UngleichheitenStatec-Studie mit überraschenden Ergebnissen

Ungleichheiten / Statec-Studie mit überraschenden Ergebnissen
Jérôme Hury und Serge Allegrezza stellen den „Rapport travail et cohésion sociale“ vor  Foto: Editpress/Alain Rischard

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Am Donnerstag hat Statec eine Studie vorgestellt, von dessen Ergebnissen das statistische Institut selber überrascht wurde. So sind hierzulande während der Covid-Krise die Ungleichheiten, was das Einkommen betrifft, nicht weiter gewachsen. Sie sind stabil geblieben.

Wirtschaftlich und sozial gesehen sei das Land mit einem blauen Auge davongekommen, erklärten die Statistiker am Donnerstag bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts zu Arbeit, Wohlstand und Armut in Luxemburg. Die Ungleichheiten bei den Einkommen sind im vergangenen Jahr, trotz Pandemie, nicht weiter gestiegen. Auf der Pressekonferenz von 2020 klang das alles noch ganz anders: Die Covid-Krise schaffe neue Ungleichheiten, hieß es damals.

„Es hat im vergangenen Jahr keine Explosion bei den Ungleichheiten gegeben. Die befürchtete Katastrophe ist nicht eingetreten“, unterstrich Statec-Direktor Serge Allegrezza dieses Jahr. „Wir sehen eine gewisse Stabilität“, sagte auch Jérôme Hury, zuständig für den Fachbereich „Soziales“ bei Statec. „Zwischen den Jahren 2019 und 2020 haben wir keine signifikanten Unterschiede gefunden.“

Die beiden wichtigsten Indikatoren zur Messung der Armut sind stabil geblieben oder haben sich, verglichen mit dem Vorjahr, sogar leicht verbessert. Das Armutsrisiko lag 2020 bei 17,2 Prozent. Als armutsgefährdet zählt, wer weniger als 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens verdient. Der Gini-Koeffizient lag bei 0,306. „0“ bedeutet, dass jeder Mensch genau das Gleiche verdient – bei „1“ erhält eine Person alle Einkommen.

Lob für die Hilfsmaßnahmen der Regierung

Dass das Resultat eine derartige Stabilität ergeben würde, sei im Vorfeld nicht klar gewesen, so Allegrezza weiter. Vergangene Pandemien hätten ganz unterschiedliche Folgen gehabt. So seien die Ungleichheiten im Mittelalter in Europa nach der Pest deutlich zurückgegangen – im Rahmen der „Spanischen Grippe“ hätten diese jedoch deutlich zugelegt.

Zudem gebe es Unterschiede zwischen den Ländern. „In manchen sind die Ungleichheiten gestiegen, in anderen sind sie gefallen.“ Sicher sei, dass staatliche Hilfsmaßnahmen, wie etwa die Kurzarbeit, hierzulande dabei geholfen haben, die Folgen der Pandemie abzumildern, sagte Allegrezza am Donnerstag. Der Sozialstaat habe stark eingegriffen und die Ungleichheiten stabilisiert.

Die Auswirkungen der Corona-Krise hat die Luxemburger Wirtschaft, im Gegensatz zur Europäischen Union, bereits seit Monaten hinter sich gelassen. Hierzulande liegt die Wirtschaftsleistung bereits 3,5 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Für 2021 rechnet Statec mit einer Rekord-Wachstumsrate von 6 Prozent. 

„Die Menschen fühlen sich weniger gut“

Und doch: „Auch wenn die Statistiken dies nicht zeigen, so fühlen sich die Menschen weniger gut“, fügte Jérôme Hury hinzu. Umfragen hätten gezeigt, dass rund ein Viertel der Menschen Stress bei finanziellen Fragen spüren. Bei Haushalten mit Kindern, so wie auch bei Mietern und bei Menschen ohne Arbeit, steige dieser Anteil auf ein Drittel. „Es gibt Druck auf die weniger wohlhabenden Haushalte“, so Allegrezza. Eine große Sorge sei, wenig überraschend, das Wohnen.

Als „wirklich arm“ bezeichnet Statec, einer neuen Rechnung zufolge, 5,6 Prozent der Luxemburger Haushalte. In dieser wird nicht nur das Einkommen, sondern auch andere Faktoren, wie etwa der Besitz, analysiert. „Haushalte mit zwei Erwachsenen, die beide arbeiten, stehen am besten da“, sagte Hury. „Mit Kindern steigt dann das Armutsrisiko.“ Am schlimmsten sehe es für Alleinerziehende aus, die 3 Prozent der Gesellschaft ausmachen. Relativ hoch sei das Armutsrisiko zudem bei jungen Menschen: sowohl beim Einkommen als auch beim Besitz.

Außerdem bleibt der langfristige Trend hin zu mehr Ungleichheiten, über mehrere Jahre betrachtet, ungebrochen. Im Jahr 2000 lag das Armutsrisiko hierzulande erst bei 12 Prozent und der Gini-Koeffizient bei 0,26. Für die Zukunft gibt sich der Statec-Direktor eher vorsichtig: „Mal sehen, was das Jahr 2021 uns bringen wird.“

Mehr psychologische Probleme auf dem Arbeitsplatz

Auch vom Arbeitsmarkt, der sich eigentlich gut entwickelt, gibt es nicht nur gute Nachrichten. Selbst wenn er sich bereits wieder von der Krise erholt hat, so stelle man leider fest, dass die Langzeitarbeitslosigkeit stark zugelegt hat, so die Statistiker. Das betreffe mittlerweile mehr als 50 Prozent der Arbeitslosen. Darunter viele Frauen und viele Menschen mit Diplom.

Die Zahl der Arbeitsunfälle sei derweil 2020 rückläufig gewesen, sagte Hury. Das sei aber nicht ungewöhnlich, wenn aufs Jahr betrachtet 41 Prozent der Menschen im Home-Office waren. Luxemburg zählt diesbezüglich europaweit zu den Spitzenreitern. Sorgen bereitet den Statistikern jedoch die Tatsache, dass immer mehr Beschäftigte unter Stress, Mobbing und anderen psychologische Problemen leiden. Davon betroffen seien etwas mehr als drei Prozent der arbeitenden Bevölkerung.

Wieder Mann
16. Oktober 2021 - 5.36

Im Sinne des Staates, der politischen Führung „ an am Portemonni gesait et anescht aus“.