Gegenpressing – die EM-KolumneTreib’s nicht zu bunt

Gegenpressing – die EM-Kolumne / Treib’s nicht zu bunt
Politik oder Menschenrecht? In München hätte die UEFA klare Farbe(n) bekennen müssen. Foto: Tobias Hase/dpa

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Fußballfreunde, aufgepasst: Küssen dürfen die Kicker während dieser Europameisterschaft irgendwann auch wieder, aber bitte nur den Pokal. Denn alles, was den Mann-Frau-Kind-Rahmen sprengt, mag Viktor Orbán überhaupt nicht. Und der ist ja immerhin Chef in Budapest, dem neuen Mekka unter europäischen Fußballtempeln. Dort hat man derzeit mehr Angst vor händchenhaltenden Männern und Masken als vor Corona. Im neuen ungarischen Gesetzespaket wird Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt. Diese mittelalterliche Lebensansicht sei zum „Schutz der Kinder“, so zumindest die Worte von Außenminister Peter Szijjarto. Bei allem Respekt für die Meinung anderer Menschen: ein fadenscheiniger Erklärungsversuch mit Kopfschüttel-Faktor.

Lassen wir die angeblich schutzbedürftigen kleinen Kinder also mal außen vor. Im Fall des Verbots, die Münchner Arena in Regenbogen-Farben erleuchten zu lassen, sichert sich nämlich nur die große UEFA (selbst) ab. Allein die Untersuchung im Fall Manuel Neuer, der eine Kapitänsbinde in LGTB-Farben trug, ist ein Trauerspiel an sich. Denn der europäische Dachverband zeigt damit nur, wie scheinheilig seine Kampagnen wie „Equal game“ und Co. tatsächlich sind. Große Parolen um Toleranz, Diversität, Inklusion und Zeichen gegen Diskriminierung haben im Endeffekt nur Marketing-Wert – aber nur, wenn sie allen in den Kram passen und niemand verärgert wird. Wird es dagegen ernst, wie bei der Idee, das Münchner Stadion farbenfroh erleuchten zu lassen, versteckt sich die UEFA schnell wieder hinter der Politik-Fassade, die im Sport nichts zu suchen habe. Und jetzt, da es drüben gerade so gut mit Orbán läuft, kann man ihm als UEFA bei einem Auswärtsspiel in Deutschland ja nicht ins Süppchen spucken. 

Das Nein zu einem Stadion in Regenbogenfarben hat in den sozialen Netzwerken eine Debatte darüber ausgelöst, inwiefern Menschenrechte und politische Entscheidungen gleichzustellen sind. Wahrscheinlich sind beide Dinge so gleich wie Homosexualität und Pädophilie. Aber wer die FIFA bei ihrer WM in Katar (wo Homosexualität mit fünf Jahren Gefängnis bestraft wird, 233 Euro Mindestlohn auf Stadion-Baustellen verspätet oder gar nicht ausgezahlt werden und die Reisepässe der Arbeitseinwanderer einbehalten werden) den Rücken stärkt, hat trotz „Equal game“-Getöne ohnehin ein fragwürdiges Verständnis von gut und böse … 

In diesem Sinne: Auf eine fröhliche Pride-Week in Esch!