemburgischen Benutzern der Plattform Signal noch einen Skandal aufgesetzt. Dieser Coup einer transparenten , gerechten,humanitären „ Nie wieder ein Abhörskandal“ Regierung blieb größtenteils im Rummel der Bettel -Spick-Affäre und dem mit einer Armada an umweltfreundlichen ,CO2 neutralen Flugzeugen angereisten Klimapolitiker,-Wissenschaftler in Glasgow in unserer Märchenlandpresse unerwähnt.