Tokyo 2020Charel, der Furchtlose: Für Grethen gibt es keine Grenzen, deshalb steht er jetzt im Finale

Tokyo 2020 / Charel, der Furchtlose: Für Grethen gibt es keine Grenzen, deshalb steht er jetzt im Finale
Charel Grethen hat bereits Luxemburger Sportgeschichte geschrieben Foto: Gerry Schmit

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Charel Grethen hat bei Olympia mit seinem Finaleinzug über die 1.500 m Luxemburger Sportgeschichte geschrieben. Dass gerade ihm dieser Coup gelungen ist, wundert in der Leichtathletik-Szene keinen. Grethen sieht keine Grenzen und wird auch das Finale am Samstag um 13.40 Uhr MESZ so angehen.

Eigentlich wollte Justin Gloden am vergangenen Donnerstag einen Ruhetag einlegen. Nach dem Finaleinzug von Charel Grethen war er aber so aufgeregt, dass er sich doch noch dazu entschloss, seine Obstwiese zu mähen. „Die Leistung von Charel ist einfach sensationell. Nach meiner eigenen aktiven Karriere ist dies das Schönste, was ich in der Leichtathletik erlebt habe“, so Gloden im Gespräch mit dem Tageblatt. Als „komplett verrückt“ bezeichnet Leichtathlet Pol Mellina die Leistung von Grethen. Der Mittelstreckenläufer Bob Bertemes, der regelmäßig mit Grethen trainiert, hat sich das Rennen mit Freundin Vera Hoffmann am Computer angeschaut. „Der Laptop flog vor Freude fast durchs Zimmer. Das war einfach Wahnsinn!“

Die Freude über Grethens Finaleinzug war auch in den sozialen Netzwerken zu beobachten. Wurden sich in den vergangenen Monaten dort vor allem wegen Corona-Beschränkungen und Impfungen virtuell die Köpfe eingeschlagen, benötigte Grethen lediglich 3:32,86 Minuten, um die luxemburgische Twitter-, Facebook- und Instagram-Welt zumindest vorübergehend zu einen. Im Leichtathletik-Verband hat man sich ebenfalls „wie wild gefreut“, so FLA-Präsidentin Stéphanie Empain. „Ich habe mich schon sehr über seinen Einzug ins Halbfinale gefreut. Nach seiner ganzen Verletzungsgeschichte war das schon ein großer Erfolg.“

„Einfach enorm“

Grethen musste sich bekanntlich im Sommer 2019 einer Operation an der Achillessehne unterziehen und kehrte erst im vergangenen Winter ins Wettkampfgeschehen zurück. „Dass er jetzt im Finale steht, ist einfach enorm. In unserer FLA-WhatsApp-Gruppe ging es auch ziemlich hoch her“, so die Abgeordnete von „déi gréng“. Der Finaleinzug kann ohne Übertreibung als Sensation bezeichnet werden. Damit hatten wohl die wenigsten gerechnet. Das luxemburgische Olympische Komitee hatte eigentlich bereits für Freitag seine Abschluss-Videokonferenz vorgesehen, die nun auf Sonntag verschoben wurde.

Charel schafft es, sich komplett auszuziehen und bis auf den letzten Tropfen Energie alles aus sich herauszuholen

Justin Gloden, Luxemburger Rekordhalter von der Meile bis zum Marathon

Bevor er zu den Mäharbeiten aufbrach, saß Gloden mit der Stoppuhr vor dem Fernseher und hat die Zwischenzeiten von Grethen genommen. „Es war gleich klar, dass Platz sieben zum Finaleinzug ausreichen würde.“ Gloden hatte selbst 37 Jahre den Landesrekord über 1.500 m, bis Grethen im Sommer 2017 in Belgien 3:39,90 lief und Glodens Bestmarke aus dem Jahr 1980 um zwei Hundertstel unterbot. Seit Donnerstag liegen gut sieben Sekunden zwischen Grethen und Gloden, dessen Stärken vor allem auf den Langdistanzen lagen. „Charel hat gezeigt, welch großes Potenzial in ihm steckt.“

