OlympiaBelarus drohen Sanktionen: IOC untersucht Fall Timanowskaja

Olympia / Belarus drohen Sanktionen: IOC untersucht Fall Timanowskaja
Kristina Timanowskaja aus Belarus in Aktion. Timanowskaja teilte mit, dass ihr Olympiateam versucht hatte, sie gegen ihren Willen von den Olympischen Spielen zu entfernen und sie zurück nach Belarus fliegen zu lassen, nachdem sie sich kritisch zu den Trainern geäußert hatte. Foto: AP/dpa/Petr David Josek

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Im Olympia-Skandal um Sprinterin Kristina Timanowskaja fordern Athletenvertreter und Politiker Sanktionen gegen Belarus. Das IOC leitet eine Untersuchung ein. Die aber kann dauern.

Im Fall der mutmaßlich versuchten Entführung von Olympia-Sprinterin Kristina Timanowskaja werden die Rufe nach harten Sanktionen gegen Belarus immer lauter. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) leitete am Dienstag eine förmliche Untersuchung ein, Athletenvertreter forderten eine sofortige Sperre für das belarussische NOK. Die Sportlerin, die der belarussischen Opposition zufolge „gewaltsam“ zur Rückkehr nach Minsk gezwungen werden sollte, machte sich vor ihrer für Mittwoch geplanten Abreise ins polnische Asyl ebenfalls für umfassende Ermittlungen und mögliche Strafen für den Leichtathletik-Cheftrainer des Landes stark.

Die 24-Jährige forderte, „die Situation zu untersuchen, wer hat die Anweisung gegeben, wer hat wirklich die Entscheidung getroffen, dass ich nicht mehr teilnehmen darf“, wie sie der Nachrichtenagentur AP in einem Video-Interview sagte. Für internationales Entsetzen sorgte am Dienstag zudem der Tod eines belarussischen Aktivisten, der in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erhängt in einem Park in der Nähe seines Wohnorts aufgefunden wurde. Witali Schischow war am Montag nicht vom Joggen zurückgekehrt, er hatte sich Medien zufolge verfolgt gefühlt.

Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Regierung von Belarus wegen des Falls Timanowskaja scharf. „Die Machthaber in Minsk haben mit der versuchten Verschleppung von Kristina Timanowskaja gezeigt, dass sie ihre eigenen Sportlerinnen und Sportler – und damit auch die olympischen Prinzipien – verachten“, sagte Maas der Rheinischen Post (Mittwoch). Das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko sei politisch und moralisch bankrott.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki attackierte die belarussische Spitze um Machthaber Alexander Lukaschenko scharf. Er forderte, die „Aggression der belarussischen Sicherheitsdienste auf japanischem Gebiet“ müsse auf „entschiedenen Widerspruch der internationalen Gemeinschaft stoßen“. Das humanitäre Visum für die Leichtathletin will er als Signal verstanden wissen. Polen werde weiter verfolgte belarussische Oppositionelle und das gesamte belarussische Volk unterstützen. „Wir lassen euch nicht allein“, sagte Morawiecki.

Timanowskaja war wegen kritischer Äußerungen gegen Sportfunktionäre ihrer Heimat ins Visier der belarussischen Behörden geraten. Am Flughafen Haneda hatte sie den Rückflug verweigert und sich an die japanische Polizei gewendet. „Sie ist erschöpft, verängstigt, aber sehr dankbar für unsere Hilfe in dieser extrem schweren Zeit in ihrer Sportkarriere“, teilte der polnische Botschafter in Japan, Pawel Milewski, mit. Am Dienstag postete Milewski ein gemeinsames Bild und schrieb: „Ihr geht es gut.“

Auch das IOC beteuerte, Timanowskaja habe in mehreren Gesprächen gesagt, sie fühle sich „sicher und geschützt“. Bis zum Dienstag sollte das Belarussische Olympische Komitee in der Sache Stellung beziehen. „Wir müssen alle Tatsachen feststellen und alle Beteiligten anhören, bevor wir weitere Maßnahmen ergreifen“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Wann das IOC seine Ermittlungen abschließen werde, wollte Adams nicht sagen. „Diese Dinge brauchen Zeit. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen“, erklärte er.

Sportler-Bündnisse wie Athleten Deutschland und Global Athlete machten sich für ein hartes Durchgreifen stark. „Das IOC sollte das Belarussische Olympische Komitee sofort suspendieren und allen Sportlern aus Belarus erlauben, als neutrale Athleten unter der olympischen Flagge zu starten“, sagte Global-Athlete-Generaldirektor Rob Koehler dem kanadischen TV-Sender CBC.

Das NOK von Belarus ist schon seit einiger Zeit beim IOC in Ungnade gefallen. Machthaber Lukaschenko, der lange auch das NOK führte, und sein Sohn Viktor, der nun Verbandschef ist, wurden von allen olympischen Aktivitäten und damit auch den Tokio-Spielen ausgeschlossen. Die Führung des NOK um die Lukaschenkos habe Athleten nicht ausreichend vor politischer Diskriminierung innerhalb der Sportorganisationen des Landes geschützt, begründete IOC-Chef Thomas Bach im vergangenen Dezember die Sanktionen. Auch alle finanziellen Zuwendungen für das NOK von Belarus wurden vorerst eingestellt.

Timanowskaja hielt sich auch am Dienstag in der polnischen Botschaft in Tokio auf. Dort erwarte sie den Flug nach Polen, sagte Vize-Außenminister Marcin Przdacz der BBC. „Sie ist hochwillkommen, ihre sportliche Karriere auf polnischer Erde fortzusetzen“, betonte er. Genau das hat die Sprinterin wohl vor. „Ich würde sehr gern meine sportliche Laufbahn fortsetzen, weil ich erst 24 bin und Pläne für mindestens zwei weitere Olympische Spiele hatte“, sagte sie.

Im Moment aber sorge sie sich nur um ihre Sicherheit. Auch ihr Mann war offenbar ins Visier der belarussischen Behörden geraten. Der Sprecher des ukrainischen Innenministeriums, Artjom Schewtschenko, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag, dass er sich inzwischen in der Ukraine aufhalte. Er habe sich entschieden, Belarus zu verlassen, als seine Frau ihm gesagt habe, dass sie nicht zurückkehren werden, sagte Arseni Sdanewitsch der Nachrichtenagentur AP. „Es war sehr plötzlich. Ich hatte nur eine Stunde, um meine Sachen zu packen.“

Das IOC hat nach eigenen Angaben das Nationale Olympische Komitee Polens mit der Frage kontaktiert, wie man Timanowskaja in Zukunft unterstützen könne. „Unsere allererste und oberste Priorität ist die Sicherheit der Athleten“, sagte IOC-Sprecher Adams. Die Vorgehensweise des IOC solle nicht nur belarussische Sportler, sondern alle Athleten darin bestärken, dass sie beim Dachverband mit ihren Sorgen auf offene Ohren stoßen.