EnergieHohe Gaspreise: Eine außergewöhnliche Zeit, die wieder vorübergeht

Energie / Hohe Gaspreise: Eine außergewöhnliche Zeit, die wieder vorübergeht
Die Gaspreise sind in den vergangenen Monaten deutlich in die Höhe geschossen. Den Verbrauchern drohen im Winter erhebliche Mehrkosten. Foto: AFP/Loic Venance

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Die Preise für Erdgas sorgen derzeit europaweit für viele angeregte Diskussionen. Auf dem Weltmarkt ist der Energieträger aktuell so teuer wie noch nie zuvor. Gleichzeitig sind in Europa die Gaslager relativ leer. Im Gespräch mit dem Tageblatt reden die Experten vom Energieversorger Enovos von einer „speziellen Situation“. Gleichzeitig erklären sie, dass eine Beruhigung der Preise bereits in Sicht ist. Die Preise für die Endverbraucher werden trotzdem zulegen, wenn auch nicht im gleichen Maße wie auf den Großhandelsmärkten.

Wenn ein Unternehmen, wie beispielsweise der Energiekonzern Enovos, Gas kaufen will, dann tut es dies auf den Großhandelsmärkten. Doch hier gehen die Preise derzeit regelrecht durch die Decke. Seit neun Monaten steigen die Preise für Erdgas immer weiter und erreichen immer neue Allzeithöchststände.

„Es ist eine ungewöhnliche Zeit auf dem Gasmarkt. Die Preise, zu denen wir im Großhandel einkaufen, haben sich innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht“, so Erik von Scholz, CEO von Enovos Luxemburg, gegenüber dem Tageblatt. Während Käufer in der Vergangenheit zu „normalen Zeiten“ etwa 20 Euro für eine Megawattstunde (MWh) zahlen mussten, so sind die Preise auf mehr als 100 Euro pro MWh gestiegen.

Die Entwicklung sorgt für Nervosität in der Wirtschaft und für Hektik in der Politik. Bei Industrieunternehmen, die sich nicht rechtzeitig mit dem Energieträger versorgt haben, springen die Produktionskosten nach oben. Politiker sorgen sich um den bevorstehenden Winter: Werden die Haushalte die Kosten fürs Heizen stemmen können? Da Europas Gaslager zudem weniger voll sind als in den Vorjahren, kommen Fragen zur Versorgungssicherheit auf.

Die Gerüchteküche brodelt: Die Blicke richten sich nach Russland. „Wir alle müssen ein Auge auf mögliche Manipulationen der Gaspreise haben, sei es durch das Zurückhalten von Lieferungen oder eine gedrosselte Produktion“, hatte US-Energieministerin Jennifer Granholm zuletzt gewarnt. Eine Gruppe von über 40 EU-Parlamentsabgeordneten hatte dem russischen Energiekonzern Gazprom in einem Brief vorgeworfen, die Gaspreise vorsätzlich zu manipulieren. Demnach seien abnehmende Gaslieferungen durch die Ukraine ein Versuch aus Moskau, die deutsche Regierung zu einer schnelleren Genehmigung der Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 zu bewegen. Gazprom streitet die Vorwürfe ab. Handfeste Belege gibt es keine.

„Europa ist keine Insel mehr“

„Entscheidend ist dabei auch nicht das Warum, sondern eher das Was“, unterstreicht der Energie-Experte weiter. Klar ist, dass es sehr unterschiedliche Ursachen gibt. Vor allem „ist Europa keine Insel mehr“, hebt er hervor. Seit dem Aufkommen von Flüssiggas (LNG), das per Schiff transportiert werden kann, habe der Markt sich verändert. „Heute ist alles miteinander verbunden: Eine überraschend hohe Nachfrage in Asien treibt aktuell den Preis nach oben. Der Markt ist global geworden.“ Nach Corona gebe es viel Nachholbedarf und die Wirtschaft dreht auf Hochtouren.

