DeutschlandSo wollen die Sozialdemokraten das Kanzleramt erobern

Deutschland / So wollen die Sozialdemokraten das Kanzleramt erobern
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellt in einem Kinosaal die Kampagne der SPD für die Bundestagswahl vor Foto: dpa/Kay Nietfeld

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Nach etlichen Wahlflops träumt die SPD plötzlich von einem Blockbuster-Erfolg: In einem Kino präsentiert die Partei die Kampagne für das Wahlkampffinale, mit dem Scholz Kanzler werden soll. In einem Werbespot wird heftig gegen Laschets engstes Umfeld ausgeteilt.

Die SPD lässt im Wahlkampffinale russische Holzpuppen für Olaf Scholz tanzen. In zwei Werbespots für das Wahlkampffinale bis zum 26. September, die SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Mittwoch in einem Berliner Kino am Bahnhof Zoo präsentierte, spielt eine Matrjoschka eine zentrale Rolle. Das sind die traditionsreichen Holzfiguren, aus deren bemaltem Bauch immer wieder die nächste Puppe kommt.

So steht im Spot jede Figur für ein Verprechen: sofortige Lohnerhöhung für zehn Millionen Menschen durch 12 Euro Mindestlohn, bezahlbare Mieten und Wohnraum oder stabile Renten. Am Ende des 40-sekündigen Streifens ist eine große Olaf-Scholz-Matrjoschka zu sehen, als Kanzler, der auf alles erfolgreich den Deckel draufmacht.

Weil die SPD in vergangenen Bundestagswahlkämpfen mit ihren Jubel-Botschaften, was sie alles in der Regierung geschafft hat, immer tiefer abstürzte, haben die Strategen um den Werbeguru Raphael Brinkert (Ex-CDU-Mitglied, der 2019 die Europawahlkampagne für die CDU orchestrierte) noch einen zweiten Matrjoschka-Spot gedreht. Darin geht es düster zu.

Die Puppen zeigen die Gesichter von Unionspolitikern wie Friedrich Merz und Hans-Georg Maaßen. Christdemokraten, die aus Sicht der SPD vermeintlich für Fischen am rechten Rand (Maaßen) oder Neoliberalismus (Merz) stehen. Auch das Konterfei von Nathanael Liminski taucht auf. Dazu raunt die Sprecherstimme aus dem Off, für den „erzkatholischen Laschet-Vertrauten“ sei „Sex vor der Ehe“ ein Tabu. Liminski ist Chef der NRW-Staatskanzlei, rechte Hand des Ministerpräsidenten, Papstfan. Es überrascht, dass die SPD sich einen Mann aus Laschets Umfeld herausgreift, den über Düsseldorf hinaus ein Großteil der Bevölkerung gar nicht kennt.

„Negative campaigning“ als „Guerilla-Aktion“

„Negative campaigning“, die Gegenseite mit Schmutz zu bewerfen, ist in US-Wahlkämpfen normal. Deutsche Parteien agieren hier stets zurückhaltender, weil die Wähler dies in aller Regel nicht mögen. Auch Scholz selbst verzichtet auf persönliche Angriffe. Aus der SPD heißt es, dieser Spot werde nicht auf offiziellen Kanälen gezeigt. Es sei eine „Guerilla-Aktion“, die befreundete Blogger und eigene Bundestagskandidaten nach Lust und Laune nutzen könnten.

Im Kino sagt Wahlkampfchef Klingbeil, die SPD werde offensiv Fehler und Schwächen der Konkurrenz betonen. Ansonsten setzt die Partei mit Großplakaten, TV-Spots und Social-Media-Kampagnen voll auf Scholz. Dieser leitete am Mittwoch als Urlaubsvertretung von Angela Merkel die Kabinettssitzung. Die weithin unbekannten Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken werden in der Kampagne so gut es geht versteckt. Bei Abschiebungen nach Afghanistan knirscht es in der SPD. Walter-Borjans warnt vor „menschenfeindlichen“ Rückführungen in Taliban-Gebiete. Scholz argumentiert wie Laschet: Wer deutsche Gesetze verletze und schwere Straftaten begehe, verliere sein Aufenthaltsrecht.

Laschet im Heimatland schlagen

Was auffällt bei der SPD, ist die ungewöhnliche Bildersprache des Werbers Brinkert: Ein scharf kontrastierter Vizekanzler in Schwarz-Weiß vor knallrotem Hintergrund, dreidimensional mit Weitwinkel fotografiert, sodass man kurz glaubt, der Finanzminister springt einen gleich an. „Scholz packt das an“, lautet der passende Slogan dazu.

Im direkten Vergleich liegt Scholz bei der Kanzlertauglichkeit in Umfragen derzeit vor der Grünen Annalena Baerbock und CDU-Chef Laschet. Damit Scholz überhaupt eine Chance auf das Kanzleramt hat, muss die SPD die Grünen am Wahltag hinter sich lassen. Und die FDP bereit für eine Ampel-Koalition sein (die Linke hält Scholz nicht für regierungsfähig). Und was wäre mit einer Deutschland-Koalition unter Laschets Führung, mit SPD und FDP als Juniorpartner? Ein kategorisches Nein ist von Klingbeil nicht zu hören. „Wir wollen eine Regierung ohne Union.“ Dafür müsste sich die SPD in ihrer einstigen Herzkammer NRW vor die CDU schieben. Bei der Landtagswahl 2017 eroberte die CDU mit 33 zu 31 Prozent Platz eins. Klingbeil: „Wir wollen Armin Laschet in seinem Heimatland schlagen.“