ÖsterreichHavanna-Alarm: Dutzende US-Geheimdienstler mit mysteriösen Symptomen

Österreich / Havanna-Alarm: Dutzende US-Geheimdienstler mit mysteriösen Symptomen
Was genau den Mitarbeitern des US-Geheimdienstes in Wien widerfahren ist, wird die Agency wohl kaum bekannt geben  Foto: File/AP/Carolyn Kaster

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Mehr als 100 US-Geheimdienstler in Wien leiden wie ihre Kollegen vor fünf Jahren auf Kuba an mysteriösen Symptomen einer bislang unbekannten Krankheit. Washington hat eine Untersuchung eingeleitet – und verdächtigt insgeheim Russland des Einsatzes einer geheimen Biowaffe.

Schwindel und Übelkeit, Migräne und Erinnerungslücken – darunter litten erstmals 2016 US-Diplomaten in Kubas Hauptstadt Havanna. Bald darauf waren auch Angehörige von US-Behörden, Geheimdiensten oder Militärs in China, Russland, Kolumbien, Usbekistan oder den USA selbst von den mysteriösen Symptomen betroffen. Nach jahrelangem Rätseln erklärte eine Kommission der US-Akademie der Wissenschaften Ende 2020 die Theorie, Energiestrahlen hätten das Syndrom ausgelöst, für plausibel. Bewiesen ist sie freilich nicht. In US-Medien kursierten die abenteuerlichsten Spekulationen: Es könnte sich um Akustik-Attacken oder Angriffe mit Mikrowellenstrahlung zum Abschöpfen von Smartphone- und Computerdaten handeln. Auch ein massenpsychotisches Phänomen oder Grillengeräusche wurden schon als Erklärungsversuche gehandelt.

Grillenkolonien von kubanischen Dimensionen gibt es in Wien jedenfalls nicht. Es muss also eine andere Ursache für den Ausbruch des Havanna-Syndroms nun auch in Wien geben. Waren bisher weltweit 130 Fälle bekannt, so sind allein an der Donau nun mehr als 200 Fälle dazugekommen – etwa je zur Hälfte CIA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie deren Familienangehörige.

Das offizielle Österreich hält sich in der Causa zurück. Das Außenministerium nimmt zwar „die Berichte sehr ernst“ und erklärt die Sicherheit von US-Diplomaten und deren Familien zur „obersten Priorität“, beteiligt sich aber nicht an Spekulationen oder gar Verdächtigungen. Das natürlich in erster Linie mangels gesicherter Informationen, nicht zuletzt aber auch wegen des neutralen Status. Man weiß natürlich, dass Wien eine der Drehscheiben für Geheimdienstler aus aller Welt ist, will aber lieber nicht so genau wissen, was die hier treiben.

Bin Laden-Jäger im Einsatz

In der konkreten Causa wissen freilich auch die Amerikaner nichts Genaues. Ein Indiz dafür, dass Washington nicht etwa längst vorhandene Erkenntnisse geheim hält, ist die Tatsache, dass die CIA nun eine top besetzte Taskforce eingesetzt hat. Sie wird von einem hochrangigen Beamten geleitet, der die Suche nach dem 2011 in Pakistan aufgespürten und getöteten El-Kaida-Chef Osama bin Laden koordiniert hatte. Das medizinische Team zur Untersuchung des Syndroms wurde verdreifacht.

Offiziell übt sich auch die US-Regierung beim Spekulieren in Zurückhaltung. Das State Departement spricht nur von „unerklärlichen Gesundheitsvorfällen“, also nicht von Attacken oder einem möglichen Verursacher. CIA-Chef William Burns gibt sich entschlossen, Ursachen und Auslöser für die mysteriösen Krankheitsfälle zu finden. Nur hinter vorgehaltener Hand soll er, wie der New Yorker berichtete, von einem „Angriff“ als wahrscheinlichste Erklärung sprechen. Anonym bleiben wollende US-Regierungsmitglieder sollen aber davon gesprochen haben, dass Präsident Joe Biden Russland der Urheberschaft verdächtigt. Dabei wird auch auf den massiven Cyberangriff auf das Wiener Außenministerium im vergangenen Jahr hingewiesen. Damals soll Russland dahinter gesteckt haben, auch wenn die Österreicher das nicht an die große Glocke hängten. Man ist eben nicht nur neutral, sondern noch immer ein bisschen russlandfreundlicher als die meisten EU-Partner.

Spionage-Mekka Wien

Spätesten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der zehn Jahre darauf erfolgten Annahme des Status der immerwährenden Neutralität, ist Österreichs Hauptstadt der Umschlagplatz für geheime Informationen aus aller Welt. Rund 7.000 Agenten sollen sich in Wien aufhalten, was freilich nur eine Schätzung ist, da sich Spione in der Regel nicht gern offiziell als solche zu erkennen gaben. Die CIA und die National Security Agency (NSA) logieren auf 4.000 Quadratmetern in den oberen Stockwerken eines Wolkenkratzers gleich gegenüber der UNO-City. Was dort geschieht, kann nur erahnt werden – es soll auch der gesamte Mobilfunkverkehr abgesaugt werden. Der Geheimdienst-Experte Siegfried Beer schätzte die Zahl der US-Geheimdienstler vor fünf Jahren auf 80. Das war entweder schon damals zu tief gegriffen oder der Personalstand hat sich seither vervielfacht. Denn vom Havanna-Syndrom sind allein rund 100 CIA-Mitarbeiter betroffen – und es ist nicht davon auszugehen, dass alle US-Geheimdienstler betroffen sind. Auch der russische Geheimdienst FSB ist in Wien sicher nicht schwach vertreten. Zahlreiche nordkoreanische Spione sollen hier ihren Arbeitsplatz haben. Es ist davon auszugehen, dass kaum ein Staat, der Auslandsaufklärung betreibt, um den Standort Wien, wo zahlreiche internationale Institutionen tätig sind, herumkommt.

Winter
26. Juli 2021 - 23.23

Ach was. Die Körper der Amis vertragen die Handy-Towerdichte und die vielen WIFIS im Ausland nicht. Die lokalen Arbeitskräfte klagen nie.