Erik von Scholz, CEO von Enovos Luxemburg: „Wenn nächstes Jahr nur ein Faktor (Niederlande, Asien, Russland, die Temperaturen) anders ist, können die Preise wieder fallen.“
Erik von Scholz, CEO von Enovos Luxemburg: „Wenn nächstes Jahr nur ein Faktor (Niederlande, Asien, Russland, die Temperaturen) anders ist, können die Preise wieder fallen.“ Foto: Enovos

Hinzu komme, dass – zeitgleich mit der weltweit gestiegenen Nachfrage – das Angebot von Gas in Europa geschrumpft ist. „Es kommt weniger russisches Gas über die Pipelines, es kommt weniger Flüssiggas aus den USA und aus Katar, und die Gasproduktion in Europa selbst geht ebenfalls zurück. Vor allem in den Niederlanden, wo die Erdgasförderung wegen Umweltproblemen heruntergefahren wird. “ Das rückläufige Angebot sei in der Summe etwa so groß wie der Verbrauch in Deutschland, so Erik von Scholz. „Das ist schon recht viel.“

Hinzu kommt, dass die Lagerstätten aktuell nicht so voll sind wie üblicherweise um diese Zeit, so von Scholz weiter. Etwa 20 Prozent fehlen in den Lagern. „Normalerweise werden die Lager im Sommer gefüllt und im Winter geleert“, erklärt er. „Nach einem langen Winter waren die Lager diesen Sommer leer. Doch vor allem Gazprom hat seine Lager im Sommer nicht gefüllt.“ Über das „Warum“ gebe es „ganz unterschiedliche Interpretationen“, sagt er. Über die Gründe könne man nur spekulieren.

Vor allem in Asien sind Nachfrage und Preise aktuell hoch. „Flüssiggasproduzenten und -Händler verkaufen deshalb das Gas nach Asien, dieser Markt hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt und bietet mittel- und langfristig große Entwicklungsperspektiven“, gibt er zu bedenken. Es gebe „eine ganz besondere Situation in diesem Winter. Und Russland ist nur einer der Gründe.“

Preissteigerung von 25 Prozent für die Verbraucher

In der Folge der Preissteigerungen im Großhandel steigen auch die Kosten für die Verbraucher, fügt Claude Simon, Chef des Vertriebs von Enovos in Luxemburg, hinzu. „Jedoch lange nicht so stark wie auf dem Gasmarkt.“

Um sich gegen Preisschwankungen abzusichern, kauft Enovos das Gas, das es benötigt, jeweils „strukturiert über lange Zeit. Die Schwankungen auf dem Großmarkt finden sich dann nur gedämpft beim Verbraucher wieder“, sagt er. „Wenn wir das benötigte Gas heute kaufen würden, müssten wir wohl zwischen 80 und 90 bezahlen – wir haben für die Haushalte aber bereits im Vorfeld gekauft.“ Großkunden wie Unternehmen entscheiden selber, zu welchem Zeitpunkt sie kaufen.

„Das Abdämmen der Preise ist unser Mehrwert für den Kunden“, so Simon. „Zwar spürt er dann nicht jeden Preisrückgang, aber halt auch nicht jeden Preisanstieg.“ „Es ist mittelfristig die richtige Strategie für die Kunden“, fügt Eric von Scholz hinzu.

Claude Simon geht davon aus, dass die Preise für den Verbraucher dieses Jahr trotzdem etwa 25 Prozent über denen vom Vorjahr liegen könnten. Im Jahr 2022 könne es dann wohl noch einige Prozent nach oben gehen. „Wir wissen das aber noch nicht. Alles hängt von der Entwicklung am Markt ab.“

Kein Rekord bei den Verbraucherpreisen

Claude Simon, Chef des Vertriebs von Enovos in Luxemburg: „Das Abdämmen der Preise ist unser Mehrwert für den Kunden. Zwar spürt er dann nicht jeden Preisrückgang, aber halt auch nicht jeden Preisanstieg.“
Claude Simon, Chef des Vertriebs von Enovos in Luxemburg: „Das Abdämmen der Preise ist unser Mehrwert für den Kunden. Zwar spürt er dann nicht jeden Preisrückgang, aber halt auch nicht jeden Preisanstieg.“ Foto: Enovos

Im Gegensatz zum Großhandel seien die Preise für die Verbraucher aktuell keine Rekordpreise, fügt er weiter hinzu. „Sie waren 2013/14 bereits einmal ähnlich hoch“, erinnert er. Im Schlepptau mit dem steigenden Ölpreis. In den letzten Jahren waren sie dann wieder gesunken. Früher war der Preis von Gas an den vom Öl gekoppelt. Mit dem Aufkommen von LNG wurde diese Verbindung, aus Wettbewerbsgründen, aufgelöst.

Auch unterstreichen beide, dass ein Ende der aktuellen Situation bereits absehbar ist. „Es handelt sich um eine ,Winter-Beule 2021‘“, unterstreicht Erik von Scholz. „Es ist eine vorübergehende Situation.“ Die Preise für Gas in den nächsten Jahren seien derzeit deutlich niedriger. „Ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren zu einer Beruhigung der Preise kommt.“ Für Lieferungen im April liegen die Preise aktuell wieder bei um die 50 Euro pro MWh; und bei 31 Euro pro MWh für das Jahr 2023. Nur bei zusätzlichen Bestellungen für Gas, das kurzfristig gekauft und geliefert werden soll, sind die Preise zuletzt auf die bekannten Rekordhöhen gestiegen.

