Rauschmittel„Wieder einen Bock geschossen“: CBD-Unternehmer zweifeln Umschwenken in Sachen Cannabis-Freigabe an

Rauschmittel / „Wieder einen Bock geschossen“: CBD-Unternehmer zweifeln Umschwenken in Sachen Cannabis-Freigabe an
Macht (sich) gar nicht so breit: Legaler Cannabis-Anbau, hier von legalem CBD-Gras (Archivfoto), funktioniert auch auf kleiner Fläche  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Luxemburg wird seine ehrgeizigen Pläne zur Cannabis-Freigabe möglicherweise eindampfen – und könnte stattdessen den Anbau erlauben. Das hatte jedenfalls das Radio 100,7 unter Berufung auf „gut informierte Kreise“ gemeldet. Eine glatte Kehrtwende, da genau der bisher verboten bleiben sollte. Die mit dem Hanfwuchs bestens vertrauten CBD-Unternehmer Steve Wampach und Norbert Eilenbecker sind nicht so sicher, ob das die Sache weniger problematisch machen würde.

Das Geschäft des Steve Wampach

Steve Wampach (42), der eine Ausbildung in der Ackerbauschule abgeschlossen hat, hat 2019 seine Firma „Farmer CBD Luxembourg“ gegründet, hatte aber erst 2021 alle Genehmigungen zusammen, um richtig durchzustarten. Diesen Monat erntet er etwa 1.000 CBD-Pflanzen ab, etwa zu einem Drittel innen, außen und in Gewächshäusern. Mit der Ernte beliefert er Shops und Verkaufsstellen im ganzen Land.

Ein Hintergrundporträt erschien im Juni im Tageblatt

Die Idee, stark THC-haltiges Cannabis in Luxemburg auch für den Freizeitgebrauch freizugeben, ist möglicherweise aufgegeben worden. Das hat jedenfalls das Radio 100,7 gemeldet unter Berufung auf „gut informierte Kreise“. Kurz zuvor hatte Gesundheitsministerin Paulette Lenert an gleicher Stelle erklärt, man schaue sich im Dossier auch nach „Alternativen“ zum bisher angedachten Weg um. Lenert macht klar, dass man in Luxemburg den Widerwillen europäischer Nachbarn zu den Plänen zu spüren bekommen hat.

Der Radiosender berichtet aber auch, dass erwogen werde, die bisherigen Ideen auf den Kopf zu stellen: Demnach würde es dann nicht nur nicht zur kontrollierten Abgabe des fertigen Stoffes kommen – stattdessen würde aber der private Cannabis-Anbau erlaubt werden, der bisher gerade verboten bleiben sollte.

Wir haben erfahrene Cannabis-Unternehmer in Luxemburg gefragt, wie sie diese Neuigkeiten aufnehmen. Der Luxemburger Steve Wampach verkauft selbst angebaute Cannabisblüten, die praktisch kein berauschendes THC enthalten, aber umso mehr CBD (siehe Infobox). Sollten die vom Radiosender gemeldeten Überlegungen zutreffen, kann er dem nicht viel abgewinnen: „Da wurde wieder ein Bock geschossen!“, ärgert er sich. So würde es etwa noch zu einer komplexen Angelegenheit werden, die Leute mit den nötigen Samen zu versorgen. „Sie können den Anbau legal machen, aber die Samen sind illegal – was machen wir dann?“ Sobald man den Verkauf der begehrten Samen legalisiere, entstehe ja wiederum ein Markt, der reguliert werden müsse. 

Cannabis-Produktion bei „Farmer CBD Luxembourg“ (Archivbild)
Cannabis-Produktion bei „Farmer CBD Luxembourg“ (Archivbild) Foto: Editpress/Julien Garroy

Das würde jedenfalls dann sicherlich aus Sicht der Nachbarn so sein, die offenbar Luxemburg von seinen kühnen Freigabe-Plänen abgebracht haben. Wie geradezu hysterisch man auf Aufweichungen des Cannabis-Verbots reagiert, konnte man vor einiger Zeit in Trier erleben: Ein Automat mit CBD-Produkten wurde dort kurzerhand aus einer Hauswand gerissen (das Tageblatt berichtete), mehrere CBD-Händler hatten die Polizei in ihren Geschäften und Privatwohnungen stehen.

Aber wie sinnvoll wäre es überhaupt, den privaten Anbau ersatzweise zu erlauben: Kann jemand ohne Spezialkenntnisse überhaupt sinnvoll entsprechend seine Pflänzchen zum Eigenbedarf ziehen? Wampach ist davon überzeugt: „Solange man eine weibliche Pflanze hat, kann man ohne großen Aufwand leicht an die 100 Gramm getrocknetes Material zusammenbekommen.“ 

Würde erlaubter Anbau die Sache vereinfachen?

