Tokyo 2020Eiszeit im Gold-Duell: Thompson-Herah vs. Fraser-Pryce 2:2

Tokyo 2020 / Eiszeit im Gold-Duell: Thompson-Herah vs. Fraser-Pryce 2:2
Elaine Thompson-Herah hat ihre Goldmedaille von Rio erfolgreich verteidigt Foto: AFP/Javier Soriano

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Das 100-Meter-Finale der Frauen in Tokio birgt trotz aller Flüchtigkeit viele Geschichten: Eine reicht bis zu Weltrekordlerin Florence Griffith-Joyner zurück. Usain Bolt gratuliert drei Jamaikanerinnen.

Usain Bolt schwärmte vom „süßen Triple“, doch eigentlich herrschte nach dem Medaillenrausch von Jamaikas Super-Sprinterinnen Eiszeit. Ein flüchtiger Klaps der geschlagenen Shelly-Ann Fraser-Pryce auf die Schulter von Olympiasiegerin Elaine Thompson-Herah. Und dann wieder auf Abstand – statt jubelnd mit der Dritten Shericka Jackson auf eine gemeinsame Ehrenrunde. Goldgewinnerin Thompson-Herah fehlten in Tokio bei ihrem zweiten Olympia-Triumph über 100 Meter nach Rio nur elf Hundertstel zum Jahrhundert-Weltrekord von Florence Griffith-Joyner.

Die Amerikanerin war vor 33 Jahren in 10,49 Sekunden eine Fabelzeit scheinbar für die Ewigkeit gelaufen. Griffith-Joyner, die 1988 in Seoul in 10,62 Sekunden siegte und stets von Dopinggerüchten umgeben war, starb 1998 im Alter von nur 38 Jahren. So bedeuteten die 10,61 Sekunden von Thompson-Herah am Samstag olympischer Rekord.

„Ich habe so laut geschrien, weil ich so glücklich war. Ich wusste, dass die Zeit drin ist, aber ich hatte meine Höhen und Tiefen mit Verletzungen. Ich habe immer daran geglaubt. Es ist einfach toll!“, sagte sie völlig aufgelöst. Schon 2016 in Rio de Janeiro hatte Thompson-Herah Gold nicht nur über 100, sondern auch über 200 Meter geholt. Hoffentlich könne sie „eines Tages den Weltrekord brechen“, meinte sie. „Ich bin erst 29. Ich bin nicht 30. Ich bin nicht 40.“

Jetzt steht es 2:2

Fraser-Pryce durfte diese Worte durchaus an sich gerichtet sehen. Sie verpasste als Zweite in 10,74 Sekunden ihren dritten Olympiasieg über 100 Meter nach 2008 und 2012 – und bangt plötzlich um ihren Legenden-Status in der Heimat neben Bolt. Denn nach olympischen Goldmedaillen über 100 Meter steht es statt 3:1 für Fraser-Pryce – wie die 34-Jährige erwartet hatte – 2:2.

Den Erfolg für Jamaika komplett machte Shericka Jackson als Dritte in 10,76 Sekunden. Erst für das gemeinsame Foto rang sich Fraser-Pryce ein Lächeln ab: Nach dem Zieleinlauf hatte Jamaikas großer Frauen-Star noch ungläubig und mit langem Gesicht auf die Anzeigetafel mit der Wiederholung geschaut.

„Es hat nicht gereicht. Aber ich bin immer noch wirklich dankbar, dass ich zu meinen vierten Spielen kommen konnte und mit einer Silbermedaille hier rausgehe“, sagte die nun siebenmalige olympische Medaillen-Gewinnerin. 2017 hatte Fraser-Pryce Söhnchen Zyon zur Welt gebracht. 2019 triumphierte „Pocket Rocket“ („Taschenrakete“), wie das nur 1,52 Meter große Energiebündel gerne genannt wird, in Doha als Weltmeisterin über 100 Meter und mit der Staffel.

Schon im Halbfinale in Tokio fehlte die nigerianische Weltklasse-Sprinterin und Weitspringerin Blessing Okagbare, die bei einer Trainingskontrolle am 19. Juli positiv auf das menschliche Wachstumshormon getestet wurde. Die Suspendierung teilte die unabhängige Integrationskommission des Leichtathletik-Weltverbandes (Aiu) am Samstag mit.

„Ich bin froh, dass es heute noch aufgedeckt wurde, sonst hätte sie noch jemandem den Platz weggeschnappt“, sagte die deutsche Meisterin Alexandra Burghardt. Die 27-Jährige aus Burghausen legte als Vierte des zweiten Halbfinal-Laufs in 11,07 Sekunden die zweitbeste Zeit ihrer Karriere hin: „Das Finale war greifbar. Ich denke, in ein paar Minuten bin ich richtig stolz.“

In Shooting-Star Sha’Carri Richardson fehlte zudem eine Mitfavoritin, die den Jamaikanerinnen noch in die Quere hätte kommen können: Die Amerikanerin rannte in diesem Jahr bereits 10,72 Sekunden, verlor aber nach dem Konsum von Cannabis ihren nationalen Titel und damit auch das Olympia-Startrecht.

„Süßes Triple“ – so kommentierte der zurückgetretene Superstar Usain Bolt auf Twitter den Auftritt der Jamaika-Koalition, die am Tag des großen Sprintfinales aus drei Parteien bestand. In der Staffel über 4 x 100 Meter müssen Thompson-Herah, Fraser-Pryce und Jackson nun irgendwie zusammenfinden. Aber die Stabübergabe in Höchstgeschwindigkeit verläuft ja normalerweise ohne Berührung. (dpa)