DeutschlandQuerdenker – ruhiger, aber weiter da

Deutschland / Querdenker – ruhiger, aber weiter da
Rund 500 sogenannte Querdenker ziehen Anfang Juli in Bochum in einem Protestmarsch aus der Innenstadt zum Veranstaltungsgelände auf dem Kirmesplatz und tragen dabei ein Schild mit der Aufschrift „Lockdown für Merkel + Co“ Foto: dpa/Jonas Güttler

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Je länger der Lockdown im Frühjahr dauerte, desto lauter wurden die Querdenker bei ihren provozierenden Versammlungen. Sind sie nun mit den Lockerungen verschwunden? Der Chef der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl, warnt. Sie seien weiterhin „hochgefährlich“ für die Demokratie.

Auf dem Höhepunkt der Infektionsdynamik provozierte sie bewusst mit dem Bruch der Hygieneregeln, bot Radikalen, Reichsbürgern und Extremisten den Schulterschluss und obskuren „Widerstandskämpfern“ eine Bühne. Doch mit dem Fallen der Inzidenzen und dem Wiedereröffnen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens scheint es still um die Querdenken-Bewegung geworden zu sein. Hat sie das Querdenken aufgegeben? Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang sieht Anlass, eine „gewisse Entwarnung“ zu geben. Die Proteste seien rückläufig. Doch dahinter setzt er ein großes „Aber“.

Denn nicht verschwunden seien bestimmte Protagonisten, die zuletzt auch aus dem Spektrum von Reichsbürgern und Selbstverwaltern gekommen seien und die nach wie vor Verschwörungsmythen verbreiteten. Sie lehnten weiterhin demokratisch getroffene Entscheidungen ab und zielten darauf ab, das Vertrauen in staatliche Institutionen und seine Repräsentanten „nachhaltig zu erschüttern“, so Haldenwang. Damit sei der „Nährboden für Meinungsmache, Manipulation und Desinformation im Informationsraum“ vergrößert worden – nicht zuletzt auch in Bezug auf die Bundestagswahl.

Thomas Strobl, Chef der Innenministerkonferenz und Innenminister von Baden-Württemberg, betont, dass der Verfassungsschutz immer mehr Licht ins Dunkel bringe. Es seien „weitere personelle Verflechtungen von Querdenkern in das Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter sowie den Rechtsextremisten festgestellt worden“. Einzelne Akteure trieben weiterhin die Thematik einer „verfassungsgebenden Versammlung“ voran. „Dabei zeigt sich mehr und mehr, dass Querdenken für unsere freiheitliche Demokratie eine hochgefährliche Organisation ist“, unterstreicht Strobl. Extremisten versuchten, das hohe Mobilisierungspotenzial der Demonstrationen zu nutzen, um ihre ideologischen Ziele zu verbreiten. Dabei gehe es ihnen ganz gezielt darum, eine Brücke zum bürgerlichen Spektrum zu schlagen.

Mittlerweile stellt das Innenministerium in Stuttgart – dem Ursprungsort der Querdenken-Bewegung – ein Abebben des Zulaufs zu den Demonstrationen fest. „Querdenken 711“ selbst hält derweil daran fest, dass die Grundrechte seit mehr als 14 Monaten eingeschränkt seien. Denn die Bewegung setzt darauf, am 1. August in Berlin wieder als Massenphänomen in Erscheinung treten zu können. Busfahrten werden von 80 Städten in Deutschland aus organisiert, um im „Sommer der Freiheit“ einer „Großdemonstration für Frieden und Freiheit“ zu viel Zulauf zu verhelfen. Allerdings gehen die Querdenker selbst derzeit noch von weniger Zuspruch aus. Sie haben 22.500 Teilnehmer angemeldet.

Nach wie vor in sozialen Medien aktiv

Die Zurückhaltung wird gestützt von zurückliegenden Demonstrationen. In Hannover etwa war im Juni mit einer vierstelligen Zahl gerechnet worden. Doch es wurde nur eine niedrige dreistellige. Der NRW-Verfassungsschutz verzeichnet auch bei den regionalen Initiativen einen rückläufigen Trend. So schrumpfte deren Zahl von Anfang des Jahres bis jetzt von 20 auf 16. Allerdings verweist auch die Düsseldorfer Behörde auf einen nach wie vor aktiven Kern: „Personen aus der Querdenken-Szene sind nach wie vor in den sozialen Netzwerken beziehungsweise Chats wie etwa Telegram aktiv und verbreiten dort ihr zum Teil verfassungsfeindliches Gedankengut.“

Dass es geschlossene Internet-Gruppen gibt, in denen sich zehntausende Menschen gegenseitig radikalisieren, das passt nicht mit unserer Vorstellung von Massenmedien zusammen – da können wir nicht weiter zuschauen

Michael Kretschmer, Ministerpräsident in Sachsen

Aus dem langen Vorlauf, der fortgeschrittenen Vernetzung und der Zuspitzung der gesellschaftlichen und politischen Konflikte leitet der NRW-Verfassungsschutz die Annahme ab, dass das hinter der „Corona-Leugner“-Szene stehende Personenpotenzial auch nach einem Ende der Pandemie „nicht in Gänze in die gesellschaftliche Mitte zurückkehren“ wird. Es sei vielmehr zu befürchten, „dass ein vom Staat enttäuschtes Personenpotenzial bestehen bleibt und sich bei zukünftigen krisenhaften Entwicklungen erneut für Botschaften mobilisieren lässt, die in Teilen staats- und verfassungsfeindlich sind“.

Ähnlich schätzt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer die absehbare Entwicklung ein. Zwar wäre es nach seiner Ansicht „schön, wenn ein gewisser Lerneffekt einsetzen würde“. Zugleich verweist er darauf, dass aus Sicht vieler, gerade Älterer, das Internet und die von ihnen gewählten sozialen Portale die Wirklichkeit wiedergäben. „Ich glaube nicht, dass es verschwindet“, sagt Kretschmer dem Tageblatt. Nach seiner Prognose werde es „eher stärker werden“. Deshalb gelte es auch, auf europäischer wie auf deutscher Ebene Regulierungen durchzusetzen. Die Maßnahmen gegen Hatespeech hätten bereits etwas gebracht. „Dass es geschlossene Internet-Gruppen gibt, in denen sich zehntausende Menschen gegenseitig radikalisieren, das passt nicht mit unserer Vorstellung von Massenmedien zusammen – da können wir nicht weiter zuschauen“, mahnt der Ministerpräsident.

Jimbo
20. Juli 2021 - 21.54

Firwat ass en direkt e Querdenker wann en laanscht den Autoriteiten iwwerleet a sech seng eegen Meenung bildt? Mussen mer dann alleguer Lemmings spillen?? Daerf e net mei seng eegen Meenung vertrieden? Politiker lauschteren och just op dei „Spezialisten“ wou hier Meenung vertrieden… Kuk mol wat aktuel an England leeft… Oder virdrun a Schweden…. Sin maer dann och Querdenker wann maer eis hierer Meenung uschleissen??