Und wenn man doch sogar einen gewissen Aufwand betreibt? Schließlich stellen lokale Händler offenbar schon „Grow Kits“ zusammen: Komplettsets mit speziellen kleinen Gewächshäusern oder -zelten, Hochleistungslampen, Zeitschaltern, Erde, Samen und so weiter. Dafür können leicht vierstellige Summen ausgegeben werden. „Aber dann muss man nur die Samen reinlegen und los geht’s.“ Gefragt, was mit einer hypothetisch erlaubten Anbaufläche von nur einem Quadratmeter und solchem Gerät möglich wäre, lacht der Experte überrascht auf – und rechnet schnell im Kopf durch: „Da kann ich 36 Pflanzen drin wachsen lassen: Jede Woche setze ich vier Stecklinge rein, ab der achten Woche kann ich vier Pflanzen ernten und vier neue hineintun.“ Mit den richtigen Hochleistungspflanzen („One-bud-wonders“) könne jedes Exemplar in so kurzer Zeit leicht 10 bis 20 Gramm höchst potenter Blüten abwerfen – und ein ambitionierter Gärtner so auf deutlich mehr als ein Kilogramm Ernte pro Jahr kommen. „Und es gibt eine ganze Menge Hobbygärtner, die wissen, wie man das macht.“ Das wäre selbst dann definitiv zu viel für den Eigenbedarf, wenn man es mit dem Kiffen ohnehin völlig übertreibt.

Was ist CBD?

Der Wirkstoff CBD gilt als nicht psychoaktiver Stoff (anders als das bekanntere THC aus Cannabispflanzen). Das heißt, CBD löst keine Wirkung auf das zentrale Nervensystem aus und die Wahrnehmung wird nicht verändert. Die Wirkung kann als beruhigend und nicht berauschend beschrieben werden. Zudem hat CBD entzündungshemmende Eigenschaften und die Fähigkeit, Schmerzen und Angstgefühle zu reduzieren. Bei schwer kranken Patienten kann medizinisches Cannabis als Appetitanreger oder auch gegen Übelkeit genutzt werden. (AH)

Darum wundert sich Wampach, wie gut durchdacht die „Alternativen“ sind, die man sich laut Paulette Lenert gerade ansieht: „Sicherlich legt man einerseits einen großen Teil des Bedarfes für einen Schwarzmarkt lahm“, räumt er ein. Andererseits könnte durch einen offiziell erlaubten Anbau erst recht ein neuer Schwarzmarkt geschaffen werden. Wenn das benachbarte Ausland Sorgen hatte, aus Luxemburger Coffeeshops würde das Gras herüberschwappen, dürften die Sorgen angesichts der im Anbau erzielbaren Erntemengen kaum kleiner werden: Eine effektive Kontrolle des Anbaus würde schließlich weitere organisatorische und rechtsstaatliche Hürden mit sich bringen.

Wampach hatte selbst übrigens kein Interesse, in das Anbaugeschäft mit dem THC-Gras einzusteigen: „Eine erste Idee war ja, wenige Produktions- und Verkaufsstätten zentral zu schaffen und dann meistbietend zu versteigern!“ Da habe er sich ohnehin keine  Chancen ausgerechnet. Somit ist er persönlich erst mal froh, dass die Freigabe nicht kommt: „Damit wird auch erst mal noch weiter CBD-Gras konsumiert.“

Grüner Daumen: Steve Wampach kennt sich mit Cannabis-Anbau aus
Grüner Daumen: Steve Wampach kennt sich mit Cannabis-Anbau aus Foto: Editpress/Julien Garroy

Skeptischer Pionier aus Luxemburg

Das war bei anderen Experten des Cannabis-Anbaus aber durchaus anders: „Wir haben sicher grundsätzlich Gedanken gehabt, uns da zu beteiligen“, verrät Robert Eilenbecker dem Tageblatt. Er hat mit seinem Geschäftspartner André Steinmetz vor 25 Jahren angefangen, „Industriehanf“ anzubauen, als dies wieder erlaubt wurde. Sein Hanf enthält zunächst generell weniger Wirkstoffe – erst durch ein kompliziertes Extraktionsverfahren werden diese dann konzentriert.