Grethen habe schon immer die Gabe gehabt, in wichtigen Rennen über sich hinauszuwachsen, sagt Pol Mellina. Der 33-Jährige hat einige Rennen mit Grethen bestritten. „Es ist aber noch etwas anderes, als Cadet oder Junior über sich hinauszuwachsen als in einem olympischen Halbfinale“, so Mellina. Der Wechsel von den 800 m auf die 1.500 würde Grethen definitiv zugutekommen. Während der CSL-Athlet nicht über die Grundschnelligkeit verfügt, um auf den 800 ganz vorne mitzulaufen, profitiert er auf den 1.500 genau von dieser Grundschnelligkeit. „Ein Rennen, das immer schneller wird, so wie im Halbfinale, ist genau das, was Charel entgegenkommt“, so Mellina, der seinem Kollegen die nötige Dreistigkeit und viel Biss attestiert. „Genau das braucht es, um so eine Leistung hinzubekommen.“ Dem stimmt Bertemes zu. „Charel macht sich schon so seine Gedanken, aber er macht sich dadurch nicht verrückt.“ Grethen habe keine Angst vor großen Namen. „Er ist im Halbfinale gelaufen wie ein Athlet, für den es ganz normal ist, sich für das olympische Finale zu qualifizieren.“ Er wisse genau, was zu tun sei, damit er sein Ziel erreiche. „Und dann zieht er es auch einfach durch, ohne sich große Fragen zu stellen.“

Taktische Meisterleistung

Für Gloden liegt Grethens große Stärke, neben seinem Talent, vor allem im mentalen Bereich. „Er macht sich keine großen Gedanken, wenn er läuft. Er macht einfach und trifft instinktiv die richtigen Entscheidungen.“ Etwas, das einem David Fiegen, immerhin Vize-Europameister über die 800 m 2006, während seiner Karriere etwas gefehlt habe. „Sein zweiter Platz bei der EM war ebenfalls sensationell, keine Frage.“ Taktisch sei bei ihm aber noch Luft nach oben gewesen, was aber auch daran lag, dass er oft mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Grethen habe „taktisch zwei sehr starke Rennen abgeliefert“, so Gloden, der sowohl vom Vorlauf wie vom Halbfinale des Luxemburgers fasziniert war.

Hochleistungssportler gehen immer wieder über ihre Grenzen hinaus. Leidensfähigkeit gehört zum Job, vor allem bei Mittelstreckenläufern. „Charel schafft es, sich komplett auszuziehen und bis auf den letzten Tropfen Energie alles aus sich herauszuholen“, so Gloden. Mellina und Bertemes können dem nur zustimmen. Nicht selten passiert es dem 29-Jährigen, dass er sich nach den Rennen vor Erschöpfung übergeben muss. Im Halbfinale blieb ihm das erspart. Im Hinblick auf das Finale am Samstag ein Vorteil. Hätte sich Grethen übergeben müssen, hätte sein Körper mehr Zeit zur Erholung gebraucht.

Vor allem die beiden Kenianer Abel Kipsang und Timothy Cheruiyot werden am Samstag um 13.40 Uhr MESZ aufs Tempo drücken, genau wie der Norweger Jakob Ingebrigtsen und der Australier Stewart McSweyn. Dieses Quartett hat kein Interesse an einem taktischen Rennen. Im Gegensatz zu Grethen, der auf seine Schnelligkeit im Endspurt setzen könnte.