„Wenn nächstes Jahr nur ein Faktor (Niederlande, Asien, Russland, die Temperaturen) anders ist, können die Preise wieder fallen“, so der CEO von Enovos Luxemburg. Es gebe halt aktuell „eine sehr spezielle Situation. Die Knackfrage für die Zukunft lautet: Wie wird das Wetter in den nächsten Monaten?“ Je kälter, desto teurer der Preis für Gas. Hinzu komme die Frage: Wie entwickelt sich die Konjunktur?

Für Versorgungssicherheit ist gesorgt

„Wie der Preis in zehn Jahren aussehen wird, wissen wir nicht“, so Erik von Scholz weiter. Sicher ist er nur, dass wir „langfristig noch mit vielen Schwankungen rechnen können“. Vorerst scheinen die Preise jedenfalls höher zu bleiben als normal. Wobei derzeit alle Preise zulegen, fügt er hinzu. Die Preise für Holz, Rohstoffe, Solarmodule, CO2-Verschmutzungszertifikate, Metall … und eben auch Energie.

Sorgen um Versorgungssicherheit brauche man sich auch nicht zu machen, sind beide überzeugt. Das könne im schlimmsten Falle immer mit teurem Gas kompensiert werden. „Und wenn die Preise zu sehr steigen, wird die Industrie weniger Gas in ihrer Produktion benutzen“, so der CEO von Enovos Luxemburg. „Es wird immer genug Gas für die Haushalte da sein.“ Weltweit gebe es noch sehr viel Gas. „Es ist versorgungstechnisch sicher.“

Langfristig gibt es für die beiden Energie-Experten dennoch nur einen richtigen Weg: Gebäude isolieren, Effizienz steigern und lokal die Produktion grüner Energie ausbauen.

Der Luxemburger Gasmarkt

Bei Energie ist Luxemburg abhängig vom Ausland. Beim Gas noch mehr als beim Strom, wo das Großherzogtum letztes Jahr 80,7 Prozent importierte. Beim Gas waren es satte 99,99 Prozent, die importiert werden mussten, größtenteils aus Belgien. Nur ein sehr geringer Anteil des verbrauchten Gases (0,008 Prozent) wurden hierzulande als Biogas erzeugt.

Von den 8.090 GWh Gas, die letztes Jahr in Luxemburg verbraucht wurden (9 Prozent weniger als im Vorjahr), wurden etwa 38 Prozent von den Haushalten zum Heizen genutzt, 55 Prozent von der Industrie und von Unternehmen, und etwa 6 Prozent zur Herstellung von Strom.

Der durchschnittliche Haushaltskunde zahlte im Jahr 2020 insgesamt 39,3 Euro für ein MWh Erdgas. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch bedeutet dies jährliche Kosten von 1.201 Euro pro Haushalt. Etwa die Hälfte des Preises sind Steuern, Netzkosten und andere Abgaben. Insgesamt 86.688 Haushalte verfügen über einen Gasanschluss, wie aus dem Jahresbericht der Aufsichtsbehörde ILR hervorgeht. 

Das in Luxemburg verbrauchte Gas stammte zu 42 Prozent aus Norwegen und zu 31 Prozent aus den Niederlanden. Bei etwa 13 Prozent handelt es sich um LNG und nur rund 14 Prozent kommen aus Russland.


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Grober J-P.
15. Oktober 2021 - 13.30

Habe kurz mal durchgerechnet, mein Gaspreis pro m3 vom 01.07.2020 bis 01.10.2021 wurde um 140% erhöht. Wäre eine Indexanpassung in der Höhe nicht angenehm, herrlich, wieder ein kleiner Urlaub an der belscher Plaasch möglich. Wer von unseren Granden hat denn gute Beziehungen zum Gerd, vielleicht kann der was ausrichten? Jang pack es doch mal für uns an!

Gasmann
13. Oktober 2021 - 11.27

Ech mengen wann ech Heizung giff de ganze Wanter ausmachen hätt ech am Décompte nach emmer méi ze bezuelen! Esou kent et mi fir??

Wieder Mann
13. Oktober 2021 - 9.29

Wer es glaubt , wird selig. Bisher wurden die Preise nich nie erheblich im Sinne der Konsumenten revidiert. Sinkt der Einkaufspreis , kann die Wirtschaft mehr Gewinne einheimsen.