„Damit waren wir nicht nur in Luxemburg, sondern eigentlich europaweit Pioniere“, sagt Eilenbecker stolz. Seit rund zehn Jahren dürfen in Luxemburg auch Produkte nicht nur aus den Stängeln und Samen gewonnen werden, sondern auch aus den Blüten. „Unser Hauptanliegen war aber ohnehin nie so sehr das THC“, sagt Eilenbecker – auch, wenn die Öle oder Tees, die Cannad’Our produziert, einen sehr geringen Anteil davon enthielten. Wichtig seien aber eher die vielen anderen Wirkstoffe, untern anderem CBD oder CGB, die nicht psychoaktiv sind, denen dafür aber unter anderem entkrampfende, entzündungshemmende oder angstlösende Wirkung nachgesagt werden. 

Cannabis-Unternehmer Norbert Eilenbecker kämpft seit 25 Jahren auch gegen Vorurteile
Cannabis-Unternehmer Norbert Eilenbecker kämpft seit 25 Jahren auch gegen Vorurteile Foto: Editpress/Alain Rischard

„Viele unserer Kunden leiden unter Arthrosen, Multipler Sklerose oder Epilepsien und wollen von opiathaltigen Schmerzmitteln wegkommen“, sagt Eilenbecker. Obwohl die Öle also nichts zu tun haben mit einem vernebelnden Rausch und auch völlig legal sind, habe man bei Cannad’Our vor einigen Jahren noch deutlich zu spüren bekommen, wie tief verwurzelt die Angst vor Cannabis in Luxemburg weiterhin ist: Als man in Kalborn ein Symposium plante, bei dem unter anderem Ärzte und Apotheker als Redner vorgesehen waren, konnte etwa trotz intensiver Suche kein Sponsor gewonnen werden – da kein Unternehmen seinen Namen in die Nähe des verruchten Hanfes setzen wollte. Eine EC-Kartenfirma hatte ihre Dienstleistung für das Luxemburger Unternehmen nach kurzer Zeit wieder beendet, da sie befürchtete, sich an „Drogenhandel“ zu beteiligen. Kurzum: Die in den 1920er Jahren plötzlich eingesetzte, weltweite Illegalisierung des Hanfs hat offenbar nachhaltig die kollektive Erinnerung daran ausgelöscht, dass er zuvor jahrtausendelang geschätzt wurde wegen seiner sehr vielfältigen Nutzbarkeit – ob innerhalb oder außerhalb des menschlichen Körpers.

„Als die Ankündigung kam, dass man hierzulande THC-haltiges Cannabis komplett legalisieren will, waren wir entsprechend skeptisch“, sagt Eilenbecker – wobei er aber auch feststellt, dass durch Aufklärung mittlerweile viele Vorurteile beseitigt werden konnten. Zwar ist der Anbau von Cannabis als Genussmittel oder der Anbau mittlerweile in etlichen US-Staaten, in Kanada, Peru, Spanien, Südafrika, Peru, Uruguay und anderen Ländern erlaubt – allgemein tut man sich in Europa aber offenbar noch schwer damit.

Auch für alle ohne „grünen Daumen“: Typisches Angebot für die Mini-Plantage zu Hause beim Versandhändler Amazon
Auch für alle ohne „grünen Daumen“: Typisches Angebot für die Mini-Plantage zu Hause beim Versandhändler Amazon Foto: Screenshot

Genau wie sein Branchenkollege Wampach glaubt auch Eilenbecker, dass die derzeit kolportierten Ideen die Sache für Luxemburg nicht leichter machen würden: „Wenn man die Regelungen zum Verkauf nicht hinbekommt, wie sollte man das dann beim Anbau schaffen?“, fragt er. Für den interessierten Konsumenten sei es aber gegebenenfalls leicht zu bewerkstelligen, glaubt auch Eilenbecker: „Hanf ist schon eine sehr robuste Pflanze und kann leicht aufgezogen werden. Allerdings wird man sich wohl erst etwas einlesen müssen, um die richtige Sorte für sich zu finden.“

Ein entsprechendes Angebot wird aber bereitgehalten – von der Literatur bis zum praktischen Gerät: In den USA haben sich viele Firmen entsprechend spezialisiert und halten alles bereit, damit der Hobbygärtner bald rauschhafte Erfolge feiert.

J.C. Kemp
3. Oktober 2021 - 18.25

Schaue er doch nach Portugal!

Wieder Mann
3. Oktober 2021 - 12.26

Die Niederlande haben längst einen Umschwung in ihrer Politik der Liberalisierung von Drogen in die Wege geleitet. Trotz Liberalisierung wurde der Drogenkonsum , der Handel mit Drogen, die Beschaffungskriminalität nicht eingedämmt.