Alain spannt den BogenZwei Solisten verschiedener Generationen

Alain spannt den Bogen / Zwei Solisten verschiedener Generationen
Die Geigerin Lea Birringer (C) Fandel

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die im Saarland geborene Lea Birringer ist schon eine absolut fantastische Geigerin, die ich ohne zu zögern in einem Atemzug mit Anne-Sophie Mutter, Julia Fischer, Isabelle Faust oder Janine Jansen zu nennen wage.

Ihre neue CD „Transformation“ ist demnach absolut hörenswert, zumal der Musikfreund hier nicht nur einer außergewöhnlichen Interpretin begegnet, sondern zudem Bekanntschaft mit einem äußerst abwechslungsreichen und interessanten Programm macht und so erkennt, welchen Einfluss Bach in seinen Solowerken für Violine auf nachfolgende Generationen hatte.

Am vergangenen Samstag konnte man Lea Birringer anlässlich des Release-Konzerts ihrer neuen CD in der Q-Lisse in Quierschied live erleben. So begann das Konzert dann auch mit der Partita Nr. 3 von Johann Sebastian Bach. Birringer spielte das Werk recht schnell und schnörkellos, was auch gut zu dem dunkeltimbrierten und erdigen Klang ihrer Violine passte. Livekonzerte für Violine-Solo sind immer ein Salto Mortale, denn dieses Instrument verlangt ohne orchestrales Rettungsnetz eine hundertprozentige Beherrschung und Konzentration. Aber mit Lea Birringer war man immer auf der sicheren Seite. Die einzelnen Stücke wurden von ihr humorvoll, persönlich und vor allem verständlich anmoderiert, was natürlich gerade für die beiden unbekannten Stücke von Ernst-Lothar von Knorr (1896-1973) und Lera Auerbach (*1973) wichtig war.

Auch hier glänzte die Violinistin mit einem ebenso virtuosen wie überlegten Spiel. Knorrs Partita aus dem Jahr 1946 war für mich eine absolute Entdeckung; der Zeitgenosse von Paul Hindemith vereinigt auf kongeniale Weise barocke Formen, romantisches Pathos und moderne Ideen.

Sehr modern, aber durchaus unterhaltsam und anspruchsvoll ist Lera Auerbachs par.ti.ta aus dem Jahr 2007, die Bachs Kompositionswelt quasi analysiert und in einzelne Stücke zerlegt und wieder zusammenfügt, dies in einer sehr kontrastreichen und dichten Musiksprache. Lea Birringer, die sich gerne von ausgetretenen Pfaden entfernt und Neues entdecken will, hat merklich Spaß an der Interpretation und den Möglichkeiten, die Auerbach ihrer Interpretin bietet.

Mit einer ebenso wunderschön wie intensiv gestalteten a-moll Sonate Nr. 2 von Eugène Ysaÿe ging das Konzert zu Ende. Hier bewies Lea Birringer ihre große Kunst, in die Tiefe eines Werkes einzudringen, dies mit einer Natürlichkeit, Schlichtheit und Unaufdringlichkeit, die man selten hört. Die Musik der Komponisten stand bei diesem Konzert immer in Vordergrund, Lea Birringer sah sich als Vermittlerin zwischen Musik und Publikum. Und das dankte es ihr mit lautstarkem und wohlverdientem Applaus. Für ihre CD „Transformation“, erschienen bei Rubicon, hat die Musikerin zusätzlich noch Max Regers eher kurze, zweisätzige aber sehr komplexe Komposition Präludium und Fuge in d-Moll op 117 eingespielt.

Zum Gedenken an Jean Wenandy

Er gehört zu den herausragenden Pianistenpersönlichkeiten der Gegenwart und er ist einer jener raren Künstler, die noch die traditionelle deutsche Schule in ihrem besten Sinne vertreten. Keine Mätzchen, keine Experimente, keine konstruierten Interpretationen; Gerhard Oppitz ist ein Pianist, der die Musik aus ihrem Kern her gestaltet, die Interpretation wächst von selbst.

Sicher, das mag heute etwas konservativ und altbacken klingen, wer aber Oppitz im Konzert erlebt, der wird ganz schnell merken, dass hier ein ganz Großer zu Werke geht. Der Brahms-, Schubert und Beethoven-Spezialist spielte am vergangenen Montag das beliebte 2. Klavierkonzert von Camille Saint-Säens, dessen 100. Todestag wir in diesem Jahr begehen.

Oppitz Sichtweise war natürlich recht traditionell und konnte seine Vorliebe für das deutsche Repertoire nicht kaschieren. Zusammen mit den „Solistes européens Luxembourg“ unter Christoph König erlebte das Publikum einen recht Brahms-nahen Saint-Säens, was das Hörvergnügen aber keineswegs trübte, da der Komponist, übrigens der erste, der in Frankreich Klavierkonzerte schrieb, für französische Verhältnisse hier doch recht deftig komponiert und instrumentiert und sich dabei oft deutschen Vorbildern nähert.

Französischen Feingeist fand man in Olivier Dartevelles „Nouvelle Antigone“, einem Auftragswerk des Kulturministeriums, das hier als Uraufführung gespielt wurde. Dartevelle hat mit „Nouvelle Antigone“ ein wundervoll instrumentiertes, musikalisch wohl ausbalanciertes und auch klanglich raffinierteres Werk geschaffen, in dem man manchmal Anklänge an Ravel und Debussy, aber auch an Bernstein und Stravinsky heraushören kann.

Trotzdem ist „Nouvelle Antigone“ ein ganz eigenständiges Stück; die Sprache ist verständlich und in jedem Takt überrascht uns Dartevelle mit tollen musikalischen Einfällen. Exzellent die Wiedergabe durch die SEL, die an diesem Abend spielerisch und interpretatorisch keine Wünsche offenließen. König zeigte sich in allen Werken inspiriert, sodass auch die Ouvertüre in C-Dur des eher unbekannten Albert Hermann Dietrich, einem Freund und Zeitgenossen von Schumann und Brahms, zu einem echten Hingucker wurde.

Großartig auch die 3. Symphonie von Johannes Brahms, die uns Christoph König in einer einerseits sehr pastoralen, andererseits ungewöhnlich dramatischen Leseart vorstellte. Bis auf einen Kiekser zum Schluss leisteten vor allem die Blechbläser hervorragende Arbeit und glänzten mit einem homogenen, goldenen Klang. Gewidmet war dieses Konzert dem kürzlich verstorbenen Jean Wenandy, „Mitbegründer, Freund und Spiritus Rector des Orchesters“, so Christoph König in seiner Rede.

Zu seinen Ehren spielten „seine“ „Solistes européens Luxembourg“ vor der Brahms-Symphonie das „Air“ von Johann Sebastian Bach.