MotorsportVon null auf hundert: So erlebt Nascar-Pilot Gil Linster ein Rennwochenende

Motorsport / Von null auf hundert: So erlebt Nascar-Pilot Gil Linster ein Rennwochenende
Der lila Chevrolet des Luxemburgers ist im Feld gut erkennbar Foto: Nina Weinbrenner

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Ins Auto steigen, während ein paar Runden Vollgas geben und wenn möglich als Erster über die Ziellinie fahren – so einfach man sich Motorsport auch vorstellen könnte, für die Piloten und ihr Team steckt jede Menge Arbeit in einem Rennwochenende. Die Vorbereitungen beginnen bereits lange im Voraus und auch an der Rennstrecke herrscht Ausnahmezustand – für Nascar-Pilot Gil Linster eine Routine. Vergangenes Wochenende startete der 27-Jährige in Zolder, das „Tageblatt“ hat ihn dabei begleitet.

„Mein persönliches Rennen beginnt schon mehrere Tage im Voraus“, sagt Rennfahrer Gil Linster, wenn er über ein Wochenende in der „NASCAR Whelen Euro Series“ spricht. Denn bevor es zum Rennen kommt, gibt es einiges an Hintergrundarbeit.

Die Vorbereitungen

Mit den Vorbereitungen auf ein Rennwochenende beginnt Linster schon mehrere Tage im Voraus. „Mein Rennen beginnt eigentlich immer schon am Montag davor“, sagt er: „Ich passe meinen Alltag und mein Training an und verbringe mehrere Stunden im Simulator, um mich auf die anstehende Strecke einzustellen und erste Daten zu sammeln.“

Gil Linster fährt für das Team DF1 Racing
Gil Linster fährt für das Team DF1 Racing Foto: Joé Weimerskirch

Je nach Distanz geht es anschließend mit dem Auto oder Flugzeug in Richtung Rennstrecke. Im Fall Zolder, das knappe drei Stunden von Luxemburg entfernt liegt, reiste Linster am Donnerstag an – also zwei Tage vor dem ersten Rennen. Zu diesem Zeitpunkt ist auch sein Team, DF1 Racing, schon vor Ort und beginnt mit den Vorbereitungen. Die Autos werden aus den LKWs geladen, die Garagen in der Boxengasse eingerichtet, …

„Donnerstags fangen wir auch an, uns näher mit der Strategie und den Autoeinstellungen zu beschäftigen. Es ist eigentlich immer ein relativ ruhiger Tag“, erzählt Linster. Nach der Ankunft kapselt er sich aber auch etwas von der Außenwelt ab und legt seine volle Konzentration auf die anstehende Herausforderung: „Das Handy wird stumm geschaltet“, erzählt er lachend. Nach einem ersten Streckenbesuch geht es dann Richtung Hotel – in Zolder trennt eine 15-minütige Fahrt Unterkunft und Strecke. Den Abend verbringt Linster, der von einer Karriere in der amerikanischen Nascar träumt, mit Familie und Freunden.

Die erste Ausfahrt

Am Freitag liegt der Fokus dann voll auf Linsters Chevrolet Camaro. Noch bevor er den Motor seines Boliden aber erstmals aufheulen lässt, steht ein Briefing für alle Fahrer auf dem Programm: „Es wird über verschiedene Regeln geredet, am Ende müssen wir unterschreiben, dass wir diese verstanden haben und uns daran halten werden“. Außerdem ist der Freitagmorgen für Medien- und Fototermine reserviert.

Sein Auto wird gleichzeitig vom Team für die erste Ausfahrt vorbereitet und noch ein letztes Mal auf Herz und Nieren geprüft. Um 14.45 Uhr ist es dann in Zolder endlich so weit. Das freie Training für die Fahrer der Klasse Elite 2, in der auch Linster startet, beginnt. Der 27-Jährige verlässt die Teamgarage mit seinem 400-PS-starken Boliden. „Im ersten Training geht es darum, das Setup anzupassen und eventuelle Defekte zu beseitigen“, erklärt Linster: „Der Freitag ist eigentlich immer mein Lieblingstag. Es ist noch entspannt, gleichzeitig spürt man aber auch, dass der Druck steigt.“

Mein persönliches Rennen beginnt schon mehrere Tage im Voraus

Gil Linster, über die Vorbereitungen auf ein Wochenende in der europäischen Nascar-Serie

Nicht ganz so entspannt verlief der Tag in Zolder, denn im zweiten Training am Abend tauchten plötzlich Probleme auf. „Ich habe vor der Kurve eingelenkt, das Auto hat sich aber nicht so bewegt wie es soll“, sagt Linster und erklärt, dass auf den Vorderrädern der Grip fehlt. Er gibt das Feedback an seine Ingenieure und Mechaniker weiter.

