Parlamentsjahr„Regierung der faulen Kompromisse“ – „déi Lénk“ zieht Bilanz

Parlamentsjahr / „Regierung der faulen Kompromisse“ – „déi Lénk“ zieht Bilanz
Die Linken-Politiker David Wagner, Myriam Cecchetti, Nathalie Oberweis und Marc Baum bei der Pressekonferenz am Donnerstag Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Mit der Zeit wird auch die radikalste Opposition punktuell systemkonform, und so lädt seit Jahren auch „déi Lénk“ zum Ende des Parlamentsjahres Pressevertreter zum Mittagessen ein – eine Gelegenheit, die verflossene politische Saison durch die eigene Parteibrille zu betrachten und entsprechend zu bewerten. Dieselbe Übung hatten andere Parteien bereits in den Vortagen absolviert.

Als Quartett trat „déi Lénk“ gestern im „Sang a Klang“-Festsaal im Pfaffenthal auf, um das parlamentarische Jahr Revue passieren zu lassen. Von der Partie: die zwei erfahrenen, vor zwei Monaten gemäß dem Rotationsprinzip zurückgetretenen Abgeordneten Marc Baum und David Wagner und die beiden nachgerückten Myriam Ceccetti und Nathalie Oberweis. Bei ihrem Rückblick fokussierten sie sich insbesondere auf die aus ihrer Sicht dringlichsten Fragen. Die Politik der aktuellen Dreierkoalition kannte dabei kein Pardon.

In den vergangenen zwölf Monaten habe es kein gemeinsames Projekt der Mehrheitsparteien gegeben, kritisierte Baum. Das Ergebnis davon seien faule Kompromisse gewesen, ein Begriff, der zum Leitmotiv des Pressetreffens wurde. Festmachen wollte „déi Lénk“ dies an der Art, wie die Koalition die Covid-19-Pandemie und die Wohnungsmarktproblematik handhabte, an ihrer Klima- und Umweltschutzpolitik sowie an der Steuerpolitik.

„Je länger die Pandemie anhielt, umso stärker wurde man das Gefühl nicht los, dass die beschlossenen Maßnahmen bloß das Ergebnis von Verhandlungen waren“, so Baum. Dabei habe man sich einander die Schuld zugeschoben, etwa bezüglich der Situation und der hohen Sterblichkeit in den Seniorenheimen, so der Ex-Abgeordnete mit Blick auf die Familien- und Gesundheitsministerien.

Keine Gnade für die Wohnbaupolitik

Keine Gnade findet in den Augen von „déi Lénk“ die Wohnungsbaupolitik. Für Nathalie Oberweis sei klar, dass man es hier mit einer sozialen Krise zu tun habe. Die Ungleichheiten würden zunehmen, die einen würden reicher, die anderen ärmer. Der rezent vom Parlament gebilligte Wohnungspakt II werde dieser Krise nicht gerecht. Auch in diesem Bereich sieht „déi Lénk“ faule Kompromisse. Man verlasse sich auf private Bauträger zur Lösung der Problematik, dabei sei eine interventionistische Politik erfordert. Im Wohnungspakt vermisse man klare, bezifferte Zielvorgaben. Bis zu 20.000 Wohnungen stünden leer, so Oberweis. Gleichzeitig würden 30.000 Menschen auf eine Wohnung warten. Leerstand müsse stärker besteuert werden. Zwar sei auch der Regierungschef dafür, aber bisher sei nichts erfolgt. Auch das geplante Gesetz zur Mietbremse werde sein Ziel nicht erreichen.

Wenig Aussicht auf Erfolg prophezeit Myriam Cecchetti auch dem mit den Stimmen von „déi Lénk“ gestimmten Gesetz zum Klimapakt Staat-Gemeinden. Da wenige Anstrengungen erfordert seien, würde jede Gemeinde die vorgegebenen Ziele erreichen. Dabei rede man bereits seit 40 Jahren von der Klimakrise. Die jüngsten Wetterereignisse hätten die Problematik erneut deutlich vor Augen geführt. Was werde dagegen getan? Nichts, man bleibe gemütlich auf dem Sofa liegen, so Cecchetti. Widersprüche und faule Kompromisse auch in diesen Politikfeldern. Einerseits werde der öffentliche Personennahverkehr gefördert, anderseits plane man weitere Umgehungsstraßen, etwa um Hesperingen. Dabei seien die meisten Verkehrsbewegungen lokaler Art. Auch das „Contournement“ von Bascharage ist Cecchetti zufolge wenig zielführend. Es gehe vor allem um die Anbindung der Gewerbezone. Dabei müssten etliche Bäume gefällt werden, die vor Hochwasser schützen.

Einer Corona-Steuer, eine Sonderabgabe auf jene, die während der Pandemie gutes Geld verdienten, ist „déi Lénk“ selbstredend nicht abgeneigt. Ja, das Kapital und die Vermögenden sollten stärker besteuert werden, meinte David Wagner. Auch die LSAP sei für eine Reichensteuer, also sollte sie sich jetzt dafür einsetzen. Aber eine Corona-Steuer allein reiche nicht. Benötigt werde eine echte Umverteilung. Eine Corona-Steuer dürfe jedoch Kleinverdiener nicht zusätzlich belasten. Die „Dicken“ müssten beitragen. Nach wie vor werde das Kapital fünfmal weniger besteuert als Arbeitseinkünfte. Dagegen müsse man vorgehen. Wagner schloss mit einer optimistischen Note ab: Auch die Opposition könnte manchmal etwas bewegen. Dass sich die Regierung und ihre parlamentarische Mehrheit für eine Steuer auf die „Fonds d’investissement spécialisés“ (FIS) entschieden, führte Wagner auf entsprechenden Druck der Opposition und der Öffentlichkeit zurück. „déi Lénk“ habe als Erste bereits 2018 davon geredet.

wally
25. Juli 2021 - 17.06

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