EZBZinswende rückt in weite Ferne: Ultralockere Geldpolitik soll lange beibehalten werden

EZB / Zinswende rückt in weite Ferne: Ultralockere Geldpolitik soll lange beibehalten werden
Vor zwei Wochen hatte sich die EZB im Zuge eines Strategiechecks ein neues Inflationsziel gesetzt. Dieses lautet nun 2 Prozent, nachdem es zuvor „unter, aber nahe 2 Prozent“ gelautet hatte. Sparer müssen sich also auf eine noch länger anhaltende Zinsflaute einstellen. Foto: AFP/Daniel Roland

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Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Wirtschaft der Eurozone auch nach der akuten Krisenphase weiter mit einer sehr lockeren Geldpolitik stützen. Dies geht aus dem geldpolitischen Ausblick hervor, den die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung neu formulierten. 

Die EZB wolle mit dem geänderten Ausblick ihr Bekenntnis unterstreichen, eine anhaltend konjunkturstützende Geldpolitik beizubehalten, um ihr Inflationsziel zu erreichen, erklärte die Notenbank. Sie will unter anderem nun ihre Leitzinsen so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation 2 Prozent erreicht und dies dann erst einmal beständig so bleibt. Das könnte auch eine Übergangszeit von Inflationsraten über zwei Prozent beinhalten. Vor zwei Wochen hatte sich die EZB ein neues Inflationsziel von nunmehr 2 Prozent gesetzt. Zuvor hatte es: „unter, aber nahe 2 Prozent“ gelautet.

ZEW-Volkswirt Friedrich Heinemann sieht darin eine deutliche Veränderung gegenüber der bisherigen Vorgehensweise. „In der heutigen Entscheidung des EZB-Rats zeigt sich, dass die veränderte geldpolitische Strategie nicht nur eine neue Rhetorik, sondern auch eine Veränderung in der Sache bringt“, sagte er. Mit dem überarbeiteten zinspolitischen Ausblick immunisiere die EZB ihre Negativzinsen und die Anleihekäufe auf lange Zeit gegen einen überraschend starken Inflationsanstieg. „An eine Leitzinswende ist nicht nur noch lange nicht zu denken, sie ist zeitlich sogar noch gestreckt worden“, erläuterte auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe.

Die Inflationsrate im Euroraum lag im Juni bei 1,9 Prozent. Für die nächsten Monate erwarten viele Experten einen Anstieg der Teuerungsrate auf Werte über dem neuen EZB-Inflationsziel. Ein Grund ist, dass das Preisniveau in Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, im zweiten Halbjahr 2020 von der vorübergehend gesenkten Mehrwertsteuer im Kampf gegen die Virus-Krise gedämpft wurde. Dieser Effekt dürfte sich nun umkehren. Die EZB erachtet den Preisanstieg als nicht nachhaltig. Für das Jahr 2023 erwartet sie gerade einmal eine Rate von 1,4 Prozent. Damit läge das neue Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank noch weit entfernt.

Leitzinsen bleiben auf Rekordtief

Die EZB beschloss auf ihrer Sitzung außerdem, die Leitzinsen auf ihren aktuellen rekordtiefen Niveaus zu belassen. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bleibt damit weiterhin bei 0,0 Prozent. Auf diesem Niveau liegt er bereits seit März 2016. Auch am Einlagesatz von minus 0,5 Prozent rüttelte die EZB nicht. Banken müssen somit weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken.

Die Währungshüter teilten zudem mit, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP weiterhin deutlich umfangreicher ausfallen sollen als zu Jahresbeginn. Die EZB hatte das Tempo der Käufe im Frühjahr im Vergleich zum Jahresstart deutlich erhöht. Das Monatsvolumen der Käufe lag zuletzt bei 80 Milliarden Euro. Das im Frühjahr 2020 aufgelegte Programm, das Staatsanleihen, Firmenanleihen und andere Titel umfasst, wurde bereits zweimal aufgestockt. Es hat einen Gesamtrahmen von 1,85 Billionen Euro und die Käufe sollen noch bis Ende März 2022 fortgesetzt werden.