„Diese Probleme nimmt man abends aber mit ins Hotel, man macht sich viele Gedanken. Obwohl ich weiß, dass das Problem beim Auto liegt, frage ich mich in einer solchen Situation immer, ob ich irgendwas anders hätte machen können“, so Linster. Da bietet ein Abendessen in einer großen Gruppe willkommene Abwechslung: „Ich mag diese Ablenkung, halte mich aber größtenteils aus Diskussionen raus und lasse den Tag sacken.“

Es wird ernst

Am Samstagmorgen wird es in Zolder ernst. Um 10.40 Uhr steht das Qualifying an. Die Probleme am Boliden konnten über Nacht aber nicht gelöst werden, sodass Linster kämpfen muss, um schnelle Zeiten zu fahren. Mit dem Qualifying ist er nicht zufrieden. Mit seinen Rundenzeiten startet er lediglich als 17. ins Rennen am Samstagnachmittag, für den Sonntag ist es der 16. Startplatz. Mit dem Team sucht er nach Lösungen: „Ich setze mich noch einmal mit den Ingenieuren, Mechanikern und dem Teamchef zusammen. Wir diskutieren darüber, welche Federn wir für das Rennen benutzen, was wir an der Radaufhängung noch ändern könnten oder wie wir die Spur anpassen können, um schneller zu werden.“

Gil Linster kämpft sich durchs Feld
Gil Linster kämpft sich durchs Feld Foto: Nina Weinbrenner

Die Lösung ist unkonventionell: Von einer harten Federung rüstet man auf eine weichere Mischung um. „Eigentlich ist das die komplett falsche Idee, da die weicheren Federn für Regen gedacht sind. Ich hoffe aber so das Auto vor den Kurven besser positionieren zu können und mehr Grip zu haben. Durch die weichen Federn soll sich das Gewicht des Autos beim Bremsen nach vorne verlagern und das Einlenken so besser funktionieren“, erklärt Linster die Entscheidung.

Die Änderungen am Wagen schienen zu wirken. Linster war im ersten Renne einer der Schnellsten, eroberte Position für Position und kämpfte sich nach vorne. Allerdings machte ihm wieder die Technik einen Strich durch die Rechnung. Auf Position sieben liegend musste der Luxemburger seinen Boliden nach neun Runden neben der Strecke abstellen. Zurück in der Garage bespricht er die Probleme mit dem Team, danach heißt es allerdings, die Aufregung schnell zu vergessen. „Es geht darum, so schnell wie möglich zu entspannen. Die ganze Aufregung kostet nämlich viel Energie“, erklärt Linster, der nicht einmal 24 Stunden später das zweite Rennen des Wochenendes fahren muss. Ein entspanntes und vor allem gesundes Abendessen hilft dabei, die Aufregung hinter sich zu lassen.

Rummel auf der Strecke

Am Sonntag klingelt der Wecker dann schon um 7.00 Uhr, denn bereits um 10.05 Uhr steht das Warm-up auf der Piste an. Während zehn Minuten dürfen die Fahrer ihr Auto warm fahren, um eventuelle Probleme vom Vortag ausfindig zu machen und zu reparieren. Anschließend geht es in die Startaufstellung – und hier herrscht am Sonntag viel Rummel. Vor dem Rennen der Elite 2 ist die Strecke nämlich für Fans geöffnet. Linster schreibt neben seinem Chevrolet fleißig Autogramme und steht für Fotos mit Kindern bereit. Auf Diskussionen mit den Zuschauern lässt er sich allerdings nicht ein – es gilt nämlich, gleichzeitig fokussiert zu bleiben. 

Um 11.20 Uhr ist es dann so weit – der Startschuss ins zweite Rennen fällt. Auch diesmal kämpfte sich Linster vor. Eine zwischenzeitliche Safety-Car-Phase verhinderte aber eine Platzierung in den Top Ten – der Luxemburger kam als Elfter in Ziel.

Für Linster ist ein Rennen aber auch nach der Zieldurchfahrt noch nicht vorbei. Erst nach einem Briefing mit dem Team ging es am Sonntagabend wieder in Richtung Heimat, wo die kommenden zwei Tage für Erholung reserviert sind. Bereits danach beginnen die Vorbereitungen für das Saisonfinale Ende Oktober in Italien. Die kommende Saison wird Linster voraussichtlich ebenfalls in der „NASCAR Whelen Euro Series“ fahren, sein Traum bleibt es aber, sich irgendwann als erster Europäer in der amerikanischen Nascar zu etablieren.