Frankfurter Buchmesse„Das Unaussprechliche zur Sprache bringen“: Buchpreis für Strubel

Frankfurter Buchmesse / „Das Unaussprechliche zur Sprache bringen“: Buchpreis für Strubel
 Foto: dpa Pool/dpa/Sebastian Gollnow

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„Blaue Frau“ von Antje Rávik Strubel ist für die Jury das beste deutschsprachige Buch des Jahres. Das Thema ist herb, das Lob groß. Die Dankesrede nutzt die Preisträgerin für ein Plädoyer.

Acht Jahre hat Antje Rávik Strubel an ihrem Roman „Blaue Frau“ geschrieben – nun hat sie dafür den Deutschen Buchpreis erhalten. Es ist eine der angesehensten Ehrungen des Landes für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres. Als am Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römer die Entscheidung verkündet wird, springt Strubel auf, fällt ihrer Verlegerin und weiteren Förderinnen begeistert um den Hals.

Der bei S. Fischer erschienene Roman schildert die Flucht einer jungen Tschechin vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung. Das Buch spielt in Berlin, der Uckermark, Helsinki – und im inneren Exil der weiblichen Hauptfigur, die vier verschiedene Namen trägt. Der „aufwühlende Roman“ überzeugte die Jury: Die Autorin behandle das Thema „mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision“.

„In einer tastenden Erzählbewegung gelingt es Antje Rávik Strubel, das eigentlich Unaussprechliche einer traumatischen Erfahrung zur Sprache zu bringen“, urteilte die Jury. „Die Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung weitet sich zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa und Machtgefälle zwischen den Geschlechtern.“

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Die Dankesrede nutzt Strubel für ein Plädoyer für geschlechtergerechte Sprache. Sie sei überwältigt und sprachlos, gesteht sie zu Beginn, aber sie könne nicht sprachlos hier stehen „in diesen zänkischen Zeiten“. Es herrsche „ein Gezerre und Gezeter und ein furchtbarer Krieg – ein Krieg, der über Benennungen und Bezeichnungen geführt wird“. Es sei doch eigentlich selbstverständlich, „dass man mit dem Namen angesprochen werden möchte, mit dem man sich angesprochen fühlt“: Sie sei „Schriftstellerin – und als solche manchmal ausgezeichnet mit einem Sternchen“.

Strubel wurde 1974 in Potsdam geboren. Sie machte zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin und studierte dann in Potsdam und New York Psychologie und Literaturwissenschaft. Später lebte sie unter anderem in Schweden, bevor sie wieder nach Potsdam zurückkehrte. Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit übersetzt sie aus dem Englischen und Schwedischen.

Strubel ist keine Unbekannte. Sie hat bereits mehrere Romane veröffentlicht, unter anderem „Unter Schnee“ (2001), „Fremd Gehen. Ein Nachtstück“ (2002), „Tupolew 134“ (2004), „Kältere Schichten der Luft“ (2007), „Sturz der Tage in die Nacht“ (2011) und „In den Wäldern des menschlichen Herzens“ (2016).

2011 stand sie schon einmal auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Sie war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, wurde mit dem Rheingau-Literatur-Preis, dem Hermann-Hesse-Preis und dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet.

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„Die Autorin hat ein wirklich großes Buch geschrieben“, findet Jury-Mitglied Beate Scherzer, „sehr sprachgewandt, mit einem tollen Spannungsbogen“ und dabei auf der Metaebene auch „ein großer Roman über das Schreiben“. Siv Bublitz, Verlegerin des S. Fischer-Verlages, der Strubel um den Hals fiel, findet das Jury-Votum „eine tolle Entscheidung“. Der Roman sei „sehr zeitgemäß“, aber auch ein Buch, „das die Sprache feiert“.

Mit Spannung hatten die sechs Kandidatinnen und Kandidaten der Shortlist auf das Votum der Jury gewartet. Neben Strubel waren Norbert Gstrein („Der zweite Jakob“), Christian Kracht („Eurotrash“), Thomas Kunst („Zandschower Klinken“), Mithu Sanyal („Identitti“) und Monika Helfer („Vati“) in die letzte Runde gekommen. Strubel erhält als Siegerin 25.000 Euro, die anderen fünf je 2.500 Euro.


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