Kräftiges Wachstum im Euroraum

Nach Ansicht der EZB steuert der Euroraum im Sommer trotz weiter lauernder Gefahren durch die Corona-Pandemie auf kräftiges Wachstum zu. Die Wirtschaft habe sich im Zuge der gelockerten Corona-Auflagen bereits im Frühjahr erholt, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Auch die Industrie werde trotz kurzfristiger Lieferengpässe voraussichtlich gut abschneiden. Mit der Wiedereröffnung weiter Teile der Wirtschaft sei zudem der Dienstleistungssektor wieder im Aufschwung. „Doch die Delta-Variante des Corona-Virus könnte diese Erholung im Dienstleistungssektor dämpfen – speziell im Tourismus und im Gastgewerbe.“

Die EU-Kommission hatte erst kürzlich ihre Wachstumsprognose für die Eurozone in diesem Jahr um 0,5 Prozentpunkte auf 4,8 Prozent angehoben. Das wäre das kräftigste Wachstum seit vielen Jahren. Derart deutlich hatte die Kommission ihre Prognose seit der Finanzkrise nicht mehr nach oben geschraubt. Laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni kann der Euroraum nun bereits in den letzten drei Monaten dieses Jahres und somit ein Quartal früher als gedacht zum Vorkrisen-Niveau zurückfinden.

Die Inflation im Euroraum wird aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch monatelang ansteigen und wohl erst Anfang 2022 nachlassen. Der Anstieg werde von höheren Energiepreisen und speziellen Basiseffekten befeuert – etwa die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2020, sagte Lagarde am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Dieser Effekt werde aber Anfang kommenden Jahres aus der statistischen Berechnung der Jahresteuerungsrate herausfallen. 

DeLetzeboier
30. Juli 2021 - 13.27

Et EZB ass komplett um falsche Wee! Et wär batter néideg, hier Geldpolitik ze änneren. Déi 0 Zënspolitik entwert net nëmmen onst Geld mee dreiwt et Praisser vun ënnert aanerem dem Logement nach weider an Luut. de Konstrukt vun der EU huet e Richtungswiessel néideg, esou wéi et aktuell ass, kann et nëmmen schief goen!

Rosseljong
27. Juli 2021 - 16.18

@Wieder Mann "Europa lebt auf Pump " Natürlich, wenn die Zinsen Null oder drunter liegen.

Europa...
24. Juli 2021 - 18.05

...mir huelen de Bierger mat...Wouhin?

Sepp
24. Juli 2021 - 9.56

Gut so, es ist eine Frechheit wenn Leute von Zinsen/Dividenden leben können und nur zum Spass arbeiten gehn. Um seine Notgroschen braucht auch keiner Angst zu haben, die wurden bisher meiner Meinung nach nicht angefasst, nur vermehren sie sich nicht wie sonst von selbst.

Grober J-P.
24. Juli 2021 - 9.32

Wie sagte mein Nachbar kürzlich, ich habe mein Sparbuch in eine Immobilie gesteckt, in 2 Jahren wird wieder verkauft mit einer Rendite von über 15 %. Als er mir geraten hat das Gleiche zu tun habe ich mich verplappert, er ist abgehauen und will ab sofort nichts mehr mit Hungerleidern zu tun haben. Hoffentlich platzt die Immobilienblase, wie damals in den USA oder Spanien.

Wieder Mann
23. Juli 2021 - 17.11

Europa lebt auf Pump , weder Politik noch Volk wollen sich das eingestehen und leben weiter als könne diese künstliche Geldblase nicht platzen. Am Horizont kündigen sich dunkle Wolken von Armut, Arbeitslosigkeit, ….an.Die nächsten Generationen werden lernen was es heißt „ keen Apel fir den Duscht ze hun“, das gute alte Geld auf Sparkonten , Sinn machte und in weiser Voraussicht einen Notgroschen für schlechte Zeiten zu besitzen.“ D‘EU ass net dat, wat se versprecht.“