WM-QualifikationNicht die ganze VARheit: Schiedsrichter-Obmann Charles Schaack über einen strittigen Elfmeter

WM-Qualifikation / Nicht die ganze VARheit: Schiedsrichter-Obmann Charles Schaack über einen strittigen Elfmeter
Maxime Chanot war nicht begeistert von den Entscheidungen des französischen Unparteiischen  Foto: Gerry Schmit/sportspress.lu

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Der Video-Assistent-Referee (VAR) ist nicht unfehlbar. Charles Schaack, Schiedsrichter-Obmann der FLF, hat sich die beiden strittigen Entscheidungen der letzten zwei WM-Qualifikationsspiele der „Roten Löwen“ mehrmals angesehen – und vertritt den Standpunkt, dass eine der beiden Entscheidungen nicht korrekt war.

Es waren gerade einmal sieben Minuten gespielt, als das Unheil in Faro seinen Lauf nahm. FLF-Linksverteidiger Mica Pinto musste Bernardo Silva vorbeiziehen lassen, Sébastien Thill brachte den Rechtsaußen von ManCity im Zweikampf zu Fall. Was auch ohne Zeitlupe nach einem Foul außerhalb des Strafraums aussah, ließ der französische Unparteiische Benoît Bastien vom Videoassistenten (ebenfalls ein erfahrener FIFA-Schiedsrichter) überprüfen. Landsmann Hicham Zakrani, der im Video-Raum vor dem Schirm saß, wertete die Szene Foul im Sechzehner. Nach einer kurzen Absprache über Funk zeigte Bastien auf den Punkt. 

Für den Chef der Luxemburger Schiedsrichter, Charles Schaack, handelte es sich dabei um eine klare Fehlentscheidung: „Ich habe mir die Bilder jetzt noch zehnmal angeschaut und kann nur bestätigen, dass ich keinen Grund für einen Elfmeter gesehen habe.“ Er fügte erklärend hinzu: „Nach dem Foul setzt der Spieler (Sébastien Thill) seinen Fuß auf der Linie auf, aber das eigentliche Foul geschah deutlich davor. Die einzige Erklärung ist, dass das die Schiedsrichter bei ihrer Entscheidung irritiert hat.“

In den sozialen Medien tauchte während des Länderspiels das erste „Meme“ auf, das keinen Spielraum für Diskussionen lässt. Aus dieser Perspektive gesehen ist klar zu erkennen, dass sich keiner der betroffenen Spieler im Strafraum befand. „Wie viele Bilder und Perspektiven zur Verfügung gestellt werden, hängt von jedem Spiel ab. Sicher ist aber, dass die Videoassistenten mindestens die Fernsehbilder angezeigt bekommen.“

Schaack nahm die Unparteiischen trotz ihres Fehlers in Schutz: „Es handelt sich um eine Stresssituation, auch für die Leute im Kontrollraum. Es ist ja nicht so, als würde der VAR die Fehlerquote komplett ausradieren. Eine minimale Fehlerquote bleibt.“ Mit der Konsequenz, dass die FLF-Auswahl schon ab der achten Spielminute einem Rückstand hinterherlaufen musste und das Selbstvertrauen angeknackst war.

Es wäre Portugal nach dem starken Auftritt Unrecht getan, zu behaupten, dass die Begegnung ohne diesen Pfiff in eine komplett andere Richtung hätte laufen können. Allerdings hat das frühe 1:0 dem Weltranglisten-Siebten die Mission erleichtert. Für Schaack ist dies trotzdem kein Anlass, den Unparteiischen eine beabsichtigte Unterstützung des Favoriten zu unterstellen: „Fehler passieren, aber nicht nur gegen kleine Nationen. Ich verstehe, dass man sich benachteiligt fühlt und bin ja auch selbst nicht glücklich über das Ergebnis. Trotzdem gibt es niemanden, der sich bewusst aufseiten der größeren Nationen stellt – besonders weil den Schiedsrichtern jetzt ganz genau auf die Finger geschaut wird. Jeder Schiedsrichter macht Fehler, da muss dann auch dazu stehen.“

Dass FLF-Nationaltrainer Luc Holtz die Lage etwas anders bewertet, ist nicht verwunderlich. Einerseits, da der VAR nicht eingriff, als Ruben Mendes sich im zweiten Durchgang im eigenen Strafraum auf Maurice Devilles Schultern abstützte – aber eben auch, weil es erst drei Tage zuvor eine strittige Abseits-Szene gab, welche die Niederlage gegen Serbien besiegelte. „Ich frage mich, warum es den VAR überhaupt gibt …“, hatte sich der 52-Jährige im Anschluss an das 0:5 in Portugal geärgert. 

Kein zusätzliches Öl

Während der Coach die Winkel der UEFA-Linien beim Serbien-Spiel infrage stellte, hatte Schaack nach Beobachtung der Bilder eine andere Meinung: „Bei einer Abseitsentscheidung ist die Lage einfacher, da es keinen Interpretationsspielraum gibt. Es werden zwei Linien gezogen, horizontal und vertikal. In diesem Fall hob der Verteidiger (Carlson) das Abseits auf, da er ein kleines Stückchen tiefer stand. Ich war selbst im Stadion und dachte mir schon, dass das eine ganz enge Entscheidung werden würde. Die Standbilder lügen aber nicht, während man das mit bloßem Auge nicht so klar gesehen hat.“

Laut UEFA-Statuten greift der Video-Referee nur in „match-changing situations“ ein. In der deutschen Bundesliga wurde in der vergangenen Saison beispielsweise in 31 Spieltagen 88-mal auf den VAR zurückgegriffen. 80-mal wurde daraufhin korrekt entschieden (Eurosport). Schaack vertritt trotz dieser Fehlerquote einen klaren Standpunkt: „VAR ist das Beste, was auf dem Top-Niveau eingeführt wurde. Es wurden andere Sachen getestet, wie etwa mit sechs Schiedsrichtern, was nichts gebracht hat. Auf internationalem Niveau sind alle zufrieden, so wie es läuft. Fußball lebt von seiner Schnelligkeit, deshalb soll sich der Videoassistent auch wirklich nur in den entscheidenden Momenten einschalten. Es geht nicht darum, jede Situation zu analysieren. Das muss auch so bleiben.“

Deshalb wäre es falsch, den Zuschauern im Stadion weitere Informationen zu geben, fügte er hinzu: „Es würde zu weit gehen, wenn noch zusätzliche Erklärungen hinzugefügt werden würden. Man muss sich in dieser Situation als Zuschauer einfach mit der Entscheidung zufriedengeben. Es wäre ungünstig, ausgerechnet in Momenten, in denen die Emotionen ja ohnehin hochkochen, weiteres Öl ins Feuer zu kippen.“

Am 11. November werden die „Roten Löwen“ in Baku erwartet, drei Tage später gastiert zum Abschluss der Qualifikation Irland im Stade de Luxembourg. Bleibt also nur abzuwarten, ob es bei der ersten VAR-Kampagne einen versöhnlicheren Abschluss mit der modernen Technik gibt.