BosnienÜberreizte Sezessionskarte: Serbenführer Milorad Dodik bugsiert sich ins Abseits

Bosnien / Überreizte Sezessionskarte: Serbenführer Milorad Dodik bugsiert sich ins Abseits
Die dreiköpfige Präsidentschaft von Bosnien-Herzegowina: Serbenführer Milorad Dodik (l.) zeigt offensichtlich den beiden anderen Präsidenten, dem Vertreter der Kroaten, Zeljko Komsic (M.), und dem Vertreter der Bosniaken, Sefik Dzaferovic (r.), gerne, dass er nichts mit ihnen gemein hat Foto: Elvis Barukcic/AFP

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Immer wenn sich Wahlen nähern, setzt Bosniens Serbenführer Milorad Dodik auf die nationalistische Sezessionskarte. Doch mit der Drohung, eine eigene Armee für den Teilstaat der Republika Srpska zu schaffen, scheint er den Bogen überspannt zu haben. Selbst Belgrad scheint allmählich von ihm abzurücken.

Ausgerechnet nach einem Treffen mit EU-Botschaftern zündete Bosniens Serbenführer Milorad Dodik Mitte Oktober die nächste Eskalationsstufe beim eifrigen Anheizen der Dauerspannungen im Vielvölkerstaat. Auf die „feine Art“ – wie 1991 die Slowenen in ihrem Unabhängigkeitskrieg – werde die Republika Srpska (RS) die Kasernen der bosnischen Streitkräfte „übernehmen“, kündigte der 62-Jährige auf einer Pressekonferenz in Ost-Sarajevo die Schaffung einer Armee für den Teilstaat an.

Nach der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes durch das Teilstaatsparlament würden die Kasernen der RS „noch in derselben Nacht den neuen Armee-Strukturen zur Verfügung gestellt“: „Wir werden Wachleute haben. Wir werden sagen, wer hinein darf und wer nicht. Ich glaube, dass das die bosniakischen und kroatischen Soldaten verstehen werden.“

Selten hat Dodik seine Sezessionsfantasien derart detailliert ausgemalt. Immer wenn sich ein Urnengang nähert, setzt das serbische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium des labilen Vielvölkerstaats zwar auf die nationalistische Sezessionskarte. Doch ein gutes Jahr vor Bosniens Parlaments- und Teilstaatswahlen scheint sich der Meister der selbst ausgelösten Krisen mit undiplomatischen Ausfällen gegen heimische Widersacher und westliche Würdenträger noch selbst zu übertreffen.

Wir werden Wachleute haben. Wir werden sagen, wer hinein darf und wer nicht. Ich glaube, dass das die bosniakischen und kroatischen Soldaten verstehen werden.

Milorad Dodik, über seine Pläne, wie er die Kasernen Bosniens übernehmen will

Mal lässt Dodik den US-Sondergesandten Gabriel Escobar wissen, dass er sich „einen Dreck“ („fuck“) um angedrohte Sanktionen schere. Dann schmäht er den mit seinem Amt hoffnungslos überfordert wirkenden Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (OHR) Christian Schmidt als „Tourist“, der sich wegen des „hohen Gehalts“ auf das „tote OHR-Pferd“ habe hieven lassen. Oder er wirft der US-Botschaft vor, als „Epizentrum der Destabilisierung“ aus Bosnien einen „Muslimstaat“ machen zu wollen.

Rückhalt aus Belgrad schwindet

Nicht nur mit der Ankündigung, alle seit Ende des Bosnienkriegs (1992-95) vom OHR erlassenen Gesetze für nichtig zu erklären und an den Zentralstaat abgetretene Zuständigkeiten wieder zu übernehmen, sorgt der serbische Rumpelpatriot vor allem bei den Politikern der muslimischen Bosniaken für Empörung: Per Dienstlimousine ließ Dodik letzte Woche einen Harmonika-Spieler in sein von ihm sonst kaum frequentiertes Amtsbüro in Bosniens Staatspräsidium chauffieren, um seine Geringschätzung der Institutionen des Zentralstaats mit eifrig ausgeschenktem Rakija und dem Absingen patriotischer Serbenlieder zu demonstrieren.

Es ist vor allem die Sorge um seinen Machterhalt, die Dodik zum diplomatischen Daueramoklauf treibt. Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit gehen nicht nur mit einem anhaltend hohen Emigrationsaderlass, sondern auch im Teilstaat mit wachsender Unzufriedenheit einher. Mehrere Korruptionsskandale während der Pandemie haben das Ansehen seiner SNSD zusätzlich geschwächt. Bei der Kommunalwahl vor Jahresfrist siegte in der RS-Hauptstadt Banja Luka die Opposition.

Mit dem populären Neu-Bürgermeister Drasko Stanivukovic ist Dodik im Teilstaat nicht nur beim Buhlen um die Wähler ein ernsthafter Konkurrent erwachsen: Auch Serbiens Staatschef Aleksander Vucic scheint in dem von ihm bereits im Januar nach Belgrad geladenen Jungpolitiker eine Alternative zu seinem bisherigen Statthalter in Banja Luka zu sehen. Selbst in Belgrad scheint der international zunehmend isolierte Dodik keine Unterstützung für seine Armee-Pläne zu erhalten. Eher kleinlaut sprach sich Dodik nach einem Treffen mit Vucic am Wochenende für die Verlängerung des auslaufenden Mandats der internationalen Eufor-Schutztruppe aus.

Armselic
27. Oktober 2021 - 14.27

Dass ausgerechnet die Ostblock-Länder, die 60 Jahre unter der Sowjetfuchtel litten, heute beim Angebot einer Freiheit die sie nie kannten,auf Nationalismus setzen um Ethnien aus dem Weg zu schaffen oder ihren Egoismus zu befriedigen,ist unverständlich.Oder ist das vielleicht die Ursache? Haben wir nicht dasselbe gesehen in Indien oder im Irak? Sobald der Druck der Diktatur wegfällt fallen die ethnischen Gruppen über einander her wie die Barbaren." Unmündigkeit!" war die Schlussfolgerung die Kant traf als er dieses Gebaren untersuchte. Lieber Elend und Tod über die eigene und andere Gruppen bringen als mit diesen zusammenleben. Serben/Kroaten-Moslems/Juden-Katholiken/Protestanten.Die Liste ist endlos. Solange Religionen predigen "Wir sind die Guten. Alles andere ist Böse." werden wir nicht weiterkommen.