Wenn einem dieser Coup gelingen kann, dann Charel

Bob Bertemes, Langstreckenläufer

Im Finale traut Gloden dem Luxemburger eine weitere gute Leistung zu. „Mit seiner Unbekümmertheit ist ein gutes Resultat um Platz sechs bis acht durchaus möglich.“ Bob Bertemes, der vor Grethens Reise nach Tokio noch eine gemeinsame Trainingseinheit absolvierte, will sich nicht festlegen. „Für Charel gibt es keine Grenzen.“ Es sei diese Einstellung, die den 43. der Weltrangliste letztendlich ins Finale gebracht habe. So hält Bertemes eine Medaille nicht schon im Vorfeld für ausgeschlossen. „Wenn einem dieser Coup gelingen kann, dann Charel.“ Allerdings rechnet der Celtic-Athlet mit einem schnellen Finale, was die Situation für Grethen noch erschwere. Aber sogar, wenn das Finale nicht nach Wunsch laufen würde, würde es die Leistung des 29-Jährigen nicht schmälern.

Olympischer Endlauf als Türöffner

Bereits jetzt hat Grethen seinen Platz in der Luxemburger Sportgeschichte sicher. Als Olympiafinalist werden sich ihm die Türen zu den großen Meetings öffnen, was seiner weiteren Entwicklung helfen wird. Aber auch seine Sportart wird von diesem Erfolg profitieren können. „Durch Charels Leistung sind viele Blicke auf die Leichtathletik gerichtet, es steigert die Attraktivität des Sports“, sagt FLA-Präsidentin Empain. Für die Leichtathletik sei es ein großes Plus, über Sportler zu verfügen, die zu solchen Leistungen fähig sind.

Pol Mellina sieht die Leichtathletik im Aufwind und hofft, dass auch die Jugend durch Leistungen wie die von Grethen motiviert wird. „Zu meiner Zeit hatten wir mit David Fiegen ein einziges Aushängeschild. Jetzt haben wir gleich mehrere Athleten, die das Potenzial haben, an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften teilzunehmen.“ Eine Wirkung auf die Basis würde sich auch Justin Gloden wünschen. „Wenn man sich die meisten Meetings anschaut, dann fehlt es an der nötigen Konkurrenz.“ Daran wird es am 22. August in Schifflingen nicht fehlen, dort werden sowohl Charel Grethen als auch Kugelstoßer Bob Bertemes teilnehmen.

Zur Person

Charel Grethen wurde am 2. Juni 1992 geboren. Der Tüntinger hat recht früh seine Leidenschaft und sein Talent für den Ausdauersport entdeckt. Neben dem Laufen hat Grethen sich auch im Triathlon versucht und ist bis 17 regelmäßig Rad gefahren. Der 29-jährige CSL-Athlet hielt aber der Leichtathletik die Treue. Nachdem er die Schule in Luxemburg beendet hatte, wollte Grethen seinem Hobby weiter auf hohem Niveau nachgehen. So entschied er sich 2012, in die USA zu gehen, um Studium und Sport optimal kombinieren zu können. So führte es ihn 2012 nach Texas an die Texas State University. Drei Jahre später zog es ihn nach Athens in den Bundestaat Georgia, wo er an der Georgia University studierte und seinen Sport weiter ausüben konnte. Er qualifizierte sich über die 800 m für die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Dort beendete er seinen Vorlauf auf Platz fünf und schied damit aus. Nach seiner Rückkehr nach Luxemburg wurde er in die Sportsektion der Armee aufgenommen. Im Dezember 2020 hat der ehemalige Finanzstudent eine Halbtagsstelle im Arbeitsministerium angenommen, sodass er weiterhin Beruf und Sport miteinander kombinieren kann.

Gaston
6. August 2021 - 22.11

Für Luxemburg ist eine Olympische Finalteilnahme einer Goldmedaille ebenbürtig und wird hoffentlich dementsprechend gefeiert und geehrt werden. Herr Charel Grethen der Platz des besten Sportlers des Jahres ist ihnen gegönnt wie das auch der Fall für die grosse Dame des Tisch-Tennis Sports ist .

Cheyenne
6. August 2021 - 22.06

Grandios Leeschtung, Felicitatioun ?? Charel Grethen ?? Bonne chance fir d'Finall ?. Halen d'Daumen.